01.08.2014 Orthopädie/Unfallchirurgie
Die zukünftige Rolle des niedergelassenen Unfallchirurgen im Traumanetzwerk Deutschland
Die niedergelassenen Chirurgen/Unfallchirurgen könnten unter der Voraussetzung, dass sie in eine entsprechende Gesamtorganisation eingebettet sind, beispielsweise in einem solchen Projekt, sowohl als Kooperationspartner, aber auch als “sekundäre Traumazentren” bzw. in einigen Fällen als “spezielle Kompetenzzentren” fungieren. Um ggf. die Ressourcen, beispielsweise die prozesskritischen Operationssaalkapazitäten, insbesondere in den Traumazentren der Maximalversorgung, nicht in Folge von nachrangigen Sekundäreingriffen oder durch Verlängerung von stationären Aufenthaltsdauern zu belasten, könnten bestimmte Eingriffe, insbesondere aus dem Bereich der Hand- und Fußchirurgie, durch spezialisierte Unfall-Chirurgen in der Niederlassung übernommen werden.
Ebenso ist es denkbar, dass insbesondere lokale Traumazentren, die eine spezielle Kompetenz nicht aufweisen sollten (z. B. hochelektive arthroskopische Chirurgie), mit entsprechenden Strukturen im ambulanten Bereich als Partner kooperieren.
Aus Sicht der niedergelassenen und spezialisierten Unfallchirurgen muss allerdings zunächst die Frage beantwortet werden, ob eine engere Kooperation bzw. Integration in die Struktur der Traumanetzwerke sinnvoll und nachhaltig sowie auch wünschenswert ist.
Abb. 1: Chart „Ziel Pilotprojekt“
Die dabei zweifelsohne entstehenden Fragen sind zu diskutieren:
- Wollen das die niedergelassenen Unfallchirurgen überhaupt?
- Ergeben sich aus einer solchen Konstellation möglicherweise mehr Verpflichtungen als Nutzen?
- Welche Voraussetzungen müssen bestehen oder geschaffen werden?
- Welche Qualitätskriterien und Zertifizierungen sind nötig? (Vergleich der Inhalte der Zertifizierungen im TNW und entsprechende Anpassung an Qualitätsmerkmale der niedergelassenen Einrichtungen)
- Ist die Finanzierung adäquat abdeckbar?
- Fixierung der speziellen operativen Kernkompetenzen
Die Sinnhaftigkeit und Umsetzbarkeit einer solchen Integration der Niedergelassenen wird derzeit in einem Pilotprojekt getestet.
Projektpartner sind hierbei die:
– Universitätsklinik Leipzig, Klinik und Poliklinik für Orthopädie, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Direktor Prof. Dr. Ch. Josten
– Thonbergklinik MVZ Notfallzentrum Leipzig (Ärztlicher Leiter Dr.Jörg Hammer)
– unter dem Dach des Traumanetzwerkes Westsachsen.
Abb. 2: Chart „Lösungsansätze DGU-ANV“
Nach Evaluierung synergistischer Spezialkompetenzen im operativen Bereich (spezielle Hand- und Fußchirurgie) erfolgte die Beantragung als Pilotprojekt beim Arbeitskreis Umsetzung Traumanetzwerk (AKUT). Zusätzlich wurden vorhandene Strukturen hinsichtlich Personal (Fachärzte/Pflegepersonal), Qualifikationen (Zusatzqualifikationen, Advanced Trauma Life Support-Zertifikat (ATLS), etc.), apparativen Voraussetzungen (radiologische/sonographische Diagnostik), operativen Möglichkeiten, postoperativen Überwachungsmöglichkeiten, 24h-Versogung, Bettenkapazitäten, Integration in den Bereichsplan Rettungsdienst der Stadt Leipzig sowie Zertifizierung der Thonbergklinik (ISO 9001) geprüft und abgeglichen. Des Weiteren wurden die Behandlungsoptionen unter besonderer Beachtung der speziellen Fachkompetenzen benannt. Die Anbindung der Thonbergklinik an die Telekommunikation im Traumanetzwerk wurde initiiert, die Teilnahme an entsprechenden Fortbildungsveranstaltungen und Qualitätszirkeln findet bereits statt.
Abb. 3: Chart „Welche Begleitverletzungen?“
Eine Zertifizierung und vollwertige Integration ambulanter Einrichtungen in die Traumanetzwerke ist nach Mitteilung der AKUT nicht vorgesehen. Derzeit sondieren wir Möglichkeiten, wie Kooperationen zwischen lokalem Traumanetzwerk und geeigneten ambulanten Einrichtungen („sekundäre Traumazentren“) gestaltet werden können und welche Voraussetzungen hierfür geschaffen werden sollten. Über die Erfahrungen und Ergebnisse wird zu einem späteren Zeitpunkt zu berichten sein.
Literatur
[1] Weißbuch Schwerverletzten-Versorgung. Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (Hrsg.), September 2006
[3] Weißbuch Schwerverletzten-Versorgung. 2. Auflage. Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (Hrsg.), 2012
Autoren des Artikels
Dr. med. Falko Patzsch
Thonbergklinik MVZ NotfallzentrumRiebeckstr. 6504317LeipzigDr. med. Johannes Fakler
Universitätsklinikum Leipzig AöRZentrum für Orthopädie und UnfallchirurgieLiebigstr. 2004103LeipzigProf. Dr. med. habil. Christoph Josten
Geschäftsführender KliniksdirektorUniversitätsklinikum LeipzigKlinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Plastische ChirurgieWeitere Artikel zum Thema
05.10.2020 Orthopädie/Unfallchirurgie
Reform der Notfallversorgung: eine Gleichung mit vielen Unbekannten
Die deutschen Notfallaufnahmen arbeiten am Limit. Doch den Corona-Stresstest haben sie erfolgeich bestanden. Was braucht es, um die Leistungsfähigkeit der Notfallversorgung zu erhalten?
01.09.2020 Orthopädie/Unfallchirurgie
Indikationen zur Kirschnerdrahtosteosynthese bei Frakturen der Hand
Die Hand ist unter biomechanischen Gesichtspunkten das komplexeste „Werkzeug“ unseres Körpers: die an den Fingern ausgeprägte haptische Sensibilität gepaart mit einer enormen Beweglichkeit und Kraft bedingen vielfältige Greif- und Haltefunktionen sowie extrem schnelle präzise Bewegungsabfolgen (z. B. Klavierspielen). Aufgrund des enormen Tastsinns ermöglicht sie blinden Menschen zu lesen und die Umwelt haptisch wahrzunehmen und in gewissem Ausmaß zu erkennen.
01.09.2020 Orthopädie/Unfallchirurgie
CME-Artikel: Das femoroacetabuläre Impingement (FAI) als relevante Differential-diagnose zur Leistenhernie
Die Ursachen von Leistenschmerz sind vielfältig. Differentialdiagnostisch gilt es vor allem, die Leistenhernie, aber auch Erkrankungen des Hüftgelenkes wie das femoroacetabuläre Impingement (FAI) auszuschließen. Darüber hinaus gilt es, muskulotendinöse und vertebragene Schmerzursachen zu berücksichtigen. Das bereits vor mehr als 15 Jahren von der Berner Arbeitsgruppe um Prof. Reinhold Ganz erstmals beschriebene femoroacetabuläre Impingement (FAI) als Ursache von akutem und chronischem Leistenscherz findet erst langsam Eingang in den klinischen Alltag. Pathomechanisch gekennzeichnet durch eine funktionelle Enge zwischen Schenkelhals und Pfannenrand stellt das FAI unbehandelt eine relevante mechanisch bedingte Präarthrose dar und gilt zunehmend als entscheidende Differentialdiagnose zur „klassischen“ Leistenhernie oder der „weichen“ Leiste beim Sportler.
28.08.2020 Niederlassung
Zweitmeinung vor elektiver Schulterarthroskopie
Der Vizepräsident des BDC, Dr. Peter Kalbe, gibt Auskunft über die Ausweitung der Richtlinie zum Zweitmeinungsverfahren [1] auf die elektive Schulterarthroskopie des G-BA.
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.