01.09.2010 Recht&Versicherung
Rechtsfragen der Adipositaschirurgie
Die bariatrische Chirurgie erfreut sich stetigen Zuwachsraten, wenngleich sie derzeit in Deutschland bezogen auf die Pro-Kopf-Einwohnerzahl mit 4 Eingriffen / 100.000 Einwohnern nach wie vor im Vergleich zum übrigen Europa und den USA ein Schattendasein führt. Zwischenzeitlich gilt es als gesichert, dass die Chirurgische Therapie der Adipositas zumindest bei fortgeschrittener Erkrankung die einzig effektive Maßnahme darstellt und Lebenszeit und Lebensqualität Betroffener dramatisch verbessert (1).
Auch der kritische HTA-Bericht des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information kommt zu dem Ergebnis, dass eine “Wirksamkeit, Sicherheit und Kosteneffektivität der Adipositaschirurgie angenommen werden kann“ (2). Eine abschließende Beurteilung der verschiedenen Operationsverfahren ist derzeit nicht möglich, Mindestmengen und Zentrenbildung werden gefordert (2, 3). Die Operationsverfahren entwickeln sich weiter, Modifikationen bekannter Verfahren oder weitgehend neue Verfahren wie die Schlauchmagen-Operation erfahren plötzlich eine rasche Verbreitung (4).
Der Umstand, dass es sich zum Teil um gerade in Deutschland relativ neue Verfahren handelt und adipositaschirurgische Maßnahmen zudem als „ultima ratio“ angesehen werden, birgt zahlreiche juristische Probleme. Diese reichen von der häufig problematischen Kostenübernahme durch die gesetzlichen wie privaten Krankenversicherungen bis zu Fragen der Aufklärung durch den Arzt. Schließlich können auch Fragen der Vergütung sowie das ärztliche Berufsrecht im Hinblick auf Marketingmaßnahmen tangiert sein.
1. Die Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung
Die Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ist in erster Linie ein Problem der Patienten, welches sich aber zumindest mittelbar auch auf die Ärzteschaft auswirkt, da von dort zum einen regelmäßig medizinische Gutachten angefragt werden und zum anderen oftmals auch beim Antragsverfahren dem Patienten zur Seite gestanden wird.
1.1 Verfahrensablauf
Die „juristische“ Seite der Kostenübernahme beginnt regelmäßig mit einem schriftlichen Antrag auf Kostenübernahme, welcher gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung gestellt werden muss. Diese schaltet dann regelmäßig den medizinischen Dienst der Krankenversicherungen ein (MDK). Zuständig ist der MDK am Wohnort des Betroffenen. Dies erklärt zum Teil, weshalb gelegentlich Anträge von Betroffenen eines Adipositaszentrums bei gleicher Sachlage auch bei derselben Krankenkasse gegenteilig beschieden werden. Dies führt zu Unverständnis und lässt Entscheidungen als willkürlich erscheinen. In der Regel vergehen mehrere Wochen, bis ein Bescheid ergeht. Bei positivem Bescheid kann die geplante Operation durchgeführt werden. Sofern das Antragsverfahren nicht erfolgreich war, müsste man gegen den Bescheid Widerspruch erheben.
Hier ist zwingend auf die Widerspruchsfrist (1 Monat ab Zustellung) zu achten. Eine entsprechende Belehrung findet sich regelmäßig am Ende des Bescheides. Wichtig im Zusammenhang mit dem Widerspruch ist, dass nur der Widerspruch als solcher innerhalb der Frist erhoben und bei der GKV eingehen muss. Die Widerspruchsbegründung hingegen kann in einem gesonderten Schriftstück an die GKV übersandt werden. Regelmäßig wird im Rahmen des Widerspruches der Vorgang nochmals dem MDK vorgelegt. Auch hier wäre es wünschenswert, wenn der MDK-Gutachter die notwendige Erfahrung aufweist und somit mit der Adipositaschirurgie vertraut ist. Bei der Auswahl des MDK-Gutachters hat der Patient aber kein Mitspracherecht.
Sofern neue Tatsachen vorgetragen werden, kann dies dazu führen, dass dann durch den Widerspruchsausschuss dem Widerspruch abgeholfen wird. Sollte dies nicht der Fall sein, so hat man wiederum eine Frist von einem Monat zu beachten, um Klage zum zuständigen Sozialgericht zu erheben. Ist das Klageverfahren, welches regelmäßig mindestens zwei bis drei Jahre in Anspruch nimmt, nicht erfolgreich, verbleibt noch die Berufung zum zuständigen Landessozialgericht und als letztes Mittel dann die Revision zum Bundessozialgericht.
Die gesamte Verfahrensdauer kann daher durch alle Instanzen sehr leicht mehr als sechs Jahre betragen. Ein so langes Zuwarten kann dem Patienten weder zugemutet werden, noch ist es aus juristischer und medizinischer Sicht anzuraten.
Insofern sollte man im Rahmen des Widerspruchsverfahrens kritisch prüfen, ob der Antrag tatsächlich alle notwendigen Punkte aufweist, die für einen Erfolg notwendig sind. Sollte dies nicht der Fall sein, so empfiehlt es sich, parallel zum Widerspruchsverfahren nachzubessern. Dies heißt, dass man solche Maßnahmen noch durchführt, an welchen es möglicherweise im Ausgangsantrag gefehlt hat. Sofern man die Nachbesserung abgeschlossen hat, sollte man dann schlicht einen neuen Antrag stellen.
1.2 Der einstweilige Rechtsschutz (Eilverfahren)
Aufgrund der langen Verfahrensdauer drängt sich die Frage auf, ob man nicht im Wege einer Einstweiligen Anordnung ein schnelleres Ergebnis erzielen kann. Es gibt diese Möglichkeit auch im Sozialrecht. Ein Eilverfahren im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes wird aber grundsätzlich nicht von Erfolg gekrönt sein. Denn ein Eilverfahren setzt immer eine erhebliche Dringlichkeit voraus, so dass unmittelbar ein erheblicher Schaden für den Antragsteller drohen muss, der zu irreversiblen Nachteilen führt. Hieran wird es regelmäßig fehlen. Allenfalls eine durch ärztliches Attest belegte akut letale Bedrohung könnte ein solches Eilverfahren rechtfertigen (5).
1.3 Anspruch auf Kostenübernahme
Das Bundessozialgericht hat für die Adipositas-Patienten bereits im Jahr 2003 entschieden, dass die behandlungspflichtige Adipositas eine Krankheit im Sinne des § 27 SGB ist und somit vom Leistungsanspruch der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst wird (6). Da jedoch die adipositaschirurgische Maßnahme einen Eingriff in ein gesundes Organ darstellt – der Magen ist regelmäßig nicht die Ursache für die Adipositas – ist dieser Leistungsanspruch nur dann gegeben, wenn nur die chirurgische Therapie als ultima ratio verbleibt (5). Dieser Grundsatzentscheidung lassen sich Argumente entnehmen, die richtungsweisend sind, um so mancher Einschätzung der GKV zu begegnen.
So führt das Bundessozialgericht klar aus, dass die behandlungsbedürftige Adipositas zwar möglicherweise seelische Ursachen hat, selbst aber keine psychische Krankheit ist. Auch wird vom Bundessozialgericht dem Argument entgegengetreten, dass die chirurgische Therapie der Adipositas deshalb noch keine Leistung der Krankenversicherung ist, weil sie noch nicht ausreichend erprobt ist. Dies stimmt insbesondere aus heutiger Sicht nicht mehr. Im Rahmen der aber doch trotzdem notwendigen Rechtfertigung (Eingriff in ein intaktes Organ) bedarf es einer Abwägung der Art und Schwere der Erkrankung, der Dringlichkeit der Intervention mit den Risiken, dem zu erwartenden Nutzen der Therapie sowie etwaiger Folgekosten für die Krankenversicherung.
Letztlich ist also die Frage der Kostenübernahme immer eine Einzelfallentscheidung (7), an die das Bundessozialgericht in der vorbenannten Entscheidung auch die nachfolgenden konkreten Bedingungen stellt: Zunächst einmal ist Grundvoraussetzung, dass der BMI des Patienten größer 40 kg/ m² ist. Sollte der BMI darunter liegen, so muss er zumindest 35 kg/m² betragen und es müssen Begleiterkrankungen wie beispielsweise Bluthochdruck, Diabetes oder orthopädische Erkrankungen vorliegen.
Ferner fordert das Bundessozialgericht (8), dass konservative Behandlungsmethoden ausgeschöpft sind. Es müssen also insbesondere auch unter ärztlicher Aufsicht Diäten durchgeführt worden sein bzw. mittels Medikamenten eine Gewichtsreduktion versucht worden sein (9). Aufgrund der bestehenden Nebenwirkungen sind aber zwischenzeitlich alle gängigen Präparate vom Markt, so dass an dieser Voraussetzung eigentlich nicht mehr festgehalten werden kann. Darüber hinaus muss der Antragsteller kund tun, dass er bereit ist, seine Lebensweise auch nach der Operation zu ändern. Insbesondere das Ernährungsverhalten und die Bereitschaft der sportlichen Betätigung sind hier in erster Linie zu nennen. Grundsätzlich muss die Bereitschaft sportlicher Betätigung nachgewiesen werden. Dies geschieht beispielsweise aber nicht nur durch einen Vertrag mit einem Fitnessstudio, sondern durch den Nachweis, dass man dort sich auch körperlich in der Tat bewegt hat.
Eine Krankheit als Ursache für das Übergewicht muss zudem ausgeschlossen sein. Dies gilt sowohl für internistische, als auch psychosomatische Diagnosen. Schließlich gibt es dann noch andere Kriterien der Ernsthaftigkeit, die das Bundessozialgericht nicht näher darstellt. Unter Berücksichtigung zahlreicher Stellungnahmen der MDK’s kann man hierunter insbesondere die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe über mindestens ein Jahr verstehen. Auch wird man eine Bescheinigung über eine Ernährungsberatung und den Nachweis von Maßnahmen in Eigenregie, die zumindest zu keiner Zunahme geführt haben, fordern müssen.
Abgerundet wird dies noch durch eine nachgewiesene kontinuierliche Bewegungstherapie, welche mindestens zweimal die Woche über ein Jahr durchgeführt werden muss. Dies steht natürlich unter dem Vorbehalt, dass der Antragsteller im Rahmen seines körperlichen Zustandes zur Bewegung in der Lage ist. Auch sollte nachgewiesen werden, dass durch Maßnahmen in Eigenregie über drei Jahre hinweg versucht wurde, eine Abnahme des Körpergewichtes zu erreichen.
Schließlich muss ein psychiatrisches Attest vorgelegt werden, wonach relevante psychische Erkrankungen ausscheiden. Sollte eine Diagnose zunächst im Hinblick auf psychische Erkrankung gestellt worden sein, so muss ein Bericht über eine erfolgreiche Psychotherapie vorgelegt werden. Zuletzt muss der Antragsteller auch kund tun, dass er Kenntnis von der beantragten OP hat. Dies wird aber regelmäßig im Rahmen der chirurgischen Begutachtung vom behandelnden Arzt bescheinigt werden.
1.4 Dokumentation der Maßnahmen
Wichtig ist im Rahmen der Antragstellung auch, dass sämtliche Maßnahmen, die in der Vergangenheit zur Gewichtsreduktion durchgeführt wurden, dokumentiert sind.
Hierzu gehört in erster Linie ein ausführliches Ernährungsbuch. Auch müssen sämtliche Berichte von Ärzten sorgfältig aufbewahrt werden. Hierzu zählen auch Bescheinigungen, dass beispielsweise an einem Diätprogramm teilgenommen wurde oder aber auch die Selbsthilfegruppe einer bestimmten Einrichtung regelmäßig besucht wurde. Schließlich empfiehlt es sich auch noch den Verlauf von Diäten fotographisch festzuhalten. Denn daraus ergibt sich ein sehr anschaulicher Beleg etwaiger Erfolge oder Misserfolge.
Sofern mit Dritten Maßnahmen durchgeführt werden (z. B. Walkinggruppe), sollte man sich wechselseitig die Teilnahme an einer entsprechenden Gruppe schriftlich bestätigen.
1.5 Inhalt des Antrages
Sobald die vorbenannten Unterlagen vorliegen kann der Antrag formuliert werden. Hier ist von einer lediglich kursorischen Darstellung genauso abzuraten, wie von Schriftstücken, die in epischer Breite insbesondere auch auf Rechtsprechung, Studien etc. eingehen. Sofern der Patient den Antrag selbst schreibt, muss sich aus dem Anschreiben die Ernsthaftigkeit des Wunsches zur Operation ergeben. Insbesondere sollte man hier auch die bisherige Lebenssituation darstellen. Darin beinhaltet sind selbstverständlich auch möglicherweise emotional belastende Themen wie die Partnerschaft und die Möglichkeit der Körperhygiene.
Zudem sollten sämtliche Atteste benannt und beigelegt werden. Gleiches gilt für weitere Unterlagen und möglicherweise bereits eingeholte medizinische Gutachten. Auch die von manchem Betroffenen als diskriminierend empfundene Vorlage von Lichtbildern ist zu empfehlen. Die fotographische Darstellung des menschlichen Körpers im übergewichtigen Zustand vermittelt gerade auch einem mit der Problematik weniger vertrauten Gutachter ein plastischeres Bild von der Notwendigkeit einer Operation, als dies die bloße Benennung des BMI oder eine abstrakte Angabe des Übergewichtes in Kilogramm vermag.
Zusammengefasst muss also der Antrag mindestens folgende Unterlagen vorweisen:
- vollständige Adresse, persönliche Daten, Versicherungsnummer, Gegenstand des Antrages
- Ärztliches Attest eines Chirurgen, Internisten, Hausarztes und Psychiater/Psychologen, die sämtlich die Maßnahme als indiziert erachten
- Belege für konservative Maßnahmen (Attest, Ernährungsbuch, Bescheinigung von durchgeführten Diäten, etc.)
- Belege für körperliche Aktivität (Schreiben Fitnessstudio, Bescheinigung von Freunden, mit welchen man aktiv war etc.)
- Bescheinigung über die Teilnahme an der Selbsthilfegruppe über 1 Jahr
- Bescheinigung einer Ernährungsberatung
- häufig auch Lichtbilder in Unterwäsche
Zu achten ist insbesondere auf die korrekte Form des Antrages. Idealerweise sollte das Schreiben maschinengeschrieben sein und den allgemeinen Anforderungen an ein förmliches Schreiben entsprechen. Es empfiehlt sich zudem von sämtlichen vorgelegten Unterlagen Kopien anzufertigen und diese zu verwahren.
1.6 Operation als Selbstzahler
Sofern es zur Ablehnung des Antrages auf Kostenübernahme kommt, stellt sich die Frage, ob man die Operation nicht als Selbstzahler durchführt, sofern die finanziellen Mittel vorhanden sind.
1.6.1 Die Beteiligung an den Folgekosten
Es besteht für den Selbstzahler die Gefahr, an den Folgekosten einer solchen Operation beteiligt zu werden. Zu denken ist etwa an die Kosten einer längerdauernden Intensivtherapie oder einer späteren Revision, weil beispielsweise das Magenband verrutscht, einwächst oder entfernt werden muss.
Dabei muss man aber zwei Problemkreise unterscheiden. Zum einen die Beteiligung an den unmittelbaren Folgekosten und die Beteiligung an den Kosten von Spätkomplikationen. Denn die unmittelbaren Folgekosten (innerhalb von 30 Tagen nach der OP) sind kein Fall der Kostenbeteiligung durch die GKV, da dieser diese Kosten gar nicht in Rechnung gestellt werden. Im Falle einer unmittelbaren Komplikation kommt es innerhalb der ersten 30 Tage zu einer Fallzusammenführung, so dass die Behandlung als ein Fall gilt, der dann insgesamt vom Patient zu bezahlen ist.
Die Gefahr der Kostenbeteiligung an den Kosten von Spätfolgen durch die GKV hat sich aufgrund einer Reform des § 52 Abs. 2 SGB V etwas entschärft. Die Kostenbeteiligung ist im Rahmen der GKV nur noch für Schönheitsoperationen, Piercings und Tätowierungen vorgesehen. Die ursprüngliche Regelung, wonach jedwede medizinisch nicht notwendige Behandlung zur Kostenbeteiligung führt, ist aufgehoben worden.
So kann man davon ausgehen, dass nunmehr eine Beteiligung an den Spätfolgekosten nicht mehr zu befürchten ist. Es wird zudem die Auffassung vertreten, dass § 52 Abs. 2 SGB V nicht mit Artikel 3 GG (Gleichheitssatz) vereinbar ist (11). Da die Rechtsprechung dies aber noch nicht abschließend entschieden hat, gilt § 52 Abs. 2 SGB V nach wie vor.
Auch wenn die Kosten somit zunächst transparent sind, können im Falle einer Komplikation aber teure Intensivtherapien (Beatmungspauschale etc.) notwendig werden. Zu der adipositaschirurgischen DRG K 04 A/B kommen dann weitere DRG´s additiv hinzu, dies kann rasch 5 – 6 stellige Kosten verursachen. Der Patient geht somit ein nicht kalkulierbares Risiko ein, auf das er zudem hinzuweisen ist.
Die Durchführung der Operation als Selbstzahler ist aber auch deshalb problematisch, da es zur Rückforderung bzw. zur Versagung des Krankengeldes kommen kann. Gegen den Arbeitgeber dürfte auch kein Entgeltfortzahlungsanspruch bestehen, da keine Krankheit vorliegt.
Zu beachten ist auch, dass im Falle einer Vorleistung durch den Versicherten bis zur Klärung der Kostenübernahme durch die GKV eine möglicherweise nötige Nachbesserung des Antrages nicht mehr möglich ist. Sofern es also an beispielsweise vorgelegten Attesten oder an der Durchführung einer konservativen Maßnahme bislang gefehlt hat, kann man hier nicht mehr tätig werden.
1.6.2 Die Kostenerstattung
Dies ist insbesondere relevant im Rahmen der Frage, ob man nach der Kostentragung einen Kostenerstattungsanspruch gegen die GKV hat. Denn regelmäßig herrscht im Rahmen der GKV das sog. Sachleistungsprinzip. Der Patient ruft gewisse medizinische Leistungen ab und erhält nicht die Kosten für die Maßnahme erstattet.
Eine Kostenerstattung ist hingegen nur als Ausnahmefall vorgesehen. § 13 Abs. 3 SGB V sieht die Kostenerstattung vor. Diese Vorschrift sieht einen Kostenerstattungsanspruch der Versicherten nur dann als gerechtfertigt an, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder wenn sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch den Versicherten, die sich diese Leistung selbst beschaffen, Kosten entstanden sind. An der Voraussetzung der ersten Fallalternative (unaufschiebbare Leistung) wird es regelmäßig fehlen. Denn eine Unaufschiebbarkeit in diesem Sinne setzt eine dringende Bedarfslage voraus, die es ausschließt, vor Inanspruchnahme der Leistung einen Antrag zu stellen. Diese Konstellation wird Notfällen vorbehalten bleiben müssen (12).
Es verbleibt daher regelmäßig bei der zweiten Fallalternative, wonach die GKV den Leistungsantrag zu Unrecht abgelehnt hat. Im Rahmen dessen wird geprüft, ob die Antragsvoraussetzungen vorhanden sind. Wenn es daran fehlt, kann im Fall der durchgeführten Operation nicht nachgebessert werden und insofern fehlt es dann an einem Kostenerstattungsanspruch gegen die GKV. Dieser Weg ist somit riskant und nicht empfehlenswert.
1.6.3 Die Wiederherstellungsoperation als Selbstzahler
Im Rahmen der Wiederherstellungsoperation gilt aber nach wie vor die Beteiligung an den Folgekosten, insbesondere im Falle einer Komplikation. Denn die nicht genehmigte Wiederherstellungsoperation ist als plastisch chirurgische Maßnahme von der Regelung des § 52 Abs. 2 SGB V ausdrücklich umfasst.
1.7 Die Wiederherstellungsoperation
Die Wiederherstellungsoperation ist ein völlig neues Antragsverfahren. Sie setzt auch wiederum eine medizinische Indikation voraus.
Erneut muss geprüft werden, ob eine Krankheit im Sinne des Krankenversicherungsrechts vorliegt. Darunter versteht man einen behandlungsbedürftigen regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand. Wenn dadurch aber keine Körperfunktionen, sondern nur das Aussehen des Menschen beeinträchtigt wird, muss eine entstellende Wirkung vorliegen, um als Krankheit eine Leistungspflicht der GKV auslösen zu können (13). Ein körperlicher Zustand ohne entstellende Wirkung und ohne wesentliche Funktionseinschränkung ist auch dann nicht als Krankheit zu werten, wenn er eine psychische Belastung darstellt (15). Für die Beurteilung der entstellenden Wirkung ist zudem das Erscheinungsbild in angesogenem Zustand maßgeblich.
Ebenfalls kann man nicht aufgrund der ursprünglichen Kostenübernahme argumentieren, dass damit eine Kostenübernahme der Wiederherstellungsoperation impliziert ist. Maßgeblich ist auch hier wiederum der Einzelfall. Es müssen also insbesondere dermatologische Hautveränderungen von pathologischem Wert vorliegen. Im Rahmen dieses Verfahrens wird ein neues MDK-Gutachten zur Notwendigkeit der Operation eingeholt. Es kann daher aus der anwaltlichen Praxis dazu kommen, dass beispielsweise nur eine teilweise Wiederherstellungsoperation (wie etwa der Oberschenkel) genehmigt wird und Maßnahmen am Bauch oder im Oberkörperbereich nicht genehmigt werden.
2. Aufklärung und Einwilligung
Auch im Rahmen der Adipositas-Chirurgie gilt der Grundsatz, dass jeder ärztliche Heileingriff rechtlich eine Körperverletzung darstellt. Etwaige sich daraus ergebende strafrechtliche und zivilrechtliche Konsequenzen entfallen nur dann, wenn die wirksame Einwilligung als Rechtfertigungsgrund gegeben ist (15). Für die wirksame Einwilligung des Patienten ist wiederum eine umfassende Aufklärung notwendig. Grundsätzlich unterscheidet man mehrere Arten der Aufklärung. In erster Linie ist im vorliegenden Fall an die therapeutische Aufklärung (Sicherungsaufklärung) und die Risikoaufklärung zu denken.
2.1 Die Sicherungsaufklärung
Patienten müssen über das richtige Verhalten auch nach dem adipositaschirurgischen Eingriff aufgeklärt werden. Insbesondere die Tatsache, dass gerade im 1. postoperativen Jahr engmaschige Kontrollen und später eine möglicherweise lebenslange Substitution von Mineralien und Vitaminen notwendig ist, wird man hierunter subsumieren müssen. Hierzu gehört auch die Tatsache, dass der operative Erfolg nur dann langfristig gewährleistet ist, wenn das Essverhalten umgestellt wird. Auch die Notwendigkeit möglicher psychotherapeutischer Begleitmaßnahmen, die Bedeutung von Selbsthilfegruppen und der potentielle Wirkverlust von Antikonzeptiva sollte Eingang in das Aufklärungsgespräch finden (siehe auch 3).
2.2 Die Risikoaufklärung
Die Risikoaufklärung beinhaltet die Hinweise auf Gefahren, die trotz fehlerfreier Ausführung des Eingriffes bestehen. Man wird hier aufgrund der zwischenzeitlich vorliegenden Erfahrungen wohl nicht mehr von einer klassischen Außenseitermethode sprechen können, gleichwohl wird sich die Aufklärung hiernach zu orientieren haben (16). Insbesondere was Langzeitkomplikationen anbetrifft, dürfte hier noch nicht alles offenkundig vorliegen, was denkbar ist. Bei Außenseitermethoden fordert die Rechtsprechung eine Aufklärung nicht nur über die Risiken und die Gefahr eines Misserfolges des Eingriffes, sondern auch darüber, dass der geplante Eingriff noch nicht medizinischer Standard und seine Wirksamkeit statistisch noch nicht abgesichert ist.
Dies wird man vorliegend weitgehend negieren müssen, da in Abhängigkeit von dem Eingriff hier von einer Art Standard gesprochen werden muss. Vorsicht ist aber bei neuen Operationsmethoden und Modifikationen von Standardverfahren geboten. Vorliegend wird es aber unumwunden notwendig sein, auf die fehlenden Langzeitstudien, insbesondere auch im Hinblick auf den Erfolg, hinzuweisen. Wesentlicher Bestandteil der Aufklärung wird im Hinblick auf die körperliche Verfassung der Patienten die Möglichkeit der Letalität sein. Auch wird man über die Notwendigkeit von Folgeoperationen aufklären müssen. Gemeint ist damit die Revisionsoperation ebenso wie der deutliche Hinweis darauf, dass zur vollständigen Wiederherstellung des Erscheinungsbildes Wiederherstellungsoperationen notwendig werden können.
Allgemein fordert die Rechtsprechung, dass alle typischen Risiken der intendierten Behandlung besprochen werden müssen. Darunter fallen also Art und Schwere der Behandlung und die möglichen Folgen. Dabei verbietet es sich, im Rahmen der Aufklärung auf Prozentsätze im Hinblick auf die Notwendigkeit der Betonung einer Komplikation zurückzugreifen. Allgemein gilt jedoch der Grundsatz, dass je weniger dringlich der Eingriff ist, desto höher die Anforderungen sind, die an die Aufklärungspflicht gestellt werden. Je schwerwiegender die mögliche Folge ist, desto eher ist auch über Risiken geringerer Wahrscheinlichkeit aufzuklären.
Ein wichtiger Umstand der Aufklärung ist auch immer, dass diese individuell und patientenbezogen erfolgen muss. Die Schriftlichkeit gebietet allein schon die Frage der Beweisbarkeit der Aufklärung. Dass die Aufklärung in einem ausführlichen Gespräch erfolgen muss, dass zudem auf die intellektuellen Fähigkeiten des Patienten eingeht, versteht sich zudem von selbst.
Diese Aufzählung kann keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben, da hier vieles im Fluss ist. Grundsätzlich gilt, dass ein Zuviel an Aufklärung regelmäßig unschädlich ist. Dabei ist es mit einer bloßen Darstellung der Oberbegriffe im Patientengespräch nicht getan. Vielmehr muss man dann der abstrakten Komplikation konkrete Beispiele folgen lassen. Also zum Beispiel bei Nervenschäden die Darstellung der Folgen (Taubheitsgefühl, Schmerzen, Muskellähmung etc.).
Bei der Wiederherstellungsoperation sind die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Aufklärung noch höher. So fordert die Rechtsprechung bei schönheitschirurgischen Operationen eine umfassende und schonungslose Aufklärung, so dass der Patient insbesondere auch über verbleibende Entstellungen und die Notwendigkeit von weiteren Folgeoperationen aufgeklärt werden muss (17).
2.3. Die Aufklärung über die Kosten des Eingriffs
Zu betonen gilt es im Zusammenhang nicht nur mit den privat krankenversicherten Patienten, dass der Arzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eine Aufklärungspflicht auch im Hinblick auf die möglichen Kosten hat (18). Bei Wahlleistungspatienten schließt dies eine detaillierte Information über die Entgelte der Wahlleistung ein. Dem Patienten muss daher das System der GOÄ zumindest in Grundzügen bekannt gemacht werden und er muss Gelegenheit erhalten, in die GOÄ Einsicht zu nehmen (19).
Die Rechtsprechung fordert daher im Ergebnis folgende Unterrichtungspflichten:
- Eine kurze Darstellung des Inhalts der wahlärztlichen Leistung verbunden mit dem Hinweis, dass dadurch eine Behandlung durch einen bestimmten Arzt sichergestellt werden soll und auch ohne Wahlleistung eine Versorgung durch hinreichend qualifizierte Ärzte erfolgt.
- Eine kurze Erläuterung der Preisermittlung nach der GOÄ (Leistungsbeschreibung anhand der Ziffer der GOÄ, Bedeutung von Punktzahl und Punktwert, Steigerung).
- Hinweis auf erhebliche finanzielle Mehrbelastung.
- Hinweis, dass sich die Wahlleistungsvereinbarung zwingend auf alle liquidationsberechtigten Ärzte erstreckt.
- Hinweis, dass die GOÄ auf Wunsch eingesehen werden kann (20).
Bei GKV Patienten sollte zumindest bei fehlender Kostenzusage darauf hingewiesen werden, dass eine Kostenbeteiligung nicht völlig auszuschließen ist und im Falle von Komplikationen eine erhebliche finanzielle Belastung auf ihn zukommen kann.
Sofern also die medizinische Indikation zweifelhaft – dies gilt analog gerade auch auf einen Adipositaschirurgischen Eingriff ohne Kostenzusage – ist, ist der behandelnde Arzt zudem gut beraten, dem Grundsatz von Treu und Glauben folgend den Patienten auf eine möglicherweise fehlende Erstattung hinzuweisen.
3. Erstattungsanspruch des privat krankenversicherten Patienten
Im Rahmen der privaten Krankenversicherung (PKV) besteht insofern eine Besonderheit, als dass nicht das Sachleistungsprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung gilt. Denn es kommen hier zwei unterschiedliche Vertragsverhältnisse zustande. Zum einen schließt der Patient mit dem Arzt einen Behandlungsvertrag, der auch die Vergütung beinhaltet. Zum anderen hat der Patient bei medizinisch notwendigen Behandlungen dann aus dem Versicherungsvertrag einen Erstattungsanspruch gegen seine private Krankenversicherung.
Der Bundesgerichtshof hat bereits früh erkannt, dass die Adipositas per magna als solche eine Krankheit im Sinne der PKV ist (21). Geklärt ist zudem, dass der stationäre Aufenthalt dann eine medizinisch notwendige Heilbehandlung darstellt, wenn Begleiterkrankungen vorliegen. Es erscheint daher auf den ersten Blick nicht notwendig, dass der Patient vor dem Eingriff eine Zusage bei seiner PKV einholt. Da die PKV aber auch nur die Kosten von medizinisch notwendigen Heilbehandlungen übernimmt, ist dies dringend anzuraten. Denn auch für diese Beurteilung ist der Einzelfall maßgeblich.
Eine Beteiligung an den Folgekosten ist im Rahmen der PKV nicht vorgesehen. Darüber hinaus handelt es sich um ein vollständig anderes Verfahren, das zum einen vor den Zivilgerichten ausgeführt wird, zum anderen mit erheblich höheren Verfahrenskosten einhergeht und schließlich aber regelmäßig (es sei denn, es müssen mehrere Gutachten eingeholt werden) schneller abläuft.
4. Abrechnung der Leistungen
Bei der Abrechnung der Leistung muss man im Zusammenhang mit juristischen Problemstellungen ebenfalls wieder zwischen GKV und PKV Patienten unterscheiden.
4.1 Der GKV Patient
Wenn die GKV die Kostenübernahme erklärt, dann erfolgt eine Abrechnung entsprechend der Fallpauschale. Wichtig ist, dass der Arzt keine zusätzlichen Honorare fordern kann und dies auch nicht darf. Im Rahmen der plastisch-chirurgischen Wiederherstellungsoperation besteht aber die Möglichkeit, dass man Maßnahmen, die von der GKV gedeckt sind mit Maßnahmen, die der Patient als Selbstzahler leisten muss, verbindet. Hier ist dann aber eine strikte Trennung der Leistungen und der Abrechnungen notwendig, um sich nicht dem Vorwurf des Abrechnungsbetruges ausgesetzt zu sehen.
Sollte die GKV die Kostenübernahme verweigern und der Patient als Selbstzahler auftreten, so ist nach wie vor kein Pauschalhonorar zulässig. Denn in diesem Fall ist der Arzt, wie generell, an die GOÄ gebunden. Dies gilt unabhängig davon, ob der Eingriff medizinisch indiziert ist oder nicht. Dies hat der Bundesgerichtshof beispielsweise für plastische Operationen derart entschieden (22). Hinzu kommt, dass Selbstzahlern unabhängig eines Privathonorars die DRG´s in Rechnung zu stellen sind, die der Krankenkasse in Rechnung gestellt werden würden. Diese beinhalten im Falle eines bariatrischen Eingriffs entweder die pauschal bewerteten DRG´s K04A oder K04B sowie ggf. während desselben stationären Aufenthaltes zusätzlich bei Komplikationen auftretenden Zusatzentgelte (Beatmungspauschale etc.). Pauschalangebote im Internet verstoßen daher gegen Wettbewerbsrecht und das ärztliche Berufsrecht. Zulässig ist es hingegen dem Patienten einen Gesamtpreis zu nennen. Die Rechungslegung muss dann aber anhand der vorgenannten Grundsätze erfolgen.
4.2 Der PKV Patient
Wie bereits ausgeführt, muss der PKV Patient grundsätzlich eine Abrechnung nach GOÄ erhalten. Sämtliche Ärzte sind nach § 1 GOÄ an diese gebunden. Eine Ausnahme macht die höchst richterliche Rechtsprechung nur für Privatkliniken. Wenn diese eine Leistung an die Patienten verkaufen, so sind sie nicht an die GOÄ gebunden, sondern können ein Pauschalhonorar vereinbaren. Dieses kann dann auch ein Vielfaches der GOÄ-Gebühren ausmachen (23). Schließlich ist darauf zu achten, dass es im Rahmen der GOÄ die Möglichkeit der Honorarvereinbarung nach § 2 Abs. 2 GOÄ gibt. Man kann also im Rahmen der Erhöhung der Steigerungssätze zu höheren Gebühren kommen, als dem maximal zulässigen 3,5-fachen Satz. Zu beachten gilt es, wenn man vom 2,3-fachen Satz abweicht, dass dies einer gesonderten Begründung bedarf.
Sofern man über den 3,5-fachen Satz hinaus liquidieren will, bedarf es der bereits benannten Honorarvereinbarung nach § 2 Abs. 2 GOÄ. Diese Honorarvereinbarung ist an strenge Formvorschriften gebunden, die bei Nichteinhaltung die Unwirksamkeit der gesamten Honorarvereinbarung zur Folge haben.
So darf eine Honorarvereinbarung nur folgenden Inhalt haben:
- die Nummer und die Bezeichnung der Leistung,
- den Steigerungssatz,
- den vereinbarten Betrag,
- den Hinweis, dass möglicherweise keine volle Erstattung durch die Krankenversicherung erreicht werden kann.
Darüber hinausgehende Erklärungen und Hinweise darf die Honorarvereinbarung nicht enthalten. Sollte dies trotzdem der Fall sein, so könnte dies wiederum die Unwirksamkeit der Honorarvereinbarung bedeuten (24). Die Höhe des Steigerungsfaktors unterliegt dabei „nur“ der Grenze der Angemessenheit. Aus der anwaltlichen Praxis ist ein Fall bekannt, bei welchem ein 12-facher Steigerungssatz nicht beanstandet wurde.
Den Erhalt eines Exemplars der Vereinbarung sollte der Arzt sich auf dem bei ihm verbleibenden Doppel bestätigen lassen, um die Vereinbarung als solche auch beweisen zu können.
5. Werberechtliche Fragestellungen
Da es sich bei der Adipositaschirurgie um ein relativ neues Verfahren handelt, besteht naturgemäß sowohl ein Bedürfnis der Klinik, als auch ein Bedürfnis des behandelnden Arztes über die angebotene Leistung zu informieren. Das Werberecht, welches über das Berufsrecht auch für den Arzt maßgeblich ist, wurde in den letzten Jahren zusehends gelockert (25). Es ist daher nur noch irreführende, anpreisende und vergleichende Werbung nach der Musterberufsordnung (MBO) untersagt.
Als wichtige Neuerung hat sich ergeben, dass das sog. Weißkittelverbot, also die Darstellung des Arztes in Berufskleidung kurz vor der Aufgabe steht. Die Darstellung des Arztes in Berufskleidung ist nur noch dann untersagt, wenn damit eine mittelbare Gefährdung für den Patienten einhergeht. Dies ist letztlich nur mehr schwer vorstellbar (26). Werbende Artikel sind zulässig, wenn die sachliche Information im Vordergrund steht. Dann ist es auch unschädlich, wenn einzelne „unsachliche“ Ausreißer zu verzeichnen sind (27). Bei der Verwendung von medizinischen Fachausdrücken ist Vorsicht geboten. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 6 HWG ist die Werbung mit fremd- oder fachsprachlichen Bezeichnungen verboten, wenn die Begrifflichkeiten nicht in den deutschen Sprachgebrauch Einzug gehalten haben.
Der Verweis auf eigene wissenschaftliche Publikationen sollte zulässig sein, da dieser nur eine sachliche Information im Zusammenhang mit dem behandelnden Arzt darstellt. Das Sponsoring durch den Arzt ist zudem gelockert worden. So hat beispielsweise die Rechtsprechung entschieden, dass eine gynäkologische Gemeinschaftspraxis ein Wunschkinderfest finanziell unterstützen darf (28). Eine Abbildung bei der Berufsausübung wird angesichts der Liberalisierungstendenzen wohl ebenfalls nicht mehr geahndet werden (29). Wichtig ist aber, dass Vorher- und Nachherfotos zwischenzeitlich wieder verboten sind (30). Diese waren eine Zeit lang zulässig (31), zerstoßen aber nunmehr auch gegen das Berufsrecht.
Auch die Versteigerung ärztlicher Leistungen im Internet ist unzulässig (32). Denn für die Preisgestaltung ist immer der individuelle Patient maßgeblich. Aus diesem Grund dürfte auch die Werbung mit Pauschalen rechtlich bedenklich sein. Denn dadurch wird dem Patienten der Eindruck vermittelt, er könne sich in jedem Fall zu diesem Preis behandeln lassen, ohne dass er beispielsweise von den Gefahren der steigenden Kosten bei Komplikationen weiß. Ein solches Angebot ist daher aller Wahrscheinlichkeit nach irreführend und damit wettbewerbsrechtlich unzulässig.
Selbstanpreisungen wie „Spitzenmediziner“ etc. sind ebenfalls nicht statthaft. Gerade im Bereich der Schönheitschirurgie erfolgen gerne Angebote unter der Zusicherung von Rabatten und Prämien, was beides unzulässig ist (33). Problematisch, wenngleich auch nicht verboten, ist die Bezeichnung als Zentrum. Der Zentrumsbegriff weckt beim Patienten den Eindruck, dass eine spezielle Kompetenz vorhanden ist. Dies muss dadurch belegt werden, dass man nachweisen kann, diesem Zentrumsbegriff tatsächlich gerecht zu werden (34).
Die Verwendung des Begriffes ist daher nur dann gestattet, wenn tatsächlich in erheblichem Umfange die entsprechenden Leistungen erbracht werden. Es müssen zudem besondere medizinische Voraussetzungen erfüllt sein, so dass beispielsweise eine ständige Betreuung durch speziell geschulte Fachkräfte und Einrichtungen stattfindet (35). Eine Zertifizierung ist jedoch für den Zentrumsbegriff nicht notwendig, wäre aber hilfreich.
Sofern die Verwendung des Zentrumsbegriffes in einem konkreten Fall nicht gerechtfertigt ist, läuft man Gefahr, eine Abmahnung zu erhalten. Diese geht dann regelhaft mit Kosten in Höhe von mehreren Tausend EURO einher. Wenn man aber eine entsprechende Kompetenz nach außen hin manifestieren kann, was beispielsweise durch eine hohe Anzahl von Eingriffen, besonders geschultes und ausgewiesenes Fachpersonal, besondere apparative Ausstattung etc. belegt werden kann, so spricht gegen die Bezeichnung als beispielsweise „Adipositaszentrum“ nichts.
6. Zusammenfassung
Wie die vorstehenden Ausführungen deutlich gemacht haben, berührt die Einführung einer „neuen“ operativen Maßnahme in allen Bereichen juristische Probleme. Für den Arzt besonders relevant ist eine ausreichende, umfängliche und verständliche Aufklärung des Patienten.
Bei der Abrechnung der Leistung muss er sich im Rahmen des Zulässigen bewegen und darf insbesondere keine Pauschalhonorare oder Festpreisangebote unter Einrechnung von Rabatten machen oder gar bei gesetzlich Krankenversicherten zusätzliche Pauschalen einfordern. Werberechtlich gelten keine Besonderheiten, wenngleich man sich auch hier innerhalb eines mehr oder weniger starren Rahmens bewegen muss. Was im konkreten Einzelfall zulässig ist, wird einer gesonderten Betrachtung bedürfen. Man kann aber festzuhalten, dass das Werberecht immer liberaler wird.
Für den Patienten wird das Hauptaugenmerk auf dem Antragsverfahren liegen, welches mit vielen Fallstricken verbunden ist. Aus anwaltlicher Sicht ist aber bei einem inhaltlich fundierten Antrag, der insbesondere die Anforderungen der Rechtsprechung und der MDK’s erfüllt, von einer überwiegenden Erfolgswahrscheinlichkeit auszugehen. Sollte dennoch ein eigentlich den Anforderungen genügender Antrag nicht von Erfolg beschieden sein, so ist in jedem Fall zum Widerspruchsverfahren und in einem solchen Fall dann eigentlich auch zum Klageverfahren zu raten. Allerdings ist dann eine Zeitverzögerung von mehreren Jahren zu akzeptieren, weshalb eine Nachbesserung des Antrags in Absprache mit der Krankenkasse oftmals empfehlenswerter erscheint.
Die neue Leitlinie zur Adipositaschirurgie (3) ist wesentlich konkreter als jede Leitlinie davor. Sie ist zudem evidenzbasiert und entspricht der höchsten Entwicklungsstufe (sog. S3-Leitlinie). Sie wird daher auch bei der juristischen Beurteilung eines Einzelfalls als Maßstab dienen müssen. Dennoch ist sie – wie alle Leitlinien – nicht rechtsverbindlich. Ihr Inhalt findet aber in Grundsatzurteilen Berücksichtigung. Es bleibt zu hoffen, dass ihr Inhalt rasch Eingang in die Genehmigungspraxis der Krankenkassen und ihrer Medizinischen Dienste findet.
Literatur
1. Ludwig K., Schneider-Koriath S., Bernhardt J., Hüttl T.P. (2010) Positiv-Negativ-Bilanz in der bariatrischen Chirurgie. Viszeralmedizin 26 (1): 21-25
2. Bockelbrink A., Stöber Y., Roll S., Vauth C., Willich S.N., Greiner W. (2008), Medizinische und ökonomische Beurteilung der bariatrischen Chirurgie (Adipositaschirurgie) gegenüber konservativen Strategien bei erwachsenen Patienten mit morbider Adipositas. Deutsche Agentur für Health Technology Assessment (HTA) des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI); Köln 2008 www.expertengruppe-mbc.de/materialien.html
3. S3-Leitlinie „Chirurgie der Adipositas“ (2010) der Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft für Adipositastherapie (CA-ADIP) der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie. www.awmf-online.de
4. Hüttl T.P., Obeidat F.W., Parhofer K.G., Zügel N., Hüttl P.E., Jauch K.-W., Lang R.A. (2009) Operative Techniken und deren Outcome in der metabolischen Chirurgie: Sleeve-Gastrektomie. ZBL Chirurgie 134(1): 24-31
5. LSG Nordrhein-Westfalen: Urteil vom 19.04.2007, Az.: L 16 B 14/07 KR
6. vgl. Bundessozialgericht: Urteil vom 19.02.2003, Az.: B 1 KR 1/02 R, www.bundessozialgericht.de
7. so auch LSG Berlin: Urteil vom 24.03.2004, Az.: L 15 KR 11/02
8. so auch LSG Baden-Württemberg: Urteil vom 07.12.2004, Az.: L 11 KR 1627/04
9. so auch LSG Baden-Württemberg: Urteil vom 12.07.2006, Az.: L 5 KR 5779/04
10. Begutachtungsleitfaden „Bariatrische Chirurgie (Adipositaschirurgie) bei Erwachsenen. Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. (MDS), Lützowstraße 53, 45141 Essen; Stand: 21.12.2009. www.mds-ev.org
11. Bernzen M.: MedR 2008, 549
12. so auch LSG Schleswig-Holstein: NZS 2008, 598
13. LSG München: Urteil vom 19.01.2006, Az.: L 4 KR 235/05
14. Bundessozialgericht: Urteil vom 13.10.2004, Az.: B 1 KR 9/04 R
15. vgl. hierzu Hüttl P.: in Heberer J.: Recht im OP, S. 29 ff.
16. BGH: NJW 2007, 2774
17. OLG Frankfurt: Urteil vom 11.10.2005, Az.: 8 U 47/04
18. BGH: NJW 1983, 2630; so auch Rothsching H.: MedR 2005, 154
19. BGH: VersR 2005, 121
20. BGH: VersR 2005, 121
21. Rothsching, J.: MedR 2005, 154
22. BGH: Urteil vom 23.03.2006, Az.: III ZR 223/05
23. BGH: VersR 2003, 581
24. vgl. § 2 GOÄ
25. vgl. hierzu detailliert Hüttl P.: Das Werberecht für Arztpraxen und medizinische Versorgungszentren
26. BGH: WRP 2007, 1089
27. OLG Stuttgart: MedR 1988, 38.
28. Ärztegerichtshof Saarland: NJW 2002, 839.
29. LBG Münster: NJW 2007, 60. Jahrgang, 3145
30. Müller: PKR 2006, 88.
31. so auch KG Berlin: GRUR-RR 2003, 324.
32. Hüttl, P.: Das Werberecht für Arztpraxen und medizinische Versorgungszentren, S. 179
33. LG Frankfurt a.O.: KHuR 2004, 41.
34. OLG München: GRUR-RR 2005, 59.
35. OLG Hamm: WRP 1992, 576.
Autoren des Artikels
Prof. Dr. jur. Peter Hüttl
Fachanwalt für Arbeitsrecht und Medizinrecht, MünchenKanzlei Dr. Heberer & Kollegen kontaktierenPD Dr. med. Thomas P. Hüttl
Chirurgische Klinik München-Bogenhausen GmbHDenninger Str. 4481679München kontaktierenWeitere Artikel zum Thema
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