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The Past

Was hat die beiden Chirurgen Wolfgang Müller-Osten und Karl Hempel bewegt, im Jahr 1985 für den Berufsverband der Deutschen Chirurgen (BDC) eine Akademie zu gründen? Es war die Vision einer überregionalen Einrichtung, die für die klinisch tätigen Chirurgen aktuelle und gleichzeitig praxisnahe chirurgische Fort- und Weiterbildung anbietet. Die Vision ist bis heute geblieben, die Struktur und das Angebot der BDC|Akademie haben sich in den vergangenen 35 Jahren grundlegend geändert.

Jens Witte als erster Leiter der BDC|Akademie von 1987 bis 1994 begann das Programm mit einem mehrtägigen Seminar, welches als Repetitorium für die angehenden Fachärzte vor der Facharztprüfung konzipiert war – ein Klassiker, der immer noch angeboten wird und sich entsprechend der aktuellen Weiterbildungsordnung in die acht Säulen der Chirurgie gegliedert hat. 1994 übernahm Michael Betzler die Leitung der Akademie, ihm folgte von 2001 bis 2012 Joachim Jähne, der zusammen mit dem damaligen Geschäftsführer Jörg Ansorg nach Gründung der BDC Service GmbH das Programm der Akademie maßgeblich ausbaute und mit dem Aufbau einer E-Learning Plattform den Einstieg in die Online-Fortbildung entwickelte. 2018 folgte die Umbenennung in Deutsche Akademie für Chirurgische Fort- und Weiterbildung, begründet dadurch, dass die BDC|Akademie als einziger Anbieter mit allen chirurgischen Fachgesellschaften gemeinsam Seminare organisiert und durchführt.

Gegenwärtig umfasst das Programm der Akademie 170 Seminare, Workshops, Hospitationen und Webinare. Mit 235 Veranstaltungstagen und 4.816 Teilnehmern im Jahr 2019 ist die BDC|Akadmie einer der großen Anbieter auf dem deutschen Markt für chirurgische Fort-und Weiterbildung. Das bundesweite Akademieprogramm orientiert sich heute an der traditionellen chirurgischen Karriereleiter, von der studentischen Ausbildung des potenziellen Nachwuchs über die chirurgische Weiterbildung der FacharztanwärterInnen bis hin zur praxisorientierten Fortbildung für die klinisch und niedergelassen tätigen ChirurgenInnen.

Trotz dieser erfolgreichen Entwicklung sind sich alle Verantwortlichen des BDC darüber einig, dass ein grundsätzlicher gesellschaftlicher Wandel, die digitale Transformation sowie berufs- und gesundheitspolitische Vorgaben erheblichen Einfluss auf Fort- und Weiterbildung haben werden und sich das Aufgabenfeld und damit das Programm der BDC|Akademie in der nächsten Dekade deutlich verändern wird.

The Future

Für junge Kolleginnen und Kollegen auf dem Weg zum chirurgischen Facharzt ist die jeweils aktuelle Weiterbildungsordnung (WBO) der Landesärztekammern immer noch das Maß aller Dinge, um für die Facharztprüfung als letzten Schritt der Weiterbildung gut gerüstet zu sein. Für diese Zielgruppe ist somit die inhaltliche Gestaltung von Seminaren als Ergänzung zum ‚Training on the job‘ vorgegeben. Mit Novellierung der Musterweiterbildungsordnung (MWBO) der Bundesärztekammer auf dem Ärztetag in Erfurt 2018 wird sich die Struktur der WBO grundlegend ändern. Im Fokus steht nicht mehr der Operationskatalog mit zu absolvierenden OP-Zahlen in den verschiedenen Organentitäten, sondern der stufenweise Aufbau von fachlicher Kompetenz über „Kennen“, „Können“ bis „Beherrschen“. Der Common Trunk als zweijähriger gemeinsamer Einstieg aller chirurgischen Fachdisziplinen in die Weiterbildung fällt weg. Die neue MWBO wird somit eine Umstrukturierung und Neuausrichtung des Seminar-Portfolios der BDC|Akademie für Facharztanwärter in den nächsten Jahren notwendig machen.

Im Zentrum der Weiterbildung zur chirurgischen Kompetenz wird aber immer das im Fokus stehen, was im klinischen Alltag von den ChirurgenInnen gefordert wird. Bei den praktischen Fertigkeiten wird wohl die Vermittlung der chirurgischen Grundkenntnisse wie beispielsweise Knotenlehre, Instrumentenkunde oder anatomischen Zugangswege unverändert bleiben. Die zunehmende und unausweichliche Spezialisierung in der Chirurgie fordert aber auch in der Weiter- und Fortbildung ihren Tribut. Neben einem enormen theoretischen Wissenszuwachs in allen chirurgischen Disziplinen sind insbesondere durch die Einführung neuer Technologien wie der minimal-invasiven und roboter-gestützten Chirurgie die operative Komplexität bei einer Vielzahl bislang routinemäßig durchgeführter Prozeduren überproportional gestiegen und damit auch ihre Lernkurven prolongiert worden.

Für Einrichtungen wie die BDC|Akademie, die Fort- und Weiterbildung organisieren, hat dies zwei spürbare Konsequenzen. Zum einen sind Hospitationen mit Live-Demonstrationen von OP-Techniken gefragter denn je. Der Markt wird auf diesem Sektor gegenwärtig mit industriellen Angeboten und ihren klinischen Protagonisten geflutet. Zum anderen erfolgt die Verlegung der verlängerten Lernkurven vor die eigentliche Tätigkeit im OP in die verschiedenen Formen der Skills-Labs. Wie kürzlich in einem Beitrag formuliert, erfordert das zukünftige Erlernen von Schlüsselkompetenzen die Integration moderner Simulationstechnik [1]. Neben den klassischen Lernmodellen des humanen Körperspenders und des lebenden Tieres sind es insbesondere das „Virtual-reality“-3D-unterstützte Operieren an Simulatoren, welche eine Reproduzierbarkeit der Aufgabe und damit das motorische Lernen durch Wiederholung erlauben. Ob mit allen Modellen jedoch ein Transfer der in der Simulation erlernten Kompetenz auf die reale Operation möglich ist, wird gegenwärtig kritisch diskutiert. Voraussetzung ist, dass die zu erlernenden Inhalte genau definiert werden und die zeitliche und repetitive Simulationsexposition ausreichend ist. Auch in diesem Sektor hat und wird sich ein großer ökonomischer Markt entwickeln, der das Portfolio von Fort- und Weiterbildungsakademien erheblich beeinflusst.

Der enorme Wissenszuwachs in allen chirurgischen Disziplinen, arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen mit limitierten Arbeitsstunden, aber auch ein hoher Anspruch einer neuen Chirurgengeneration an die Work-Life Balance, machen ein effizientes Lernen und damit auch neue Lernmethoden zwingend notwendig. In einer kürzlich online publizierten Stellungnahme der DGCH zur digitalen Transformation in der Chirurgie [2] wird deshalb eine konsequente Nutzung der Digitalisierung in Edukation und Training gefordert. Gegenwärtig befinden sich Anbieter und Nutzer des digitalisierten Lernens in einem aktiven Prozess der Neuausrichtung und das aktuelle noch überschaubare digitale Angebot muss sich die Akzeptanz der Anwender insbesondere bei den älteren Jahrgängen noch mühsam erarbeiten. Ohne jede Frage wird aber dieser nicht mehr umkehrbare Prozess das Programm der BDC|Akademie in den nächsten Jahren erheblich beeinflussen und finanzielle Ressourcen des BDC binden. Die Akademie hat hier mit der Implementierung von thematisch klar strukturierten Webinar-Reihen, Blended-Learning-Programmen und Kursen in digitalen Skills-Labs den von Jörg Ansorg initiierten Einstieg erfolgreich ausgebaut. In 2020 wird die technisch vollständige Überarbeitung der bestehenden Online-Plattform folgen, die dann eine Vielzahl weiterer bereits in Planung befindlicher E-Learning-Projekte ermöglichen wird.

Eines steht aber auch fest: Mit diesen skizzierten Trends der Spezialisierung sind die Kosten für Fort- und Weiterbildung erheblich gestiegen und die Finanzierung einer BDC|Akademie mit einem solchen großen und veränderten Portfolio wie oben ausgeführt nicht einfacher geworden. Um es auf den Punkt zu bringen. Qualitativ hochwertige Fort- und Weiterbildung ist heutzutage mit Mitgliedsbeiträgen und Erlösen aus den Veranstaltungen allein nicht mehr zu finanzieren, sondern nur mit Unterstützung von industriellen Sponsoren möglich. Unter diesem Aspekt erscheint ein Wettbewerb unter den verschiedenen Anbietern der Fachgesellschaften und Berufsverbänden wie vor 10 Jahre von Joachim Jähne bereits mahnend dargestellt nicht sinnvoll [3], sondern die heutige Redundanz des Angebotes in zentralen Bereichen eher kontraproduktiv. Die Notwendigkeit der Kooperation ergibt sich auch aus der gesetzlich verankerten Pflicht zur zertifizierten Fortbildung (CME), die sich die Landesärztekammern teuer bezahlen lassen. Denn ein relevanter Teil des industriell eingeworbenen Sponsorings für Fort- und Weiterbildung wandert von den Akademien zu den Landesärztekammern, die dann noch die Zusammenarbeit mit der Industrie durch überbordende Compliance-Auflagen zusätzlich erschweren. Auch die BDC|Akademie weiß hier ihr Leid zu klagen.

Die BDC|Akademie ist für die anstehenden Veränderungen ihres Programms gut gerüstet und das aus zwei Gründen: Erstens hat die BDC|Akademie durch ihre Mitglieder ein umfassendes, großes Netzwerk und ist deshalb bei Fachgesellschaften, Verlagen und industriellen Sponsoren ein gefragter Partner. Bei diesen Kooperationen versteht sich die BDC|Akademie als organisatorische Plattform für qualitativ hochwertige Fort- und Weiterbildung. Auch unter diesem Aspekt ist die weitere Zusammenführung des BDC und der DGCH ein wichtiger strategischer Schritt und möglicher Wettbewerbsvorteil. Zweitens aber verfügt der BDC in seinen Reihen über eine große Zahl kreativer und motivierter ChirurgenInnen, die bereit sind, in wissenschaftlich unabhängige Fort- und Weiterbildung zu investieren. Sie sind das eigentliche Kapital der BDC|Akademie und ihnen gilt unser besonderer Dank zum aktuellen Jubiläum.

Literatur

[1] Willy C. Unfallchirurg 2019, 122:481

[2] H.J. Meyer und T. Schmitz-Rixen, www.bdc.de/25-thesen-zur-digitalisierung

[3] Jähne J, Der Chirurg BDC 2010, 4: 221-224

Schröder W: Die BDC|Akademie – The Past and the Future. Passion Chirurgie. 2019 März, 9(03): Artikel 07_01.

Autor des Artikels

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Prof. Dr. med. Wolfgang Schröder

Erweiterter Vorstand des BDC/der Deutschen Akademie für chirurgische Fort- und WeiterbildungLeitender OberarztKlinik für Allgemein-, Viszeral-, Tumor- und Transplantationschirurgie; Universitätsklinik KölnKerpener Str. 6250937Köln kontaktieren

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