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Kommentar zum Artikel „Verantwortlichkeit und Aufgaben von Hygienebeauftragten Ärzten“

Nach Rücksprache mit einem Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin aus Hessen und dessen Unterstützung möchte ich zu dem besagten Artikel wie folgt Stellung nehmen:

Die Autoren des Artikels „Verantwortlichkeit und Aufgaben von Hygienebeauftragten Ärzten“ des Magazins Passion Chirurgie 01/2016 vermitteln den Eindruck, dass gravierende Hygienemängel in Einrichtungen für Ambulantes Operieren eine Fülle von Haftungsansprüchen nach sich ziehen. Mit einem Teil der Literatur, die hierfür herangezogen wird, zitiert sich einer der Autoren selbst, u. a. aus einer noch im Druck befindlichen Arbeit [6], die daher für den interessierten Leser nicht verfügbar ist.

Tatsache ist, dass es bedauerlicherweise bei nachgewiesenen Hygienemängeln schon zu Haftungsansprüchen gekommen ist – und zwar in Kliniken wie in der Niederlassung. Natürlich ist jedes Mal zu viel.

Professor Exner aus Bonn hat kürzlich gemahnt, dass die Sorge, sich eine Infektion im Krankenhaus zuzuziehen, zunehme und, dass auch in ambulanten Einrichtungen bessere Hygiene-Strukturen dringend notwendig seien, auch weil die Zahl antibiotikaresistenter Erreger stetig steige (Quelle: änd, 08.04.2016). Wir haben also ganz offensichtlich alle etwas zu tun. Einseitige Schuldzuweisungen, dazu noch sachlich falsch, helfen hier sicher nicht weiter und haben eher Reklamecharakter.

Wenn man die Zahlen des Nationalen Referenzzentrums für Surveillance von nosokomialen Infektionen als Surrogat-Parameter zum Vergleich der Hygienequalität in Einrichtungen für ambulantes Operieren und Krankenhäusern heranzieht, kommt man zu völlig anderen Ergebnissen. Die Raten postoperativer Wundinfektionen ausgewählter Operationen in Einrichtungen für Ambulantes Operieren (AMBU-KISS) und in Krankenhäusern (OP-KISS, nur Risikokategorie 0) für den Zeitraum 2010 bis 2014 zeigen für beide Gruppen relativ niedrige Werte. Am Beispiel der arthroskopischen Knieoperationen soll dies dargestellt werden: Während ambulant operierende Einrichtungen bei 136.274 Operationen eine Infektionsrate* von 0,07 Prozent ermittelten, fanden sich bei 8.280 dieser Operationen in Krankenhäusern eine Infektionsrate* von 0,16 Prozent (*gepoolter arithmetischer Mittelwert).

Der Behauptung, in Arztpraxen gebe es häufig keine etablierten Hygienestrukturen, kann nicht zugestimmt werden und ist in dieser pauschalierten Form von uns vehement abzulehnen.

Spätestens seit der Verpflichtung zur Einführung eines QM-Systems im SGB V (vor zwölf Jahren) sowie durch Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes sind sämtliche – auch nichtinvasiv tätige Praxen – zur Festlegung von innerbetrieblichen Verfahrensweisen zur Infektionshygiene in Hygieneplänen verpflichtet. Insbesondere in ambulant operierenden Einrichtungen ist der Stellenwert hygienischer Maßnahmen bekannt und diese werden auch umgesetzt, auch wenn die niedergelassenen Ärzte – im Gegensatz zu Krankenhäusern – nicht durch das Hygiene-Förderprogramm der Bundesregierung in dreistelliger Millionenhöhe unterstützt werden.

Der oder die Autoren des Beitrages erwecken (insbesondere im Abschnitt „Bestellung“, PDF: Seite 21) den Eindruck, dass speziell in Einrichtungen für Ambulantes Operieren gravierende Hygienemängel an der Tagesordnung sind.

Hier fehlt wohl die Erinnerung, dass die „Hygieneskandale“ der letzten Jahre in Krankenhäusern aufgetreten sind. Und auch ein Blick in die Statistik des Krankenhaus-Infektions-Surveillance-Systems (KISS) des Nationalen Referenzzentrums für Surveillance von nosokomialen Infektionen zeigt, dass postoperative Wundinfektionen bei ausgewählten Operationen (bei vergleichbarer Patientenklientel) in Krankenhäusern etwas häufiger vorkommen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Artikel „Verantwortlichkeit und Aufgaben von Hygienebeauftragten Ärzten“ in Passion Chirurgie 1/2016 die ambulant operierenden niedergelassenen Ärzte unbegründet einem Generalverdacht mangelhafter Hygiene aussetzt.

Diese, die niedergelassenen Kollegen nahezu kriminalisierende, Darstellung weisen wir in scharfer Form zurück, auch können die vorgebrachten Behauptungen in der nachgelieferten und nachprüfbaren Literatur in dieser Einseitigkeit weder gefunden noch bestätigt werden.

Schüürmann C. Leserbrief zu Ausgabe 01/2016 „Hygiene im chirurgischen Alltag“. Passion Chirurgie. 
2016 Juni, 6(06): Artikel 09_03.

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