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Es gibt eine Vielzahl an Zukunftsszenarien für die Entwicklung der Krankenhäuser. Doch es gibt ein paar Treiber, die bereits heute einen merklichen Einfluss nehmen und die uns einen groben Ausblick in die Zukunft geben.

In diesem Artikel möchte ich zwei der wichtigsten Entwicklungstreiber genauer betrachten. Zum einen den Treiber des Kostendrucks und somit auch der Effizienzsteigerung. Zum anderen ein Technologie- und Gesellschaftstreiber, der mitunter zu einer Verschiebung von einer reinen Behandlung von Krankheiten zu einer prädiktiven Medizin führt.

Der Kostentreiber

Der offensichtliche Treiber ist finanzieller Natur. Die Kosten im Gesundheitssystem steigen kontinuierlich an. Dies hat eine Vielzahl von Ursachen wie den demographischen Wandel oder den Fachkräftemangel. Grund dafür sind Fehlanreize im System und ein steigendes Angebot sowie die Forderung von Therapiemöglichkeiten. Die Digitalisierung, vor allem von umfänglichen Prozessen, ist ein schnelles und bei richtiger Umsetzung ein effizientes Mittel, den Trend zu entschleunigen. Gerade Krankenhäuser, das Rückgrat unseres Gesundheitssystems, sind von dieser Entwicklung besonders stark betroffen.

So kann man bereits jetzt den Wandel beobachten, dass immer mehr Krankenhäuser große Investitionen tätigen, um die Digitalisierung – vor allem mit dem Fokus Effizienz – voran zu treiben. Drei gut greifbare Beispiele sind der „Digitale Patientenempfang“, die „Optimierung des Patientenflusses“ sowie das „Geräte- und Bettenmanagement“.

Digitaler Patientenempfang

Ein aktuelles, typisches Beispiel für digitale Pilotprojekte in Krankenhäusern ist die Optimierung des Patientenempfangs. Dieser sorgt vor allem bei der Aufnahme der Patienten seitens der Krankenhäuser für einen großen verwaltungstechnischen Aufwand und nicht zuletzt bei Patienten und Angestellten für Frust. So muss das „gleiche Dokument“ gefühlt unzählige Male neu ausgefüllt werden. Gleichzeitig verbringen bspw. Patienten trotz geplanter Aufnahme oder bei kleineren Notfällen viel Zeit im Wartezimmer der Notaufnahme.

Der Ansatz, den schon mehrere Krankenhäuser verfolgen, orientiert sich an der Gewohnheit der Patienten. So ist es heute üblich online das Restaurant und Urlaube zu buchen, Artikel zu kaufen und sogar in wenigen Minuten Banküberweisungen zu tätigen. Verifiziert über Passwörter und biometrische Daten wie Gesichts- und Fingerabdruckerkennung statt Unterschrift – bequem vom Sofa aus. Warum also nicht einen Großteil des administrativen Aufwands an den Patienten auslagern und ihn digital, z. B. per App, bereits die Fragebögen zu persönlichen Daten und Allergien sowie Einverständniserklärungen ausfüllen lassen – dank der digitalen Patientenakte sollte dieser Schritt sogar komplett obsolet werden.

In der Schweiz gibt es bereits Apps von Krankenversicherern, in denen ein digitaler Arzt mit einem Patienten in Form eines Chatbots eine Anamnese durchführt, die Dringlichkeit einschätzt und Handlungsempfehlungen gibt. Im Zweifelsfall mit einer telefonischen Weiterleitung zu einem „echten“ Arzt, um mögliche Risiken klein zu halten. Solche Apps wurden inhaltlich von Ärzten entwickelt und verifiziert. So könnten in Zukunft Patienten schon vorher nach Dringlichkeit geplant und die Daten in Echtzeit verwendet werden um eine Prognose zu geben, wann er sich am Empfang melden kann, oder ihn bei zu langen Wartezeiten an ein anderes Krankenhaus zu verweisen – ganz so, wie er es von Navigationssystemen zur Routenplanung und Ankunftszeit seit Jahren gewohnt ist. Daher weiß er auch, dass die angegebene Zeit um ein paar Minuten schwanken kann.

Eine Möglichkeit ist sogar, dass der Patient sich selbst an einem Terminal mit seiner Krankenkassenkarte anmeldet. Eine Datenbank vergleicht die Anmeldung mit den bestehenden Terminen in der App und nimmt ihn automatisiert auf. Ähnliche Technologien werden in anderen Branchen schon seit Jahren verwendet. Durch die freiwillige Nutzung der App stimmt er der Weitergabe seiner Daten aktiv zu und das Krankenhaus ist dahingehend abgesichert. Die letzten Jahre zeigen, dass sich Nutzer bei Datenweitergaben, die ihnen einen direkten Vorteil bieten, gerne bereit sind, ihre Daten offen zu legen.

Optimierung des Patientenflusses

Eine weitere Möglichkeit ist, den Patientenaufenthalt zu verkürzen und gleichzeitig dem Patienten ein Gefühl von Aufmerksamkeit und Wertschätzung zu vermitteln. So können bei Routineeingriffen die Daten (zum Beispiel Alter, Geschlecht, Operationsart, Gewicht/BMI, OP-Verlauf, weitere relevante Krankheiten) vom Patienten nach seiner Freigabe anonymisiert erfasst und aus vielen solcher Daten ein Prädiktion (KI)-Modell entwickelt und trainiert werden.

Dies bietet sowohl für das Krankenhaus, wie auch für den Patienten mehrere Vorteile. Nach der OP kann der Patient auf Wunsch eine kurze Übersicht über den Verlauf des Eingriffes einsehen. Viele Patienten fühlen sich nach einem Eingriff sehr unsicher und erfahren meist erst am nächsten Tag in der Visite, ob alles gut gelaufen ist. Eine direkte Rückmeldung über einen positiven Verlauf des Eingriffes würde den Patienten ein beruhigendes Gefühl geben. Gleichzeitig können auf Grundlage der erfassten Daten Empfehlungen gegeben werden, wie der Heilungsprozess unterstützt werden kann. So können Ernährungs- und Ruhe- oder Bewegungsempfehlungen direkt aus Erfahrungswerten abgeleitet werden.

Auch worauf der Patient achten sollte, welche Medikamentenmenge er zu sich nimmt, kann ihm über dieses System leicht verständlich dargestellt werden. Das Besondere dabei: Aus den Daten und Erfahrungswerten kann die KI eine voraussichtliche Entlassung berechnen. Die Wahl der Handlungsempfehlungen kann den Aufenthalt im Krankenhaus (digital sichtbar) verkürzen oder, bei Nichtbefolgung, verlängern. Der Patient wird also durch das direkte Feedback animiert, den Heilungsprozess zu unterstützen. Niemand möchte länger als nötig im Krankenhaus liegen. Der behandelnde Arzt kann die Ergebnisse für seine Visite nutzen und die Behandlung im Zweifel anpassen und ergänzen. Das Krankenhaus hat eine bessere Möglichkeit, die Bettenbelegung zu kalkulieren, wird in den internen Abrechnungsprozessen transparenter und verkürzt die Aufenthaltsdauer seiner Patienten, was wiederum zu einer direkten Effizienzsteigerung führt. Und all dies ist möglich mit Daten, die zum Großteil bereits vorhanden sind und in die Mediasysteme eingebaut werden können. Bei all diesen Maßnahmen sollte der persönliche Kontakt zum Patienten jedoch nicht vernachlässigt werden.

Geräte und Bettenmanagement

Analysen zeigen, dass Geräte und Betten in Krankenhäusern nicht optimal verteilt und deswegen unnötig oft vorhanden sind. Und obwohl mehr Geräte verfügbar sind als notwendig, findet das Personal bei Bedarf unter Umständen keins. Bei teurer Technologie wie Ultraschall- oder Dialysegeräten ist dies eine kostspielige Angelegenheit. Optimiert werden kann dies beispielsweise, indem die entsprechenden Geräte oder Betten getrackt werden. Anfangs werden aus dem Tracking Daten Heat Maps erstellt, also Karten, aus denen ersichtlich wird, wo welche Geräte besonders häufig stehen und wo sie benötigt werden. Anschließend kann dem Ärzte- und Pflegepersonal eine Rückmeldung gegeben werden, wo sie das Gerät abstellen sollten und wo sie es bei Bedarf finden; in beiden Fällen mit deutlich verkürzten Laufwegen. Diese Lösung wird bereits von einzelnen Herstellern angeboten und ist bereits im Einsatz.

Der Technologie- und Gesellschaftstreiber

Den größten Wandel unserer Zeit löst wohl die Flut an neuen Technologien aus. Sowohl Messverfahren, Sensoren, aber vor allem die neue Nutzung von Daten und deren Bearbeitung mit Analytik sowie künstlicher Intelligenz sorgen in Zukunft auch im Klinikbereich für umfangreiche Veränderungen. Die Beispiele dafür sind unzählig, jedoch drei davon sind bereits heute zu spüren.

Wearables

Die Genauigkeit von Sensoren in den Alltagsgegenständen führen zu einer Vielzahl von neuen Möglichkeiten der Eigendiagnose. So können seit einigen Jahren Handys und Wearables durch die Verwendung grüner LEDs und Photodioden den Puls und die Sauerstoffsättigung messen, da Oxyhämoglobin das Licht anders absorbiert, als das Desoxyhämoglobin. Die Entwicklung zur Messung von Hypertonie und Herzrhythmusstörungen zeigt die Richtung der Zukunft deutlich. Alleine mit den in den Smartphones verbauten Sensoren können eine Vielzahl an Untersuchungen durchgeführt werden, dargestellt in Abbildung 2.

So kann das Mikrofon benutzt werden, um die Lungenfunktion zu überprüfen, indem Nebengeräusche mithilfe künstlicher Intelligenz analysiert und zugeordnet werden. Es gibt Anwendungen, bei denen mit der Kamera Krankheiten wie Gelbsucht, Gehirnerschütterung und Krebserkrankungen automatisch erkannt werden. Sogar Osteoporose kann mithilfe von Beschleunigungssensoren diagnostiziert werden. In den bereits verfügbaren Geräten schlummern also eine Vielzahl von Analysemöglichkeiten und wir werden noch von vielen Entwicklungen überrascht sein. Dies wird das Krankenhaus grundlegend verändern, aber auch völlig neue Möglichkeiten schaffen. So können viele Patienten in Zukunft mit ihren Smartphones oder Wearables mit Anleitung wichtige Daten für die Diagnose sammeln. Diese können anschließend dem digitalen Krankenhaus zur Verfügung gestellt werden. Wo zusätzliche Vor-Ort-Untersuchungen nötig sind, wird der Patient von dem Arzt eingeladen. Bei eindeutigen Fällen kann allerdings eine Ferndiagnose reichen. Dies bietet vor allem für ländliche oder ärmere Gebiete im In- und Ausland eine Chance zur flächendeckenden Gesundheitsversorgung.

Abb. 1: Beispiel einer zukünftigen Patient Journey. Die Behandlung im Krankenhaus steht dabei noch immer im Zentrum, wird aber von vielen digitalen Services ergänzt und erweitert

Abb.2: Bereits heute gibt es eine Vielzahl an Apps und Software, die vorhandene Sensoren für eine Vordiagnose nutzen. Häufig liegt die Genauigkeit dabei im Bereich von 80-90 %

Daten als neue finanzielle Chance

Die Wichtigkeit von guten Datenmodellen wird künftig steigen. Die vom Patienten innerhalb und außerhalb des Krankenhauses gesammelten Daten müssen (zum Teil anonymisiert) analysiert werden, um Diagnosen künftig zu verbessern. Krankenhäuser, die den Wert der Daten für die Verbesserung der Versorgung und dem Wohlbefinden der Patienten wertschöpfend nutzen, werden einen großen Wettbewerbsvorteil haben. In einer Zeit, wo Patienten sich die Krankenhäuser selbst aussuchen und einfach online bewerten können, ist dieser unter Umständen überlebensnotwendig.

Digitale Optimierung mit Erkenntnissen aus der Forschung

Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen unabhängig voneinander: Eine natürliche, grüne Landschaft kann den Genesungsprozess eines Patienten deutlich beschleunigen. Verschiedene Studien belegen, dass das Erscheinungsbild eins Krankenhauses die Zeit bis zur Genesung und den Bedarf an Schmerztabletten positiv beeinflussen. So zeigte 1984 schon Roger S. Ulirich, dass die Sicht auf eine grüne Landschaft bei Patienten signifikante Unterschiede bei Genesung, Medikamentenbedarf und Wohlfühlfaktor zur Folge hatte. Künftig ist es gut vorstellbar, diese Effekte auch in Städten ohne grüne Umgebung zu entfalten. Organische Halbleiter, besser bekannt als OLED-Displays, können sich bereits jetzt als (fast) durchsichtiges Fenster tarnen, als Solarzelle Energie gewinnen und gleichzeitig auf Wunsch als hochauflösendes Display dienen. Auf diesem könnten dann statt der Großstadt Wälder oder Wiesen angezeigt werden. Diese werden von den Patienten als so real wahrgenommen, dass sie vergessen, dass diese Aussicht eigentlich nicht vorhanden ist.

Ergänzt werden kann dies durch digitale Avatare, die zum Beispiel Kinder oder Patienten zu der nächsten Untersuchung begleiten, sich mit ihnen beschäftigen und sie beruhigen. Alles dargestellt über Augmented Reality-Brillen, also in die Realität eingefügt. Im Januar 2020 hat Samsungs Tochter NEON auf der CES in Las Vegas gezeigt, wie real Avatare bereits jetzt sind, mit eigenen Charakteren, Fachwissen und echter Reaktion auf äußere Einflüsse wie bspw. Fragen.

Solche Avatare können natürlich nicht die Belegschaft ersetzen oder gar alle Aufgaben übernehmen, jedoch kann der gezielte Einsatz den Mangel an Personal auffangen und das Wohlbefinden des Patienten erhöhen. Auch wenn wir uns heute mit der Vorstellung schwertun, dass Avatare Wertschätzung vermitteln können, so wird der Einsatz dieser in einigen Jahren zu unserem Alltag gehören. Hätte man Ende der 90er den Menschen erzählt, dass 20 Jahre später ein kleiner Computer nur mit Display in der Hosentasche ein fester Bestandteil im Leben der meisten Menschen ist, wäre man vermutlich belächelt worden.

Fazit

Der starke Einzug der Digitalisierung bietet unserem Gesundheitssystem die Chance neues Potential zu nutzen. Viele Technologien können schon jetzt einen deutlichen Vorteil liefern, andere sind dagegen noch in weiter Zukunft. Vor allem am Beispiel Krankenhaus zeigt sich, dass vermutlich künftig Diagnosen und Anmeldungen zum Teil vom Patienten zu Hause durchgeführt werden. Die Frage ist nicht mehr, ob wir digitalisieren, sondern wie wir es tun. Daher sind Dialoge über den Einsatz der Technologien, insbesondere Sinnhaftigkeit, Schnittstellen und Sicherheit sehr wichtig. In diesen Dialogen sollten auch alle Beteiligten, egal ob Klinik, Patientenvertreter, Pflegepersonal und Ärzte eingebunden werden. Denn egal wie gut eine Technologie in Zukunft auch sein möge, wenn sie von Anwender oder Empfänger nicht akzeptiert wird, kann sie niemals erfolgreich sein.

Über Pascal Frank

Pascal Frank studierte Physik mit dem Schwerpunkt MR-Forschung an der Universität Würzburg in Kooperation mit dem EZRT. 2017 machte er seinen Bachelor in einer Untersuchung für diverse MR-Verfahren zur Fett-Wasser Bildgebung.

2018 schloss er seinen Master of Science of Physics ab. In diesem beschäftigte er sich mit der TrueFisp-Sequenz zur in-vivo Bestimmung von Myelin mit dem Ziel einer Prediagnostik von MS.

Seit Ende 2018 arbeitet er bei der Detecon (Schweiz) AG, einer der führenden Digitalisierungsberatungen und ein Tochterunternehmen der T-Systems, in Zürich als Consultant mit dem Schwerpunkt Digitalisierung im Gesundheitswesen.

Frank P: Das virtuelle Krankenhaus – Ein Ausblick in die Zukunft. Passion Chirurgie. 2020 April, 10(04): Artikel 07.

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