Berlin, den 27.09.2010: Der dramatische Ärztemangel führt durch Beteiligung externer, so genannter Honorarärzte an deutschen Kliniken zu völlig neuen Personalstrukturen. Eine in Berlin vorgestellte Umfrage des Berufsverbands der Deutschen Chirurgen (BDC) zeigt, dass inzwischen mehr als zwei Drittel der Kliniken auf auswärtige Hilfe angewiesen sind.
„Man muss fragen, ob hier Fakten geschaffen werden, die zu einer völlig neuen Struktur der Gesundheitsversorgung führen“, erklärte der Vizepräsident des BDC, Prof. Dr. med. Tilman Mischkowsky anlässlich der Vorstellung der Umfrageergebnisse.
Die BDC-Umfrage zeige, dass die in anderen Staaten übliche Tätigkeit von Honorar- und Konsiliarärzten nun auch Deutschland erreiche. Ärzte ohne Anstellungsverhältnis erbringen in Krankenhäusern Leistungen, die sie direkt mit der Klinik und nicht mit den Kostenträgern abrechnen. Sie seien dabei häufig nur sehr unvollkommen in die Strukturen der Krankenhäuser eingebunden. „Wir erleben zurzeit eine dramatische Zunahme honorarärztlicher Tätigkeit, die die Versorgungsrealität bereits erheblich verändert“, so Mischkowsky.
Honorarärzte arbeiten der Umfrage zufolge in 65 Prozent der Kliniken sowie in einem Drittel der chirurgischen Abteilungen. Ohne Honorarärzte sei in manchen Regionen die medizinische Versorgung nicht mehr sicher gestellt.
Ursache für diese Veränderung sei der inzwischen spürbare Nachwuchs- und Facharztmangel in der Medizin. „In mehreren Analysen des BDC haben wir als wesentliche Gründe für den Nachwuchs- und Facharztmangel unzureichende Arbeitsbedingungen, ein Übermaß an bürokratischen Aufgaben, ein rigides Arbeitszeitgesetz sowie eine Umkehr der ‚Work-Life-Balance‘ festgestellt“, erklärte Mischkowsky. „Außerdem müssen wir das weitgehende Fehlen von familienfreundlichen Arbeitsplätzen bei ständig steigender Anzahl weiblicher Kollegen, altertümliche hierarchische Strukturen und fehlende Karrierechancen beklagen.“
Während Kliniken die Lücken im Facharztteam immer häufiger durch den Einsatz von Honorarärzten stopfen, werden fehlende Assistenzärzte in der Regel durch Mehrarbeit des Stammpersonals kompensiert. Demotivation und eine sinkende Qualität der Weiterbildung junger Kollegen sind die Folge und führen in eine sich immer schneller drehende Abwärtsspirale. Für den Patienten sei oft nicht mehr erkennbar, wer sein fester Ansprech- und Vertrauenspartner im Krankenhaus sei. Auch der juristische Status der extern angeworbenen Honorarärzte sei häufig unklar.
„Ohne Honorarärzte geht es offenkundig nicht mehr, also müssen wir dringend klare Definition der Verantwortlichkeiten, Aufgaben und Rechte dieser Berufsgruppe herstellen“, erklärte Mischkowsky.