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In den letzten Jahren wurde die Schwerverletztenversorgung in Deutschland durch die Etablierung von lokalen Traumanetzwerken, die sich aus zertifizierten Traumzentren zusammensetzen, strukturell und qualitativ stetig verbessert. Als Basis diente hierfür das Weißbuch „Schwerverletztenversorgung“ [1].Zwischenzeitlich sind die Traumanetzwerke bundesweit nahezu flächendeckend implementiert [2]. Die zweite Auflage des Weißbuches „Schwerverletztenversorgung“ greift neben der Rehabilitation nunmehr auch die ambulante Weiterbehandlung in den Traumanetzwerken auf [3]. Neben Struktur- und Prozessqualität, personeller Ausstattung und Qualifikation der nicht-ärztlichen Mitarbeiter werden hier vor allem die Interaktion mit den stationären Einrichtungen sowie die weiterführende soziale Integration dieser Patienten adressiert [3]. Konkrete Vorgaben bzw. Empfehlungen zur ambulanten Weiterbehandlung bezüglich eventuell nachrangiger Begleitverletzungen oder Sekundärkomplikationen nach erfolgter Erstversorgung in den Traumazentren werden nicht näher aufgeführt. Dies erlaubt, ähnlich dem D-Arzt-Verfahren, eine flexible Gestaltung der Behandlung sowohl für Patienten, als auch für Ärzte. Dennoch ist die Frage zu diskutieren, ob die im Weißbuch definierten Ziele, Vorgaben und Strukturen der Erstversorgung in den Traumazentren als ausreichend anzusehen sind, oder ob das Ziel einer lückenloser Behandlungskette für den Patienten noch weiter präzisiert und komplettiert werden sollte.

Die niedergelassenen Chirurgen/Unfallchirurgen könnten unter der Voraussetzung, dass sie in eine entsprechende Gesamtorganisation eingebettet sind, beispielsweise in einem solchen Projekt, sowohl als Kooperationspartner, aber auch als “sekundäre Traumazentren” bzw. in einigen Fällen als “spezielle Kompetenzzentren” fungieren. Um ggf. die Ressourcen, beispielsweise die prozesskritischen Operationssaalkapazitäten, insbesondere in den Traumazentren der Maximalversorgung, nicht in Folge von nachrangigen Sekundäreingriffen oder durch Verlängerung von stationären Aufenthaltsdauern zu belasten, könnten bestimmte Eingriffe, insbesondere aus dem Bereich der Hand- und Fußchirurgie, durch spezialisierte Unfall-Chirurgen in der Niederlassung übernommen werden.

Ebenso ist es denkbar, dass insbesondere lokale Traumazentren, die eine spezielle Kompetenz nicht aufweisen sollten (z. B. hochelektive arthroskopische Chirurgie), mit entsprechenden Strukturen im ambulanten Bereich als Partner kooperieren.

Aus Sicht der niedergelassenen und spezialisierten Unfallchirurgen muss allerdings zunächst die Frage beantwortet werden, ob eine engere Kooperation bzw. Integration in die Struktur der Traumanetzwerke sinnvoll und nachhaltig sowie auch wünschenswert ist.

Abb. 1: Chart „Ziel Pilotprojekt“

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Die dabei zweifelsohne entstehenden Fragen sind zu diskutieren:

  • Wollen das die niedergelassenen Unfallchirurgen überhaupt?
  • Ergeben sich aus einer solchen Konstellation möglicherweise mehr Verpflichtungen als Nutzen?
  • Welche Voraussetzungen müssen bestehen oder geschaffen werden?
  • Welche Qualitätskriterien und Zertifizierungen sind nötig? (Vergleich der Inhalte der Zertifizierungen im TNW und entsprechende Anpassung an Qualitätsmerkmale der niedergelassenen Einrichtungen)
  • Ist die Finanzierung adäquat abdeckbar?
  • Fixierung der speziellen operativen Kernkompetenzen

Die Sinnhaftigkeit und Umsetzbarkeit einer solchen Integration der Niedergelassenen wird derzeit in einem Pilotprojekt getestet.

Projektpartner sind hierbei die:

Universitätsklinik Leipzig, Klinik und Poliklinik für Orthopädie, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Direktor Prof. Dr. Ch. Josten

Thonbergklinik MVZ Notfallzentrum Leipzig (Ärztlicher Leiter Dr.Jörg Hammer)

unter dem Dach des Traumanetzwerkes Westsachsen.

Abb. 2: Chart „Lösungsansätze DGU-ANV“

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Nach Evaluierung synergistischer Spezialkompetenzen im operativen Bereich (spezielle Hand- und Fußchirurgie) erfolgte die Beantragung als Pilotprojekt beim Arbeitskreis Umsetzung Traumanetzwerk (AKUT). Zusätzlich wurden vorhandene Strukturen hinsichtlich Personal (Fachärzte/Pflegepersonal), Qualifikationen (Zusatzqualifikationen, Advanced Trauma Life Support-Zertifikat (ATLS), etc.), apparativen Voraussetzungen (radiologische/sonographische Diagnostik), operativen Möglichkeiten, postoperativen Überwachungsmöglichkeiten, 24h-Versogung, Bettenkapazitäten, Integration in den Bereichsplan Rettungsdienst der Stadt Leipzig sowie Zertifizierung der Thonbergklinik (ISO 9001) geprüft und abgeglichen. Des Weiteren wurden die Behandlungsoptionen unter besonderer Beachtung der speziellen Fachkompetenzen benannt. Die Anbindung der Thonbergklinik an die Telekommunikation im Traumanetzwerk wurde initiiert, die Teilnahme an entsprechenden Fortbildungsveranstaltungen und Qualitätszirkeln findet bereits statt.

Abb. 3: Chart „Welche Begleitverletzungen?“

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Eine Zertifizierung und vollwertige Integration ambulanter Einrichtungen in die Traumanetzwerke ist nach Mitteilung der AKUT nicht vorgesehen. Derzeit sondieren wir Möglichkeiten, wie Kooperationen zwischen lokalem Traumanetzwerk und geeigneten ambulanten Einrichtungen („sekundäre Traumazentren“) gestaltet werden können und welche Voraussetzungen hierfür geschaffen werden sollten. Über die Erfahrungen und Ergebnisse wird zu einem späteren Zeitpunkt zu berichten sein.

Literatur

[1] Weißbuch Schwerverletzten-Versorgung. Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (Hrsg.), September 2006

[2] www.dgu-traumanetzwerk.de

[3] Weißbuch Schwerverletzten-Versorgung. 2. Auflage. Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (Hrsg.), 2012

Hammer J. / Patzsch F. / Fakler J. / Josten Ch. Die zukünftige Rolle des niedergelassenen Unfallchirurgen im Traumanetzwerk Deutschland. Passion Chirurgie. 2014 August, 4(08): Artikel 02_01.

Autoren des Artikels

Profilbild von Falko Patzsch

Dr. med. Falko Patzsch

Thonbergklinik MVZ NotfallzentrumRiebeckstr. 6504317Leipzig
Profilbild von Johannes Fakler

Dr. med. Johannes Fakler

Universitätsklinikum Leipzig AöRZentrum für Orthopädie und UnfallchirurgieLiebigstr. 2004103Leipzig
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Prof. Dr. med. habil. Christoph Josten

Geschäftsführender KliniksdirektorUniversitätsklinikum LeipzigKlinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Plastische Chirurgie
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Prof. Dr. med. Jörg Hammer

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