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Worum geht es?

Wenn Patienten eine Rechnung über ärztliche Leistungen bei ihrer privaten Krankenversicherung einreichen, kommt es immer wieder zu Erstattungsverweigerungen unter Verweis auf die „medizinische Notwendigkeit“. Häufig geht es um alternativ- oder komplementärmedizinische Behandlungsansätze, aber auch um andere medizinische Sachverhalte. Damit muss man sich aber nicht in jedem Fall zufriedengeben, sondern kann sich abhängig vom konkreten Einzelfall zur Wehr setzen. Hier können Patienten und Chirurgen, die die Patienten häufig im Erstattungsstreit gegen die Krankenversicherung unterstützen, „in einem Boot“ sitzen. Auch der Behandler hat ein Interesse daran, dass die von ihm angebotenen Behandlungsmethoden gegenüber dem Patienten durch die Krankenversicherung erstattet werden und nicht von den Patienten auf eigene Kosten bezahlt werden müssen.

In den Leistungsabrechnungen oder Schreiben der Krankenversicherer, mit denen diese die Erstattung mit dem Argument der vermeintlich nicht vorliegenden „medizinischen Notwendigkeit“ verweigern, findet sich oftmals lediglich eine Kurzbegründung unter Verweis auf vermeintlich entgegenstehende gesetzliche Regelungen. Durch solche Formulierungen wird der Eindruck erweckt, es gebe einen abschließenden Leistungskatalog, in dem die betreffende Behandlungsmaßnahme nicht aufgeführt sei, sodass die Erstattungsverweigerung rechtens sei und man sich hiergegen nicht zur Wehr setzen könne. Ein solch abschließender Katalog existiert aber nicht.

Die Rechtslage

Die maßgebliche rechtliche Grundlage besteht in § 1 Abs. 2 MB/KK (d. h.: Musterbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung, was gewissermaßen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Krankenversicherung sind). Für den Versicherungsfall und als Voraussetzung für die Erstattung findet sich dort die Formulierung einer „medizinisch notwendigen Heilbehandlung“. So knapp und allgemein gehalten ist die rechtliche Regelung.

Des Weiteren bestimmt § 4 Abs. 6 MB/KK, dass von den privaten Krankenversicherern über die von der Schulmedizin überwiegend anerkannten Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden hinaus auch diejenigen Methoden und Arzneimittel zu erstatten sind, „die sich in der Praxis als ebenso erfolgversprechend bewährt haben oder die angewandt werden, weil keine schulmedizinischen Methoden oder Arzneimittel zur Verfügung stehen“. Auch hier trifft die private Krankenversicherung eine Einstandspflicht; diese kann jedoch die Erstattung auf den Betrag herabsetzen, die bei der Anwendung vorhandener schulmedizinischer Methoden angefallen wäre. Somit kann auch bei alternativ- oder komplementärmedizinischen Behandlungsmethoden abhängig vom Einzelfall einer Erstattungspflicht der privaten Krankenversicherung bestehen.

Die medizinische Situation im konkreten Behandlungsfall ist entscheidend!

Rechtlich ist es immer eine Frage des konkreten Behandlungsfalls, ob eine bestimmte Leistung oder ein Medikament medizinisch notwendig und erstattungsfähig ist oder nicht. In die im konkreten Fall vorzunehmende Bewertung fließen in das Krankheitsbild des Patienten sowie Anwendungs- und Wirkungsweise der Therapiemaßnahme ein. Daher greift die Argumentation der Krankenversicherer zu kurz, wenn diese eine bestimmte Behandlungsmethode pauschal ablehnen, ohne auf den konkreten medizinischen Sachverhalt einzugehen – wie es nicht selten passiert.

Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Urteil des Oberlandesgerichts Naumburg vom 26. Juni 2014 (Aktenzeichen: 4 U 56/13). Hier wurde der Kostenerstattungsanspruch bezüglich einer Hyperthermie-Behandlung zumindest teilweise bejaht. Bemerkenswert ist die sich aus den Entscheidungsgründen ergebende Argumentation des Gerichts: Wenn eine bestimmte Behandlung in das Vergütungsverzeichnis der GOÄ aufgenommen sei, wirke sich die Regelung aus der GOÄ auf die Leistungspflicht der privaten Krankenversicherung aus. Auf den Punkt gebracht: Den Behandlungsmethoden, die in das Leistungsverzeichnis der GOÄ aufgenommen seien, könne man nicht ohne weiteres pauschal die „medizinische Notwendigkeit“ absprechen. In Anbetracht einer solch „mittelbaren Geltung“ der GOÄ ist die Vorgehensweise privater Krankenversicherer, auch in der GOÄ aufgeführte Leistungen teilweise einfach als wirkungslos und damit medizinisch nicht notwendig abzutun, juristisch äußerst kritikwürdig und angreifbar.

Mit dem Gutachten des Versicherers muss man sich nicht zufrieden geben!

Auch wenn sich die private Krankenversicherung auf einen sogenannten „Beratungsarzt“ oder einen Gutachter beruft, bedeutet dies nicht das Ende der Rechtsschutzmöglichkeiten. Spätestens im Gerichtsverfahren wird regelmäßig ein anderer Sachverständiger beauftragt, dessen Votum ganz anders ausfallen kann als die oftmals interessengesteuerten Gutachten der Versicherer.

In der Diskussion mit dem Krankenversicherer sollte sich der Patient nicht mit einer pauschalen Verweigerung abspeisen lassen, ohne dass der Behandlungsfall in seiner konkreten Ausprägung Berücksichtigung findet. Dabei kann der Chirurg den Patienten auch in seinem eigenen Interesse unterstützen, um die Kostenerstattung der Behandlungsmaßnahme zu erreichen. Wenn es um alternativ- oder komplementärmedizinische Behandlungsmethoden geht, kann der behandelnde Chirurg aus seiner medizinischen Fachkompetenz heraus am besten die medizinische Notwendigkeit im konkreten Behandlungsfall darlegen. Je besser die medizinische Argumentation, desto größer die Erfolgsaussichten im Rechtsstreit.

Kein frustraner Aufwand

Um sowohl für den Patienten als auch für den Chirurgen unnötigen – letztlich frustranen – Aufwand zu vermeiden, gilt folgende Empfehlung: Wenn trotz genauer medizinischer Darlegung und Hereinreichung von Befunden die private Krankenversicherung an ihrer Erstattungsverweigerung festhält, führt weitere außergerichtliche Korrespondenz trotz intensiver Bemühung meist nicht mehr zum Erfolg. Auch wenn die Versicherer dann häufig noch aufwändige Befund- oder Verlaufsberichte nachfordern, lassen sich diese in ihrem einmal eingenommenen Standpunkt der Erstattungsverweigerung in aller Regel nicht mehr umstimmen. Hier noch weiter Zeit und Mühen zu investieren und außergerichtlich mit dem Versicherer weiter zu diskutieren, kann man sich häufig sparen. Dann helfen nur noch die Beschreitung des Rechtsweges und gegebenenfalls die Einreichung einer Zivilklage, wobei zu empfehlen ist, einen Fachanwalt für Medizinrecht mit der anwaltlichen Vertretung zu beauftragen.

Praxishinweis

Seit einer Gesetzesänderung vor einigen Jahren gilt ein neuer Gerichtsstand. Der Versicherungsnehmer muss die private Krankenversicherung nicht mehr an deren Sitz verklagen, der häufig weit entfernt ist vom Wohnort des Patienten und vom Ort der beruflichen Tätigkeit des Chirurgen. Nunmehr kann der Patient beziehungsweise Versicherungsnehmer die Klage an dem für seinen Wohnort zuständigen Gericht erheben. Dies hat den Vorteil, dass insbesondere falls im Prozess Anhörungen vor Gericht oder Zeugenvernehmungen notwendig werden, Patient und Chirurg nicht weit fahren müssen.

Aktuelle Entwicklung

Neuerdings mehren sich auch Fälle von Erstattungsverweigerungen, in denen es nicht um das Infragestellen der Behandlungsmethode an sich wie etwa bei alternativmedizinischen Behandlungsansätzen geht, sondern um das Bestreiten des Vorliegens einer hinreichenden Indikation für die vorgenommene Behandlung. Dies kann sowohl Indikationen für elektive Operationen als auch Anschlussbehandlungen wie Reha-Maßnahmen oder Krankengymnastik betreffen. Wenn sich private Krankenversicherer hier herausnehmen, die medizinische Situation besser einschätzen zu können als der behandelnde Chirurg, sollte dieser dem entschieden entgegentreten. Er kann sich darauf berufen, mit seiner fachärztlichen Ausbildung und seinem Wissen über den konkreten Behandlungsfall die medizinische Situation beim Patienten weit besser einschätzen zu können als die private Krankenversicherung oder ein von dieser beauftragter Gutachter „vom Schreibtisch aus“.

Hammerl S. Kürzungen durch PKV-Unternehmen unter Verweis auf die „medizinische Notwendigkeit“ – so können Sie reagieren. Passion Chirurgie. 2015 März; 5(03): Artikel 04_01.

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Dr. Siegfried Hammerl

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