Frage:
Ein niedergelassener Chirurg fragt an, ob seine Einbindung in den Rufbereitschaftsdienst einer Klinikabteilung als abhängige Beschäftigung oder als selbständige Tätigkeit zu qualifizieren sei. Hiervon nämlich sei abhängig, ob Sozialabgaben abzuführen sind.
Antwort:
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat in einem ähnlichen Fall mit Beschluss vom 20.08.2015 entschieden, dass ein niedergelassener Arzt, der nach dem zwischen ihm und dem Krankenhaus geschlossenen Vertrag in die Rufbereitschaft einer Sektion einer Abteilung eines Krankenhauses eingebunden ist, abhängig beschäftigt ist (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 20.08.2015, Az.: L 4 R 1001/15). Im hier angesprochenen Fall handelte es sich um einen Facharzt für Allgemeinchirurgie und Facharzt für Kinderchirurgie, der zuvor bei dem Krankenhaus angestellt gewesen ist. Nachdem er in eigener Praxis selbständig arbeitete, schloss er aber einen Vertrag mit seinem vorherigen Arbeitgeber und vereinbarte, dass er an etwa zwei Wochenenden pro Monat in den Rufbereitschaftsdienst eingebunden wird. Die Parteien vereinbarten ausdrücklich im Vertrag, dass der niedergelassene Arzt seine Leistungen selbständig und höchstpersönlich zu erbringen habe. Zur Klärung der Frage, ob der niedergelassene Arzt während seiner Rufbereitschaft vom Krankenhaus abhängig beschäftigt wurde, hielt das Gericht jedoch nicht das für entscheidend, was die Parteien vereinbart hatten. Vielmehr sei das Gesamtbild der Arbeitsleistung ausschlaggebend. Hierbei sprächen aber sämtliche Umstände dafür, dass die ausgeübte Tätigkeit als Arzt im Rahmen der Rufbereitschaft in einem abhängigen und in der gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis erfolge. Denn der Arzt ist während seiner Rufbereitschaft insbesondere in den Betrieb des Krankenhauses eingegliedert und weisungsabhängig. Überdies ist der Arzt verpflichtet, dem Krankenhaus die bei Untersuchungen oder Behandlungen erhobenen Befunde, die sich daraus ergebenden Beurteilungen und die ärztlichen Unterlagen und Aufzeichnungen dem zuständigen leitenden Abteilungsarzt zur Aufnahme in die Krankengeschichte zur Verfügung zu stellen. Er habe auch in identischer Weise wie die angestellten Ärzte des Krankenhauses Zugang zu den erforderlichen EDV-Systemen des Krankenhauses und dieses stellt auch die zur Erbringung der Leistungen notwendigen Mittel (Personal, Räume, Einrichtungen, Gerätschaften und Material) zur Verfügung. All diese Regelungen führen nach Ansicht des LSG Baden-Württemberg in sachlicher, örtlicher und personeller Hinsicht zu einer engen Eingliederung des Arztes in den Betrieb des Krankenhauses. Die für eine selbständige Tätigkeit sprechenden Indizien wie das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft sowie die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit wurden vom Gericht allesamt verneint.
Diese Rechtsprechung kann auf den angefragten Fall des niedergelassenen Chirurgen übertragen werden, da ein niedergelassener Arzt, der Bereitschaftsdienste im Krankenhaus wahrnimmt, typischerweise in den Betrieb eingegliedert wird. Insbesondere stellt dies jedoch für das Krankenhaus ein Problem dar, das für den Arzt Sozialabgaben abzuführen hat und trotz Vereinbarung einer selbständigen Tätigkeit im Nachhinein oftmals Rückforderungsansprüchen der Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung ausgesetzt ist.