01.11.2017 Arbeitsbedingungen
Optimierung von Zusammenarbeit in der Chirurgie
Zusammenarbeit in der Chirurgie hat Verbesserungspotential
Chirurgische Abteilungen sind in der Regel neben anderen Fachkliniken Funktionseinheiten von Krankenhäusern oder Universitätskliniken. Die Zusammenarbeit ist hier nicht immer zufriedenstellend. Dies gilt besonders für die Kooperation von Geschäftsführungen mit leitenden Ärzten [1, 2, 3].
Ursache für bestehende Defizite dürfte vor allem die fehlende Übernahme von Verantwortlichkeit durch die Geschäftsführungen sein. Hier wird häufiger verdrängt, dass es originäre Aufgabe der Krankenhausleitung ist, eine angemessene Dialogkultur im Krankenhaus zu implementieren, zu zementieren und Zusammenarbeit zu organisieren.
Dabei ist sicher zu stellen, dass die Fachabteilungen, und damit auch die Chirurgie, in die Lage versetzt werden, betriebswirtschaftlich effizient zu steuern. Voraussetzung dafür ist, dass die Geschäftsführungen die Chefärzte als gleichrangige Partner begreifen und ihnen die erforderlichen Informationen zu Leistungs- und Erlösaspekten in umfassender Form zur Verfügung stellen.
In deutschen Krankenhäusern ist dies nur eingeschränkt der Fall [4, 5, 6, 7]. Zu reinen Erfüllungsgehilfen von Geschäftsführen, vor allem für unseriöse Fallzahlsteigerungen [8], taugen leitende Ärzte allerdings nicht. Sie sind eine zentral wichtige und wertvolle Humanressource, die ihrer Aufgabe, Patienten qualitativ hochwertig zu versorgen, umfassend nachkommen können muss. Dies schließt die Notwendigkeit, hohe Behandlungsqualität mit Wirtschaftlichkeit kompatibel machen zu können, nicht aus. Der Begriff Wirtschaftlichkeit darf jedoch keinesfalls im Sinne einer fragwürdigen Interpretation missbraucht werden, die Patientenbelange zweifelhaften und damit kritisierbaren Erlösstrategien unterordnet.
Gute Zusammenarbeit im Krankenhaus ist Grundlage für die Sicherung hoher Versorgungsqualität und die Erschließung neuer Geschäftsfelder
Die Bedeutung der Sicherung von guter Zusammenarbeit, z. B. für die Gewährleistung hoher Behandlungsqualität [9], geht weit über das Krankenhaus bzw. die chirurgische Fachabteilung im Krankenhaus hinaus. Dies ergibt sich z. B. aus der Notwendigkeit, neue Patientenklientele wie alte, demente und chronisch erkrankte Patienten angemessen versorgen zu können.
Möglich ist dies nur auf Grundlage innovativer Versorgungskonstellationen, die eine Versorgung ohne Brüche für die Patienten sichern können (Gesundheitszentren, Integrierte Versorgung). Eine entsprechende Versorgung setzt die enge Zusammenarbeit ambulanter und stationärer Leistungserbringer voraus. Sie ist wiederum abhängig von guter Kommunikation und Kooperation der Beteiligten. Insgesamt gilt: Mit zunehmender Zahl von Leistungen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen, erhöht sich die Notwendigkeit guter Zusammenarbeit und Kooperation [10]. Diese kann durch Versorgungsmodelle gefördert werden, die eine räumliche Nähe aller Beteiligten gewährleisten. Deshalb ist es durchaus sinnvoll, Organisationsstrukturen voran zu treiben, die diese Voraussetzung erfüllen. Dazu gehören integrierte Versorgungskonstellationen oder auch Gesundheitszentren, wie sie von der Robert Bosch Stiftung favorisiert werden [10]. Krankenhäusern eröffnen sich damit neue Geschäftsfelder. (Abb. 1)
Abb. 1: Gute Zusammenarbeit macht das Krankenhaus leistungsstark und eröffnet neue Geschäftsfelder
Organisation von Zusammenarbeit ist primäre Managementaufgabe der Geschäftsführung – Was zu tun ist
Die Organisation von Zusammenarbeit ist zentrale Managementaufgabe der Geschäftsführung (und nicht der Fachabteilung). Die Geschäftsführung muss die Organisation übergreifend auf alle Fachabteilungen und weitere Funktionseinheiten fokussieren. Erfolgreich wird dies nur sein, wenn die Organisation von Zusammenarbeit als Projekt definiert wird und die Belegschaft motiviert ist, zum Erfolg beizutragen.
Grundlegende Voraussetzung für erfolgreiches Handeln der Geschäftsführung ist, die Mitarbeiter „mitzunehmen“ und sie umfassend über Fragen der Zielsetzung, der Bedeutung und der Implementierung zu informieren. Einschlägige von der Geschäftsführung initiierte Workshops mit heterogenen Mitarbeitergruppen können dazu einen guten Beitrag leisten.
Wie für andere Fachabteilungen, gilt allerdings auch für die Chirurgie, dass sie bei der Umsetzung der Optimierung von Zusammenarbeit die Geschäftsführung unterstützen muss.
Hier sind die Chefärzte gefordert. Sie kennen die Personalstruktur ihrer Abteilung am besten und wissen, welche Mitarbeiter ergänzend oder alternativ für andere Aufgaben eingesetzt werden können. Dies gilt z. B. im Hinblick auf die Delegation von ärztlichen Aufgaben an Pflegekräfte, aber auch ggf. für mögliche strukturelle Veränderungen in der Abteilung, die der Zusammenarbeit förderlich sind (z. B. Klinische Pfade, die eine berufsgruppenübergreifende Zusammenarbeit einfordern).
Dialogkultur als Ziel
Zentrales Ziel der Geschäftsführung auf dem Weg zur Sicherstellung guter Kommunikation und Kooperation im gesamten Krankenhaus muss die Implementierung einer das Krankenhaus prägenden nachhaltigen Dialogkultur sein [11]. Darunter sei hier ein auf Vertrauen, Respekt und Transparenz basierender Umgang der Führungskräfte mit Mitarbeitern verstanden, der Mitarbeiter untereinander und aller Mitarbeiter mit den Patienten. Besonderes Augenmerk ist auf Patienten und deren Angehörige als externe Kunden des Krankenhauses zu richten. Im Mittelpunkt stehen muss: Eine freundliche und wertschätzende Kommunikation durch Ärzte, Pflege und Verwaltung, eine fachbegrifffreie Aufklärung durch den Arzt bei Diagnose, Indikation, Behandlung und Visite und eine Adressaten spezifische Kommunikation bei der Abstimmung von Therapien.
Reflexion des Rollenverständnisses und Besinnung auf Kernkompetenzen
Eine Dialogkultur kann nur nachhaltig sein, wenn sie aktuelle Veränderungen im Umfeld des Krankenhauses berücksichtigt. Sie ist somit nicht statisch angelegt, sondern muss dynamischen Charakter haben, also flexibel veränderbar sein.
In Bezug auf die derzeitige Situation macht sich dieses beispielsweise an veränderten Bedingungen für den Umgang mit neuen Mitarbeiter- und Patientenklientelen fest.
Die Ansprüche von Mitarbeitern haben sich in den letzten Jahren gewandelt. Vor allem die junge Generation fordert neue Formen der Führung und Kommunikation ein. Teamorientierung und kollegiale Führung werden zu einer zentralen Herausforderung für ärztliche Führungskräfte. Sogenannte „mündige Patienten“ oder „Internetpatienten“ betrachten den Arzt nicht mehr als „führende Hand“, sondern möchten in den Behandlungsprozess einbezogen werden. Sie erwarten vom Arzt eine Diskussion zu einschlägigen Behandlungsalternativen und wollen die Festlegung auf ein definiertes Behandlungsmuster (auf gleicher Augenhöhe mit dem Arzt) mitbestimmen.
Diesen Herausforderungen wird der Arzt in der Regel nur im Kontext einer Reflexion seines Rollenverständnisses genügen können. Basis für eine gute Dialogkultur ist aber auch eine Reflexion von Kernkompetenzen. Ähnliches gilt für die Geschäftsführungen und Pflegekräfte [12]. Nur wenn Klarheit über das jeweilige Rollenverständnis besteht und jeder Mitarbeiter weiß, welche Aufgaben er im Kontext seiner Kernkompetenzen zu erfüllen hat, lassen sich über eine gute Kommunikation und Kooperation behindernde Konflikte vermeiden. Einzufordern sind von allen in der Patientenversorgung tätigen Berufsgruppen vor allem:
- Selbstkompetenz
- fachlich-methodische Kompetenz
- kooperative Kompetenz
Das Vorhandensein dieser Qualifikationen ist Basis für die erfolgreiche Umsetzung einer zielorientierte Dialogkultur.
Wichtige Voraussetzungen für erfolgreiche Zusammenarbeit zeigt die Abbildung 2.
Abb. 2: Voraussetzung für erfolgreiche Zusammenarbeit im Krankenhaus und mit externen Partnern
Zusammenarbeit lässt sich erlernen
Die Fähigkeit zur Zusammenarbeit ist bei verschiedenen Personen unterschiedlich entwickelt. Sie kann jedoch durchaus erlernt werden. Besondere Bedeutung für die Förderung von Zusammenarbeit hat interprofessionelles Lernen (IPL), wie es von der Robert Bosch Stiftung propagiert und gefördert wird [13,14]. Dieser Ansatz bezieht sich auf die Lösung von Aufgaben durch beruflich-fachlich heterogene Gruppen, sei es in Bildungseinrichtungen (z. B. Hochschulen), sei es in Kliniken oder anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens. Gemäß Höppner und Büscher [15] sind für das Erreichen des Ziels „Zusammenarbeit lernen“ neben der oben bereits erwähnten Rollenklarheit und Reflexionsfähigkeit folgende Kompetenzdimensionen von Bedeutung:
- zielgerichtete Kommunikationsfähigkeit
- Auseinandersetzungsfähigkeit
- Auseinandersetzungsbereitschaft
- Selbstbewusstsein und Offenheit
- Wertschätzung gegenüber den Partnern
- Wissen um die Kompetenz anderer Disziplinen
Vom Grundsatz her ist die Durchführung von IPL in Einrichtungen der Patientenversorgung das Prozedere der Wahl. Denn in der Klinik besteht die Möglichkeit IPL im Rahmen konkreter Krankenhausprojekte umzusetzen.
Vielerorts ist dies mangels finanzieller und personeller Ressourcen nur schwer oder überhaupt nicht möglich. Insofern bieten sich hier vor allem geeignete Managementprogramme an, um praktische Hinweise zur Optimierung von Zusammenarbeit zu erhalten. Bevorzugt sollte auf Programme fokussiert werden, die einerseits spezifisches Managementwissen für eine definierte Berufsgruppe vermitteln, andererseits aufbauend die Möglichkeit eröffnen berufsgruppenübergreifend zu agieren. Gedacht sei hier beispielsweise an das zwei-semestrige Studienprogramm MHM®-Medical Hospital Management der Hochschule Osnabrück mit Vermittlung spezifischer Managementkenntnisse für zukünftige leitende Krankenhausärzte und Erweiterungsmöglichkeit zu einem interdisziplinär angelegten MBA [16,17].
Optimierung der Zusammenarbeit in der chirurgischen Fachabteilung- schnell umsetzbare Handlungsoptionen
Neben der bereits erwähnten Überprüfung des Rollenverständnisses der verschiedenen Berufsgruppen und die Rückbesinnung auf die originären Kernkompetenzen, kann (auch losgelöst von der Notwendigkeit der Organisation von Zusammenarbeit durch die Geschäftsführung), die chirurgische Fachabteilung eigeninitiativ tätig werden. Ja, sie sollte das unbedingt tun! Denn sie ist verantwortlich für hohe chirurgische Versorgungsqualität und Mitarbeiterzufriedenheit auf Grundlage effizienter Zusammenarbeit. Handlungsoptionen ergeben sich wie folgt und setzen vor allem Initiativen des Chefarztes voraus [18]:
- Entwicklung eines Strategiekonzepts zur Umsetzung von Zusammenarbeit auf Abteilungsebene. Prozedere: Ist-Analyse auf Grundlage schriftlicher und mündlicher Befragung von CÄ, GF, Pflege, Aufsichtsrat; Auswertung; Diskussion und Entwicklung eines Maßnahmenkatalogs zur Entwicklung eines Sollkonzepts.
- Förderung persönlicher Fähigkeiten der Mitarbeiter durch (finanzielle) Unterstützung der Teilnahme an einschlägigen Fortbildungen zu Fragen des Erwerbs von Managementkompetenzen.
- Aufzeigen von innovativen Instrumenten von Kommunikation, Führung und Qualitätsmanagement, die den Ansprüchen neuer Patienten- und Mitarbeiterklientelen gerecht werden.
- Schaffung einer Plattform für einen kontinuierlichen Informationsaustausch von Entscheidern und Mitarbeitern (Gesprächsrunden, gemeinsame Fortbildungen, gemeinsame Freizeitaktivitäten).
- Strukturelle Veränderungen auf Abteilungsebene, die Zusammenarbeit fördern (z. B. interdisziplinäre Arbeitsgruppen für die Entwicklung Klinischer Pfade).
Ausblick
Gute Zusammenarbeit im Krankenhaus ist vielerorts Stiefkind der Bemühungen des Krankenhausmanagements. Für die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des Krankenhauses ist dies kontraproduktiv. Erfolgreiche Zusammenarbeit ist nicht nur notwendige Voraussetzung für eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung im Krankenhaus und für gute Arbeitgeberqualität. Sie bietet auch die Chance für eine zielorientierte Umsetzung neuer Versorgungskonzepte mit sehr unterschiedlichen Partnern aus verschiedenen Leistungsbereichen. Die Geschäftsführungen sind deshalb gehalten, ihrer Kernaufgabe der Organisation von Zusammenarbeit umfassend zu genügen. Besonders geachtet werden sollte vor allem auf die Etablierung einer nachhaltigen Dialogkultur, die Integration von Strukturen, die Zusammenarbeit fördern (Klinische Pfade, interdisziplinäre Behandlungszentren) und die Möglichkeit zu interprofessionellem Lernen (IPL) für Ärzte, Pflege und Verwaltung. Eine Unterstützung der Organisation von Zusammenarbeit durch die Fachabteilungen versteht sich von selbst.
Literatur erhalten Sie via [email protected]
Hellmann W: Optimierung von Zusammenarbeit in der Chirurgie. Passion Chirurgie. 2017 November, 7(11): Artikel 04_04.
Autor des Artikels
Prof. Dr. habil. Wolfgang Hellmann
Leiter StudienprogrammMedical Hospital Management für leitende Ärztinnen und ÄrzteHochschule OsnabrückJunkerngarten 1530966Hemmingen kontaktierenWeitere Artikel zum Thema
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