01.09.2010 Allgemeinchirurgie
Editorial: Adipositaschirurgie ist keine Lifestyle-Medizin
Die chirurgische Therapie der Adipositas erfährt zunehmend auch in Deutschland die ihr gebührende Aufmerksamkeit. Nach wie vor sind adipöse Menschen in Deutschland derzeit unterversorgt, insbesondere weil die Finanzierung therapeutischer Maßnahmen – konservativ wie chirurgisch – nicht gesichert ist. Gemäß statistischem Bundesamt war 2009 ein Anteil von 51 Prozent der erwachsenen Bevölkerung (60 Prozent Männer, 43 Prozent Frauen) in Deutschland übergewichtig. Betrachtet man die Daten der Mikrozensus-Befragungen 1999 bis 2009 genauer, so ist dies noch wesentlich problematischer: In Deutschland ist die Anzahl der morbid adipösen Erwachsenen in diesem Zehnjahreszeitraum um 74 Prozent angestiegen. Gemäß der biometrischen Erhebung der nationalen Verzehrstudie II des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz liegt der Anteil der morbid adipösen Erwachsenen mit einem BMI > 40 kg/m² in unserem Land bei >1,5 Prozent. Auf den Punkt gebracht leiden also mehr als 1 Million Erwachsene in Deutschland unter einer Adipositas Grad 3, einer chronisch-progredienten und derzeit nahezu unheilbaren Erkrankung.
Diese Zunahme an Übergewichtskranken wird zunehmend als eine Bedrohung der westlichen Gesundheitssysteme angesehen. So geht die Erkrankung nicht allein mit einer verkürzten Lebenserwartung, einer verminderten Lebensqualität und häufig sozialem Abstieg und Ausgrenzung der Betroffenen einher, sondern ist auch mit einer Reihe von schwerwiegenden Komorbiditäten behaftet wie Typ-2-Diabetes, kardiopulmonale Komplikationen und muskuloskelettale Erkrankungen.
Von dieser Problematik sind wir Chirurgen in verschiedener Hinsicht betroffen. Spätestens das fortgeschrittene Stadium der Erkrankung (BMI ³ 40 kg/m², z. T. früher) ist nur noch durch chirurgische Verfahren nachhaltig therapierbar, die Adipositaschirurgie muss also sowohl integraler Bestandteil der multimodalen Therapie der Adipositas sein wie sie Bestandteil der viszeralchirurgischen Spezialisierung werden muss.
Diese Thematik wird im Beitrag von N. Runkel et al. mit einer Kurzfassung der neuen evidenzbasierten „S3-Leitlinie Chirurgie der Adipositas“ vertieft. Sie ist derzeit die einzige in Deutschland gültige Leitlinie zum Thema Adipositas.
Außerdem müssen wir uns aber auf den extrem dicken Patienten in der täglichen chirurgischen Routine, in der Viszeralchirurgie ebenso wie in allen anderen chirurgischen Spezialgebieten einstellen. Entsprechende Ausstattung wie Schwerlasttische und XXL-Instrumente sowie Sicherheit in deren Handhabung ist flächendeckend vonnöten, um Standardeingriffe unverzüglich und heimatnah auch im Notfall auch bei einem 170 kg schweren Patienten durchführen zu können. Dies ist ein für jede chirurgische Klinik interessanter Teilaspekt der in diesem Heft erstmals vorgestellten „Umfrageergebnisse aus Bayern“, die neben adipositaschirurgischen Besonderheiten und einer auffallend großen Methodenvielfalt ein erhebliches Defizit hinsichtlich der Infrastruktur für adipöse allgemein- und viszeralchirurgische Patienten widerspiegelt.
Bisher kaum akzeptiert ist in Deutschland die sog. „Metabolische Chirurgie“. Hierunter versteht man den chirurgischen Ansatz zur Therapie von Diabetes und anderen metabolischen Erkrankungen durch (adipositas-)chirurgische Operationverfahren bei bereits geringeren BMI-Klassen wie einer Adipositas Grad 1. Es liegen bereits erste vielversprechende Ergebnisse vor. Der Artikel „Bariatrische Chirurgie und Insulinresistenz“ von M. Möhling und F. H. Pfeiffer spannt den Bogen von der Adipositaschirurgie zur metabolischen Chirurgie.
In diesem Zusammenhang ist auf die neu gegründete „Expertengruppe Metabolische Chirurgie“ (www.expertengruppe-mbc.de) zu verweisen. Diese interdisziplinär zusammengesetzte und von verschiedenen Fachgesellschaften mandatierte Arbeitsgruppe bündelt die Expertise verschiedener Fachgebiete und möchte den Diskurs über die Möglichkeiten und evidenzbasierten Erfolge der Adipositaschirurgie und ihrer metabolischen Effekte in Fach- und allgemeiner Öffentlichkeit aktiv mitgestalten.
Autor des Artikels
PD Dr. med. Thomas P. Hüttl
Chirurgische Klinik München-Bogenhausen GmbHDenninger Str. 4481679München kontaktierenWeitere Artikel zum Thema
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