Noch 2012 entschied der Bundesgerichtshof, dass Ärzte für die Annahme von Zahlungen durch Pharmaunternehmen nicht strafrechtlich belangt werden können. Mit dem im Juli 2015 von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen soll sich dies zukünftig ändern. Eine zentrale Rolle bei der Bekämpfung korrupter Praktiken zwischen Ärzten und Arzneimittelherstellern sollen nach dem Willen des Gesetzgebers die Sozialversicherungsträger spielen.
Ziel der Gesetzesinitiative ist es, eine Lücke im Strafgesetzbuch (StGB) zu schließen, nachdem es Angehörigen von Heilberufen bislang nicht verboten war, Zahlungen, Geschenke oder Vorteile anzunehmen und hierfür beispielsweise bestimmte Medikamente häufiger zu verschreiben. Der neue Straftatbestand § 299a StGB stellt die Bestechung und Bestechlichkeit von Angehörigen von Heilberufen unter Strafe.
Der neue Straftatbestand ist ein echtes Sonderdelikt. Täter sind nur Angehörige von Heilberufen. Die Norm ist zudem als Antragsdelikt ausgestaltet. Das heißt, ein Delikt wird nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, dass die Strafverfolgungsbehörden aufgrund des besonderen öffentlichen Interesses die Strafverfolgung für geboten halten. In der Praxis bedeutet das, dass die Behörden ohne Strafantrag in der Regel nicht tätig werden können: ohne Antrag kein Ermittlungsverfahren.
Antragsberechtigt ist, wer durch eine Tat verletzt ist. In seiner Entscheidung dieses Recht auszuüben ist der Antragsberechtigte frei. Das Strafantragsrecht ist für Straftatbestände konzipiert, für die der Gesetzgeber ein unbedingtes Einschreiten von Amtswegen nicht für zwingend geboten hält.
Strafanträge durch Sozialversicherungsträger
Der vorliegende Gesetzentwurf sieht für Sozialversicherungsträger aus gutem Grund ein explizites Antragsrecht vor. Schließlich sind es in der Regel insbesondere Kranken- und Pflegekassen, die die Folgen von Korruption im Gesundheitswesen in Form höherer Kosten zu tragen haben. Zudem sind die Strafverfolgungsbehörden auf die Mitwirkung der Sozialversicherungsträger angewiesen. Den Sozialversicherungsträgern liegen die Daten vor, aus denen sich ein Anfangsverdacht auf Unregelmäßigkeiten ergeben kann.
Was bedeutet das für die Sozialversicherungsträger? Tatsächlich könnten sie nicht nur zum Strafantrag berechtigt, sondern auch verpflichtet sein. Das Nichtstellen eines Strafantrages kann nämlich als Verstoß gegen die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gemäß § 69 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) IV gewertet werden. Die Vorschrift regelt, dass bei der Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplanes die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit von Gesetzes wegen zu beachten sind. Die Grundsätze gelten für jegliches Handeln der Sozialversicherungsträger.
Kassen müssen ihre Haushalte schützen
Die “Strafantragspflicht” kann sich aus der Pflicht zur Abwehr von Schäden für den Versicherungshaushalt ergeben. Zwar wird durch das Stellen eines Strafantrages keine unmittelbare haushaltsrelevante Maßnahme getroffen. Der zu schützende Haushalt der Sozialversicherungsträger wird aber mittelbar beeinflusst.
Ein Strafverfahren kann nämlich im Falle einer Verurteilung berufsrechtliche Folgen für den verurteilten Täter haben. So kann das Gericht dem Angehörigen des Heilberufs ein Berufsverbot im Urteil erteilen. Im Zuge dessen wäre der Täter künftig daran gehindert, Korruptionsstraftaten in Zusammenhang mit seinem Beruf zu begehen. Der Finanzhaushalt wird damit präventiv vor den Folgen von Korruption geschützt.
Zudem besteht für die Sozialversicherungsträger die Möglichkeit eines Regresses gegen schädigende Personen. Wird beispielsweise ein Arzt aufgrund eines Korruptionsvergehens verurteilt, so kann sich daraus ein Schadenersatzanspruch einer betroffenen Krankenkasse gegen den Arzt ergeben. Versäumt eine betroffene Krankenkasse aber den Strafantrag gegen den korrupten Arzt und kommt es dadurch gar nicht erst zur Strafverfolgung, dann wird es deutlich schwieriger, gegen diesen Arzt erfolgreich Regress zu führen.
Mitwirkung an Straftatbekämpfung
Nach dem Sozialgesetzbuch (§ 197a SGB V) sind Sozialversicherungsträger zudem verpflichtet, aktiv an der Bekämpfung von Straftaten mitzuwirken. Dafür müssen sie geeignete interne Maßnahmen treffen, beispielsweise interne Prüf- und Ermittlungsstellen einrichten. Diese sollen Fälle untersuchen, die auf Unregelmäßigkeiten oder auf sonst rechtswidrige Nutzung von Finanzmitteln im Zusammenhang mit den Aufgaben der jeweiligen Krankenkasse oder des jeweiligen Verbandes hindeuten.
Wenn die Prüf- und Ermittlungsorgane einen Sachverhalt als strafrechtlich relevant einstufen, muss der Sozialversicherungsträger die Strafverfolgungsbehörden davon unterrichten. Bei Korruptionsfällen dürfte eine Unterrichtung allerdings nicht ausreichend sein, um die Straftat effektiv zu bekämpfen, denn nur auf Grundlage eines Strafantrags können die Behörden aktiv werden. Auch aus dem Zweck des § 197a SGB V, der effektiven Bekämpfung von Straftaten, lässt sich somit eine Pflicht zum Stellen eines Strafantrags herleiten.
Fazit: Sozialversicherungsträger sind gefordert
Der Erfolg des Kampfs gegen Bestechlichkeit im Gesundheitswesen wird maßgeblich von der Mitwirkung der Sozialversicherungsträger abhängen. Sie nehmen künftig die Rolle vorgeschalteter Strafverfolgungsbehörden ein und müssen künftig bei jedem Verdacht auf korrupte Praktiken prüfen, ob ein Strafantrag zu stellen ist. Der Ermessensspielraum der Sozialversicherungsträger dabei ist eng, im Zweifel ist ein Strafantrag zu stellen. Eine Verletzung dieser Pflicht kann Maßnahmen der Aufsichtsbehörde zur Folge haben.
Der Gesetzgeber könnte das Problem lösen, indem er Korruption im Gesundheitswesen als Offizialdelikt einstuft. Dann könnten Strafverfolgungsbehörden auch ohne Strafantrag Ermittlungsmaßnahmen von Amtswegen einleiten. Der Schutz des fairen Wettbewerbes und der Rechtsgüterschutz der Volksgesundheit sollten dem Gesetzgeber eigentlich als bedeutend genug erscheinen, um diesen Weg frei zu machen.