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Wenn man die gelebte Praxis der Überweisungen (der Autor überblickt zirka dreißig Jahre in Krankenhaus, Uni und Praxis) betrachtet, dann fehlt gefühlt in 20 bis 30 Prozent eine Fragestellung. Allerdings ist in den letzten Jahren eine deutliche Besserung zu spüren. Die Genauigkeit der Fragestellung lässt allerdings noch zu wünschen übrig. Problematisch sind pauschale Formulierungen, wie „Zustand nach“ oder nur eine ICD-Nummer, welche dann in der Dechiffrierung „einen nicht näher bezeichneten Zustand“ beschreibt. Die Befragung des Patienten hilft hier nicht regelhaft weiter, da dieser ja zum Radiologen kommt, weil ihn sein Chirurg geschickt hat. Inwieweit fehlende Informationen oder überhaupt das Interesse oder schicksalhaftes Fügen des Patienten eine Rolle spielen, soll hier nicht weiter betrachtet werden.

So kommt es häufig zu unscharfen Befundbeurteilungen des Radiologen, welche den Chirurgen erwartungsgemäß nicht zufrieden stellen. Je pauschaler die Fragestellung ist, umso pauschaler fällt die Antwort aus. Umgekehrt kann der Radiologe bei präziser Frage genauer auf die Interessen des Chirurgen eingehen und damit eine Voraussetzung für eine zutreffende und individualisierende Behandlung des Patienten schaffen. Hierbei unterstützen uns methodische Gesichtspunkte, die Entwicklung der modernen Radiologie sowie Qualitätsvorgaben der Bundesärztekammer und Abrechnungsvorgaben der KBV.

Selbstkritisch soll hier auch die vorhandene radiologische Tendenz, sich möglichst bedeckt und sicher zu halten und dadurch unscharfe Formulierungen abzuliefern, eingeräumt werden.

Auch der Radiologie muss „sich zu etwas entscheiden“, wohl wissend dass auch dem Überweiser gewisse Wahrscheinlichkeitsunsicherheiten bewusst sind.

Der Radiologe benötigt auch genauere Angaben zu den Begleitumständen einer Erkrankung, zum Beispiel die Art und Weise einer Operation und deren Ausmaß, damit er nicht ausführlich Veränderungen beschreibt, welche dem Chirurgen in Kenntnis seines operativen Vorgehens von vornherein bekannt sind. Bei der arthroskopischen Operation eines Meniskus ist es wichtig zu wissen, wie weit eine Meniskektomie ging bzw. welches Ausmaß die Teilresektion hatte. Dies vermeidet Missverständnisse in der Beurteilung der vom Radiologen gefundenen Meniskusveränderungen posttherapeutisch.

Die Gabe eines Kontrastmittels zur Untersuchung, die häufig von den Überweisern primär und ohne einen Bezug zur Fragestellung als Qualitätskriterium angenommen wird, ist diffizil. Erkenntnisse und Diskussionen über Kontrastmittelspätschäden im Sinne der Nephropathie sowie von Gadoliniumablagerungen im Gehirn nach Gabe von MRT-Kontrastmittel sind allgegenwärtig. Diese Diskussion hat einerseits zu einer gewissen Zurückhaltung der Radiologen bei der Indikationsstellung zur Kontrastmitteluntersuchung geführt, andererseits aber auch zu einer Verunsicherung der Patienten, welche zunehmend eine Kontrastmittelgabe ablehnen.

Als Beispiel sei hier die häufig gewünschte Kontrastmittelgabe bei einer MRT bei Zustand nach Bandscheibenoperation im Bereich der Wirbelsäule genannt.

Es ist heute sehr sicher erwiesen, dass in einem Abstand von über einem Jahr eine Kontrastmittelgabe in diesem Fall keine zusätzlichen Informationen, zum Beispiel zu einer Differenzierung zwischen Narbengewebe und Bandscheibengewebe mehr zulässt. Andererseits ist es schwierig, die Floridität von Prozessen, zum Beispiel von entzündlichen Veränderungen, zu beschreiben, wenn der Patient eine Kontrastmittelgabe (möglicherweise aus guten Gründen) ablehnt. Hier können die Chirurgen davon ausgehen, dass die Radiologen zum einen indikationsgerecht im Hinblick auf die ihnen bekannte Fragestellung, als auch in Anbetracht des Risikos einer Patientenschädigung zum anderen verantwortungsbewusst mit der Kontrastmittelgabe umgehen.

Auch der Radiologe macht sich aus seiner Sicht Gedanken, wie es zu diesen „Überweisungsdefiziten“ kommen kann. Die Überlegungen sind durchaus kollegialen Charakters.

Wir stellen uns folgendes Szenario beim Chirurgen vor: die Schwester an der Anmeldung füllt auf Zuruf des behandelnden Chirurgen den Überweisungsschein zum Radiologen aus. Dessen umfängliche Untersuchungen werden dann schon etwas finden. Dies führt zu oben genannten Ungenauigkeiten. Für den Überweisungsschein wird praktischerweise aus dem PC die ICD-Klassifikation übernommen, eine Praxis, die im GKV-Bereich nicht statthaft ist. Es muss eine verbal ausformulierte Fragestellung bzw. Überweisungsdiagnose mitgeteilt werden.

Die Beschreibungen der ICD sind oft sehr unbestimmt. Aufwändig ist es sicher für die chirurgischen Kollegen jeweils Kopien des Op-Berichtes anzufertigen oder beizulegen, falls ihm diese überhaupt bereits vom Krankenhaus übersandt wurden.

Apropos Aufnahmen. Radiologen versuchen mehrheitlich, jedem Patienten eine Untersuchungs-CD mit seinem jeweils aktuellen Untersuchungsstand zu übermitteln. Dies allerdings nicht ohne den dazu gehörigen Befund. Wir sind bestrebt, allen Patienten (das geht aus technischen und Aufwandsgründen nicht immer unmittelbar nach der Untersuchung) eine CD zu übermitteln, die der Chirurg dem Patienten nach Einsichtnahme wieder aushändigen sollte. Die CD soll beim Patienten verbleiben, so dass dieser bei häufig unterschiedlichen Arztvorstellungen über seine Bilder (und im Idealfall auch seine Befunde) verfügen kann. So können Zeitverzögerungen und Nachfragen bzw. Suche beim Radiologen und beim Überweiser vermieden werden.

Das Thema Aufnahmenübermittlung ist auch ein atmosphärisches Thema. Es gibt immer noch eine erkleckliche Anzahl von Überweisungen in dem der überweisende Chirurg schreibt (manchmal ohne Fragestellung), dem Patienten seien bitte die Aufnahmen auszuhändigen. Damit lässt er den Radiologen schon wissen, dass er an seinem Befund weniger oder gar nicht interessiert ist (auch wenn es in seiner Weiterbildungsordnung nicht fixiert ist) und er den Befund selber an Hand der radiologischen Bilder erkennen will. Diese Fähigkeit ist in den Ergebnissen der Qualitätsüberprüfungen nach Bundesmantelvertrag in keiner Weise dokumentiert.

Als Beispiel sei hier die Knochendiagnostik bzw. das Röntgen des Skelettes genannt. Hier gibt es eine Vielzahl von Erkrankungen über die traumatische Läsion hinaus, wie zum Beispiel Degeneration, entzündliche Veränderungen, Osteonekrosen, Stoffwechselerkrankungen und Tumorerkrankungen.

Liebe Chirurgen, seien Sie so nett, die radiologische Dualität von Bildern und Befund zu akzeptieren. Dass die Bilder notwendig für invasive Eingriffe usw. sind, wird von den Radiologen überhaupt nicht in Frage gestellt. Aber häufig ist auch der Befund (wenn er nicht die üblichen radiologischen Ungenauigkeiten enthält) das Entscheidendere im Vergleich zu den Bildern.

Zusammenfassend wünscht sich der Radiologe eine möglichst konkrete Fragestellung und eine knappe, diesbezügliche Anamnese sowie die Information über den Umfang und die Art operativer Eingriffe. Bitte vermeiden Sie ICD-Klassifikationen an Stelle einer Fragestellung. Lassen Sie den Radiologen etwas Zeit, den Befund zu erstellen, da hier auch Genauigkeit vor Schnelligkeit gehen sollte. In der Regel hat die Frage nach einem Sofortbefund bei degenerativen Veränderungen bei älteren Patienten keine inhaltlichen Gründe. Sehen Sie die Radiologen als klinischen Partner und nicht nur als Fotografen.

Wenn Sie sich kollegial und auch freundlich einige dieser Gedanken zu Eigen machen, wird es den Radiologen auch zunehmend schwer, unscharfe, ungenaue oder sich verzettelnde Befunde zu erstellen.

Für die Wahl der geeigneten Untersuchungsmethode aus dem umfangreichen radiologischen Untersuchungsspektrum ist allein der Radiologe verantwortlich.

Für Untersuchungen mit Anwendung von Röntgenstrahlen gilt die höhere Gesetzlichkeit der Röntgenverordnung, welche zwar vom Namen her eine Verordnung ist, aber den juristischen Status eines Strafgesetzes hat. Damit steht in der gesetzlichen Hierarchie die Röntgenverordnung auch über dem KV-Recht, was die KV jedoch nicht in ihren Sanktionsmöglichkeiten gegenüber den Radiologen beschränkt, wenn er sich aus guten Gründen nicht an die vorgegebenen Auftragskategorien hält.

Zu guter Letzt seien Sie versichert, die Vergütung befindet sich aktuell auf einem Niveau, welches die Radiologen nicht in Verdacht geraten lässt, Entscheidungen unter pekuniären Gesichtspunkten zu treffen.

Bitte bleiben Sie uns gewogen.

Beispiel

Wenn die Fragestellung „Lebererkrankung – MRT des Abdomens“ lautet, ist natürlich das gesamte Abdomen methodisch und befundtechnisch zu erfassen und zu beschreiben. Falls jedoch eine differenzierte Aussage zu Leberveränderungen gefragt ist, wird der Radiologe den Oberbauch unter besonderer Berücksichtigung der Leber mit hochauflösenden, dynamischen Sequenzen unter Perfusion eines leberspezifischen Kontrastmittels untersuchen und entsprechend differenziertere Aussagen zu Leberherden machen. Dies gilt für alle Überweisungen, welche entweder im Sinne eines „diagnostischen Streuschusses“ formuliert sind oder mit einer gezielten Fragestellung.

Wujciak D. Die Überweisung – was wünschen sich die Radiologen? Passion Chirurgie. 2017 September; 7(09): Artikel 04_05.

Autor des Artikels

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Dr. med. Detlef Wujciak

1. Vorsitzender des Berufsverbandes der Dt. RadiologenRadiologische GemeinschaftspraxisNiemeyerstr. 2306110Halle kontaktieren

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