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Insbesondere wenn es um spezielle Operationstechniken oder seltenere Operationen geht, wird es in der Praxis häufig vorkommen, dass der vom Patienten konsultierte Chirurg sich nach seinem Ausbildungsstand und der ihm zur Verfügung stehenden apparativen Ausstattung zwar in der Lage sieht, die Operation durchzuführen. Dies aber in dem Wissen, dass andernorts durch andere Operateure möglicherweise eine noch bessere bzw. sicherere operative Versorgung des Patienten gewährleistet werden könnte. Wie verhält sich der Chirurg in dieser schwierigen Situation? In welchen Fällen muss der Patient hierauf aus haftungsrechtlichen Gründen initiativ hingewiesen werden? Der folgende Artikel gibt Antworten.

Grundsatz: Ärztliche Therapiefreiheit

Der Patient muss grundsätzlich nicht darüber aufgeklärt werden, dass dieselbe Behandlung andernorts mit besseren personellen und apparativen Mitteln und deshalb mit einem etwas geringeren Komplikationsrisiko möglich ist. Dies gilt nach der Rechtsprechung zumindest dann, solange der Ausstattungszustand in der eigenen Klinik noch dem medizinischen Standard entspricht.

Wann besteht eine Aufklärungspflicht?

Anders kann es im Falle der Entwicklung neuartiger Operationsverfahren sein, wenn diese in der eigenen Klinik nicht angeboten werden: Eine Aufklärungspflicht besteht, wenn sich neue und anderweitig praktizierte Verfahren weitgehend durchgesetzt haben, die den Patienten entscheidende Vorteile bieten.

Dieses ist insbesondere dann der Fall, wenn durch die neue – und nur anderorts eingesetzte – Operationstechnik ein vermindertes Komplikationsrisiko für die Patienten erreicht werden kann. Dieses Risiko muss aber signifikant kleiner sein. Liegen diese Voraussetzungen vor, muss der Chirurg den Patienten tatsächlich an die andere (Spezial-) Klinik verweisen. Dies initiativ und auch ohne Nachfrage des Patienten.

In Extremfällen können auch Missstände in der eigenen Klinik eine Aufklärung des Patienten erforderlich machen. Dies etwa

bei einer deutlichen personellen und/oder operativen Unterausstattung in der eigenen Klinik oder Praxis,

im Falle einer von der Norm abweichenden Infektionsstatistik in der eigenen Klinik oder

wenn gegen die in der eigenen Klinik angewandte Operationsmethode gewichtige Bedenken in der medizinischen Literatur erhoben worden sind.

Wichtig ist hervorzuheben, dass eine Pflicht zur initiativen Aufklärung des Patienten voraussetzt, dass andernorts oder durch die andere Operationsmethode deutlich bessere Heilungschancen für den Patienten bestehen oder das Komplikationsrisiko wirklich signifikant vermindert wird. So muss noch kein Hinweis – ohne Nachfrage des Patienten – erfolgen, wenn die technisch-operative Ausstattung oder der Ausbildungsstand des Personals in der anderen Klinik lediglich möglicherweise als geringfügig besser eingestuft werden können. Nur wenn eine deutliche Überlegenheit besteht, die sich in signifikant besseren Operationsergebnissen oder einem erheblich verminderten Risiko niederschlägt, besteht eine Aufklärungspflicht gegenüber dem Patienten auch ohne Nachfrage.

Auf Nachfragen muss geantwortet werden!

Allerdings gilt immer: Wenn der Patient nachfragt, muss wahrheitsgemäß geantwortet werden. Insofern sich der Patient nach Operationszahlen in der eigenen Klinik oder explizit nach Operationsmöglichkeiten in anderen Kliniken erkundigt, dürfen keine beschönigenden, wahrheitswidrigen Aussagen getroffen werden.

Ein heikles Thema: Wie damit umgehen?

Selbstverständlich sieht es keine Klinikleitung gern, wenn Chirurgen gegenüber. Patienten darauf hinweisen, dass eine bestimmte Operation in einer anderen Klinik in besserer Qualität angeboten wird. Deshalb sollte der Chirurg, wenn die Missstände in der eigenen Klinik bekannt sind, zuerst das Gespräch mit der ärztlichen Leitung und nachfolgend ggf. mit der Geschäftsführung suchen.

Wenn im Einzelfall aus haftungsrechtlichen Gründen ein Hinweis gegenüber dem Patienten geboten ist, wäre ein „Verschweigen“ allerdings nicht nur rechtswidrig, sondern dürfte auch den Interessen der Klinikleitung zuwiderlaufen, da sich daraus Haftungsfälle entwickeln können. Dass das Thema haftungsträchtig ist und die Rüge einer mangelhaften Klärung von Patienten immer wieder erhoben wird, zeigt folgender Beispielsfall:

Urteil des OLG München vom 02. Februar 2012, Aktenzeichen: 1 U 5333/10

Im dortigen Fall ging es um eine Patientin, die wegen eines malignen Schilddrüsentumors mehrfach operiert werden musste und bei der die operative Entfernung eines Rezidivs anstand. Bei dieser Operation kam es zu einer Schädigung des Stimmbandnervs. Nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens hatte das Gericht keinen Behandlungsfehler erkennen können.

Im Zuge des Prozesses erhob die Patientin die Aufklärungsrüge. Nach einem im Flüsterton geführten Zwiegespräch mit ihrer Rechtsanwältin im Verhandlungstermin – so führt es das OLG München in seinem Urteil ausdrücklich aus – hatte die klagende Patientin noch hinzugefügt, dass sie im Falle einer ordnungsgemäßen Aufklärungsoperation in eine andere Klinik gegangen wäre. Diesen Einwand hielt das Gericht nicht für stichhaltig. Die Patientin habe nicht hinreichend dargelegt, dass in einer anderen Klinik das Risiko einer Verletzung des Stimmbandnervs nennenswert geringer gewesen wäre.

Im dortigen Rechtsstreit wies das Gericht letztlich die Klage ab und gab der Behandlerseite Recht. Der Verhandlungsverlauf im dortigen Fall belegt aber, dass von Patientenseite der Vorwurf einer mangelhaften Aufklärung immer wieder erhoben wird, etwa wenn ein Behandlungsfehler nicht nachweisbar ist. Hier sollte der Chirurg gewappnet sein!

Praxistipp

Wenn er weiß, dass andernorts Operationen mit besserer Ausstattung und/oder mit besser ausgebildetem Personal angeboten werden, befindet sich der Chirurg in einem Dilemma, was die Patientenaufklärung angeht. Hier müssen abhängig vom Einzelfall ärztliche Therapiefreiheit, Patientenwohl und auch wirtschaftliche Interessen der Klinik oder der Praxis genau abgewogen werden. Aus haftungsrechtlicher Sicht gilt jedoch: Je umfassender die Aufklärung – auch über Behandlungsalternativen andernorts – erfolgt, desto geringer ist das haftungsrechtliche Risiko.

In jedem Fall sollte der Chirurg, wenn gegenüber dem Patienten im Aufklärungsgespräch ein entsprechender Hinweis folgt, dies schriftlich dokumentieren. Dies kann etwa durch einen kurzen handschriftlichen Eintrag im Aufklärungsbogen geschehen. Auf die schriftliche Dokumentation sollte dann besonderer Wert gelegt werden, wenn der Patient im Aufklärungsgespräch explizit nachfragt.

Hammerl S. Ein heikles Thema: In welchen Fällen muss der Chirurg den Patienten an eine andere Klinik mit besserer Ausstattung verweisen? Passion Chirurgie. 2015 Oktober; 5(10): Artikel 06_02.

Autor des Artikels

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Dr. Siegfried Hammerl

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