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Editorial: Plastische Chirurgie ist Vielfalt!

So begrüße ich es sehr, dass der Berufsverband der Deutschen Chirurgen ein Schwerpunktheft ermöglicht, in dem wir einen Teil des vielfältigen und breiten Leistungsspektrums der Plastischen und Ästhetischen Chirurgie darstellen können.

Die Plastische Chirurgie deckt ein weites chirurgisches Betätigungsfeld von der Körperformung nach metabolischer Chirurgie, über die Eigengewebsrekonstruktion z. B. der weiblichen Brust, die Verbrennungsintensivmedizin und Rekonstruktion bis hin zur Hand- und Ästhetischen Chirurgie ab: Ein faszinierendes Arbeitsgebiet mit hohen Anforderungen an das technische Können, Erfahrung und an infrastrukturelle Voraussetzungen.

Während große plastisch-rekonstruktive Eingriffe ebenso wie die Verbrennungsmedizin aufgrund der Strukturvoraussetzungen vorwiegend an große Zentren gebunden sind, werden Spezialeingriffe der kleinen bis mittleren Schwierigkeitsgrade auch in Praxen, Belegkliniken oder konsiliarisch für andere Fachabteilungen durchgeführt. Somit ist das Arbeitsgebiet des Plastischen Chirurgen vielfältig und findet sich in zahlreichen Versorgungsstrukturen wieder. Mit dem Potential einer effizienten Wiederherstellung von sichtbarer Form und Funktion nach Unfällen, bei Therapiefolgen und angeborenen Fehlbildungen erweist sich die Plastische Chirurgie heute als ein integraler Bestandteil moderner chirurgischer Kompetenzzentren und Versorgungsstrukturen.

Die Attraktivität des Fachgebietes ist für den chirurgischen Nachwuchs hoch und weiterhin ungebrochen, was einerseits sicherlich mit dem breiten Behandlungsspektrum und andererseits mit den vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten der Berufsausübung von der Kliniktätigkeit bis hin zur Niederlassung zusammenhängt.

Um aber adäquate Leistungen erbringen zu können, bedarf es einer strukturierten Weiterbildung, die von unserem Nachwuchs im Fachgebiet seit Jahren eingefordert und konstruktiv mitgestaltet wird. Insofern freue ich mich, dass in diesem Heft nicht nur Beiträge zu den großen plastisch-chirurgischen Schwerpunktbereichen dargestellt werden, sondern auch eine Arbeit zur Weiterbildung in der Mikrochirurgie.

Die Plastische Chirurgie weist als interdisziplinäres Querschnittsfach nicht nur zahlreiche Berührungspunkte mit anderen chirurgischen Fachgebieten auf, sondern stößt nicht selten an Grenzen der im Sozialgesetzbuch vorgesehenen Leistungserstattungen, wobei der Krankheitswert körperwidriger Folgezustände nach Unfällen oder Operationen nur einen Aspekt darstellt. Problematischer ist die Abgrenzung bei elektiven formverbessernden Operationen mit Krankheitswert von Eingriffen zur reinen Wunscherfüllung durch ästhetische Eingriffe, da bei letzterer Indikation eine Umsatzsteuerpflicht ärztlicher Leistungen gegeben ist. Dieses intensiv diskutierte Thema entzündet sich immer wieder an unklaren Definitionen und bedarf daher einer eindeutigen ärztlichen und juristischen Auslegung, um Rechtssicherheit zu erlangen. Diese betrifft aber nicht nur die steuerlichen Fragen, sondern auch solche zur Begrifflichkeit des Krankheitswertes. Hier besteht große Verunsicherung nicht nur bei den ärztlichen Kollegen, sondern auch bei Patienten. Zu diesem Diskussionspunkt haben Vertreter der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgie intensive Arbeit geleistet, deren Ergebnisse und Empfehlungen hier abgedruckt werden.

Die Vielfalt der Plastischen Chirurgie als interdisziplinäres Querschnittsfachgebiet ist nicht denkbar ohne eine stetige Anpassung an die aktuellen Herausforderungen im Sinne einer bestmöglichen Patientenversorgung. Insofern wirft dieses Heft einige Schlaglichter auf unser facettenreiches Fachgebiet.

Ich danke allen Kollegen für ihr Engagement bei der Erstellung der Beiträge für dieses Heft und wünsche allen Lesern dabei eine interessante Lektüre.

Vogt P. M. Editorial: Plastische Chirurgie ist Vielfalt!. Passion Chirurgie. 2014 Juli; 4(07): Artikel 01.

Plastische und Ästhetische Chirurgie im demographischen Wandel

Die massive Verschiebung in der Alterspyramide der Bundesrepublik Deutschland, wird in unserem Land, ähnlich wie im übrigen Europa, zu einer Abnahme der Bevölkerungszahl mit gleichzeitig deutlicher Zunahme der älteren Bevölkerung führen. Selbst wenn es über regionale Unterschiede nicht überall zu diesem Effekt kommt, wird sich doch als Nettoeffekt eine überproportionale Vermehrung der älteren Menschen manifestieren. Meistens orientiert sich die Eingrenzung an der beruflichen Altersgrenze von rund 65 Jahren. Dieser Beitrag widmet sich daher vorrangig dieser Patientengruppe.

Die Ursachen des demographischen Wandels sind offenkundig:

  • niedrige Geburtenrate
  • Zunahme der Lebenserwartung
  • Regionale Veränderungen durch Wegzug junger Mensch bei Verbleiben älterer Menschen (insbesondere Ostdeutschland)
  • Positiver Wanderungseffekt mobiler älterer Menschen mit hoher Vitalität auch im fortgeschrittenen Alter, z. B. in Metropolen

Trotz der zu erwartenden Anstiege in den älteren Bevölkerungsgruppen dank der verbesserten Lebensbedingungen ist parallel mit einer Zunahme altersassoziierter Erkrankungen zu rechnen. Dies betrifft nicht nur Krebserkrankungen, kardiovaskuläre Erkrankungen, Osteoporose, sondern auch Demenzerkrankungen. Auch ist mit multimorbiden Patienten in vermehrter Anzahl zu rechnen, sodass sowohl im stationären als auch ambulanten Bereich eine Zunahme der Behandlungsnotwendigkeiten erwartet wird.

Demographie und Plastische Chirurgie

Während die demographischen Veränderungsprozesse hohe infrastrukturelle Anforderungen an die gesamte medizinische Versorgung in der Breite stellen, ergeben sich für das Fachgebiet der Plastischen und Ästhetischen Chirurgie vor allem Herausforderungen hinsichtlich der Erkrankungsschwere und der altersassoziierten Begleiterkrankungen.

Betrachtet man die zu erwartende Entwicklung der Belegungstage im Krankenhaus, muss man bei den über 65-jährigen Patienten mit einer Verdopplung der Behandlungstage für bösartige Neubildung rechnen, etwas geringer für die Krankheiten des Nervensystems und der Sinnesorgane sowie Krankheiten der Haut und des Unterhautzellgewebes neben Verletzungen und Vergiftungen.

Für die Ästhetische Chirurgie ergeben Umfragestatistiken, dass lediglich 9,2 Prozent der Operierten 61 Jahre und älter sind, während sich die Mehrheit der Patienten, die sich einem solchen Eingriff unterziehen, jünger als 50 Jahre sind.

Insoweit lässt sich für das Fachgebiet der Plastischen und Ästhetischen Chirurgie folgende Voraussage treffen:

Eine moderate Zunahme bei elektiven ästhetischen Eingriffen, insbesondere der sogenannten „wunscherfüllenden Chirurgie“, die bei älteren Menschen ohnehin nur weniger als ein Viertel der insgesamt durchgeführten Eingriffe umfasst.

Bei Erkrankungen mit therapiebedürftigem medizinischem Krankheitswert ist dagegen mit einer Zunahme entsprechender Erkrankungen, die das Fachgebiet der Plastischen Chirurgie betreffen, zu rechnen. Dies betrifft Malignome, die nach einer Primär- und Multimodalbehandlung einer plastischen Wiederherstellung bedürfen (Hauttumore, Therapiefolgen solider Organtumore, Strahlenulzerationen und Resthöhlen). Daneben sind vermehrt Folgebehandlungen bei Gefäßerkrankungen (venöse und arterielle Ulzerationen), Verletzungen wie Verbrennungen und Durchliegegeschwüre bei pflegebedürftigen alten Patienten zu erwarten.

Indikationsstellung und Risikomanagment

Für die Wahl entsprechender Operationsverfahren, die gerade in der Plastischen Chirurgie hohe Komplexität erreichen können, – ein Beispiel hierfür ist die mikrovaskuläre rekonstruktive Chirurgie – sind die erwarteten statistischen Überlebenszeiten betagter Patienten verstärkt zu berücksichtigen. Daher bedürfen diese Patienten einer sorgfältiger indikatorischen Abklärung, unter Berücksichtigung der Belastungen im höheren Lebensalter. Die assoziierte Komorbidität erfordert ein besonderes Risikomanagement. In vielen Fällen handelt es sich um elektive Eingriffe zur Verbesserung der Lebensqualität oder Verbesserung der pflegerischen Situation.

Leider ist in den höheren Altersgruppen bei Verbrennungen mit einem drastisch Abfall der Überlebenswahrscheinlichkeit der über 60-Jährigen zu rechnen, sodass ein besonderes Augenmerk in der Prävention von Verbrühungen und Verbrennungen bei älteren Menschen erforderlich ist.

Bei betagten Patienten in der Plastischen Chirurgie ist ein sorgfältiges Risk-assessment erforderlich, um Patienten ab der ASA-Stufe 3, die schwere Allgemeinerkrankungen, wie z. B. koronare Herzerkrankungen aufweisen, durch operative Eingriffe nicht zu gefährden. Die Altersstatistik der eigenen Klinik, die ein Maximalversorgungsspektrum im universitären Kontext bietet, zeigt, dass die über 65-Jährigen Patienten bereits ein Viertel des Patientenaufkommens ausmachen. Eigene Untersuchungen zur Morbidität und Mortalität bei komplexen aufwändigen mikrovaskulären Rekonstruktionen bei Patienten mit über 70 Jahren zeigen, dass in über 40 Prozent der Fälle periphere arterielle Verschlusskrankheiten vorhanden waren, in knapp 20 Prozent ein Diabetes mellitus und in 50 Prozent Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Malignome. Diese Erkrankungsprävalenz war statistisch signifikant häufiger als bei den darunter liegenden Altersgruppen anzutreffen. Die Operationsergebnisse zeigen in der Literatur für komplexe plastische Rekonstruktionen keine schlechteren Ergebnisse als bei jüngeren Patienten. Dies betrifft insbesondere die Verlustrate an freien Gewebetransplantationen, die keine Korrelationen mit Altersgruppen und Diagnosen zeigte. Demnach ergeben sich erhöhte Anforderungen an das perioperative Patientenmanagement, um die perioperative Mortalität, die in der Literatur zwischen 0 und 9,1 Prozent liegt, weiter zu reduzieren.

Fazit

Zusammenfassend stellt der Demographiewandel eine große Herausforderung auch für das Fachgebiet der Plastischen Chirurgie dar. Die Altersgruppe über 75 Jahre verzeichnet signifikant erhöhte postoperative Komplikationen, die sich vor allem im Bereich der Nebenerkrankungen und der Lebensalter assoziierten Morbidität abspielen. Die zu erwartenden höheren Risikogruppen gemäß der ASA-Klassifikation bedürfen eines konsequenten Risiko- und Komplikationsmanagements. Nach aktuellem wissenschaftlichen Stand ergibt sich jedoch keine signifikante Risikoerhöhung bei fehlenden medizinischen Komorbiditäten. Damit sollte der alte Mensch bei fehlenden Nebenerkrankungen nicht von den Fortschritten der Plastisch-Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgie ausgenommen werden.

Literatur

[1] Herold C, Gohritz A, Meyer-Marcotty, M et al Is There an Association between
Comorbidities and the Outcome of Microvascular Free Tissue Transfer?
J Reconstr Microsurg 2011;27:127–132.

[2] Özka Ö, Özgentas E, Islamoglu K, et al, Experiences with microsurgical tissue transfers in elderly patients , Microcsurgery .2005, 25:390-395

[3] Osterkamp R, Bevökerungsentwicklong in Deutschland bis 2050- Demographische und ökonomische Konsequenzen für die Alterschirurgie. Chirurg, 2005, 76:10-18

[4] Protschka J, Längeres Leben, horrende Kosten? DÄB , 2011 108 Heft 37:1595

Vogt P. M. Plastische und Ästhetische Chirurgie im demografischen Wandel. Passion Chirurgie. 2012 Dezember; 2(12): Artikel 02_06.

Zukunftspläne – Referat Plastische Chirurgie

Qualitätssicherung und interdisziplinäre Kooperation stellen für mich als amtierenden Präsidenten der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen und Vertreter im BDC wichtige Arbeitsfelder der nächsten Jahre dar. Es ist mir ein besonderes Anliegen, unsere Erfahrungen und Stärken einzubringen, um die berufpolitische Zukunft der Chirurgen und der Chirurgie sichern zu helfen. Vor dem Hintergrund weiterhin knapper finanzieller Ressourcen werden weiter steigende Anforderungen an das Leistungsvermögen chirurgisch tätiger Kolleginnen und Kollegen in Ausbildung, Weiterbildung und Krankenversorgung gestellt werden. Die Plastische Chirurgie kann in diesem Kontext, bedingt durch ihre konzeptionelle Ausrichtung und das hochspezialisierte Können ihrer Mitglieder, wesentlich dazu beitragen, die interdisziplinäre Arbeit in Adipositas-, Gefäß, Wund- oder Tumorzentren qualitativ und fachlich zu bereichern. Eine Voraussetzung für eine zukünftige Qualitätsarbeit im interdisziplinären Kontext ist allerdings, dass Berufsverbände, ebenso wie Fachgesellschaften, an einem Strang ziehen und unisono die große Bedeutung der gesamten Chirurgie mit ihren Gebieten in unserem hoch entwickelten Gesundheitswesen klar herausstellen und vor allem ihre angemessene Finanzierung nachhaltig einfordern. Der BDC ist hierfür eine seit Jahrzehnten respektierte berufspolitische Plattform, der auch zukünftig die volle Unterstützung der Plastischen Chirurgen gilt.