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BDC|Webinar: S3-Leitlinie „Analgesie, Sedierung und Delirmanagement in der Intensivmedizin“

Seit September gibt es das neue Fortbildungsangebot des BDC kostenfrei für Mitglieder. Beim nächsten Webinar am 14. Dezember 2017 wird Prof. Dr. Christian Waydhas alles rund um die S3-Leitlinie: “Analgesie, Sedierung und Delirmanagement in der Intensivmedizin” erläutern und steht live für Fragen im Chat zur Verfügung.

Analgesie, Sedierung und Delirmanagement sind nicht nur von zentraler Bedeutung für den Patientenkomfort; eine zu tiefe Sedierung oder ein ungenügendes Delirmanagement führen zu vermehrten Komplikationen, verlängerten Liegedauern auf der Intensivstation und im Krankenhaus, einer erhöhten Sterblichkeit und verschlechtertem Langzeitoutcome.

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„Weg mit Dauerzwangsrabatt der Ärzte an Krankenkassen“

„Weg mit der Budgetierung! Die war schon immer falsch. Sie ist es erst recht unter den sich ändernden Bedingungen einer immer mehr zunehmenden Ambulantisierung der Medizin“, erklärte Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) bei der Vertreterversammlung heute in Berlin. Er machte eine Rechnung mit eindeutigem Ergebnis auf: „Ausgehend vom Leistungsbedarf des Jahres 2016 würde die Ausbudgetierung der fachärztlichen Grundleistungen rund 350 Millionen Euro kosten. Das sind Peanuts im Vergleich zum Finanzpolster von 19 Milliarden Euro, auf dem die Krankenkassen derzeit ruhen.“

Er kritisierte, dass die Politik die Kliniken längst aufgegeben hat. „Es traut sich nur keiner, das zu sagen“, so Gassen. „Unter solchen Umständen müssen wir die Weichen stellen, dass der ambulante Sektor fit gemacht wird. Unsere Ideen für eine Umwandlung von stationären in teilstationäre Strukturen oder in ambulante Versorgungsangebote finden mittlerweile immer mehr Gehör. Und dieser fitgemachte ambulante Sektor ist ein klares Angebot an unsere Kolleginnen und Kollegen in den Kliniken. Denn die wollen wir unbedingt mitnehmen“, führte Gassen aus.

Zugleich wunderte sich der KBV-Chef, dass einige in der Politik „bei der Frage, ob es eine Große Koalition gibt, eine Bürgerversicherung als Bedingung dafür formuliert haben“. Sie liefere keine einzige Antwort auf die für das Gesundheitswesen wirklich wichtigen Fragen. „Finger weg von Experimenten wie der Bürgerversicherung oder einer einheitlichen Gebührenordnung“, warnte er. Und weiter: „Das Problem sind nicht verschiedene Versicherungsarten, das Problem ist ein Dauerzwangsrabatt der Ärzte an die Krankenkassen.“ Die von manchen Experten beschriebene Zwei-Klassen-Medizin bestehe eigentlich nur bei den Ärzten. „Ein Euro angefordertes Honorar in der PKV ist ein Euro auf dem Konto, ein Euro angefordertes Honorar in der GKV bedeutet ungefähr 80 bis 90 Cent, abhängig nach Region und Versorgungsbereich“, rechnete Gassen vor.

Zuversichtlich fiel sein Blick ins nächste Jahr aus. „Mit unserem Konzept KBV 2020 haben wir einen großen inhaltlichen Bogen geschlagen. Wir sind gemeinsam mit den Kassenärztlichen Vereinigungen als Gesamtsystem wieder sprachfähig geworden. Diese Qualität müssen wir uns erhalten, um dem ungezügelten Leistungsversprechen der Politik etwas Realitätssinn entgegenzusetzen. Wir sind stark genug, um viele Dinge selbst in die Hand zu nehmen.“

Quelle: Kassenärztliche Bundesvereinigung, Herbert-Lewin-Platz 2, 10623 Berlin, www.kbv.de

Schulterstudie liefert keine neuen Erkenntnisse – Deutsche Standards erweisen sich als bewährt

Stellungnahme zur Studie „Arthroscopic subacromial decompression for subacromial shoulder pain (CSAW)“ am 20.11.2017 auf www.thelancet.com

Berlin, 08. Dezember 2017: Sechs Fach- und Berufsverbände aus Orthopädie und Unfallchirurgie und der Chirurgie nehmen unter Führung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (DGOU) Stellung zur jüngst im Fachmagazin „The Lancet“ veröffentlichten Studie „Arthroscopic subacromial decompression for subacromial shoulder pain (CSAW)“ zur Wirksamkeit der Schulterdacherweiterung – der sogenannten arthroskopischen subakromialen Dekompression (ASD). Die Autoren der Studie kamen zu dem Ergebnis, dass Patienten mit einem subakromialen Schmerzsyndrom zu häufig ohne Nutzen operiert würden. Allerdings lässt sich das Ergebnis nicht auf Deutschland übertragen. Denn anders als in der CSAW-Studie abgebildet, wird die ASD-Methode zur Linderung von unspezifischen Schulterschmerzen in Deutschland nicht eingesetzt. Für das deutsche Gesundheitssystem ergeben sich aus Sicht von Orthopäden und Unfallchirurgen daher keine Konsequenzen aus der Studie. „Wir kritisieren, dass eine in Deutschland bewährte Versorgungspraxis angegriffen wird, ohne zuvor hiesige Experten zu Rate zu ziehen. Wenig sachkundige Urteile sind schlechter Stil und schaden dem Gesundheitswesen und vor allem den Patienten“, sagt DGOU-Generalsekretär Prof. Dr. Reinhard Hoffmann.

Die Stellungnahme wurde notwendig, weil mit den nicht ohne weiteres übertragbaren Ergebnissen der Studie das Therapieverfahren der Schulterarthroskopie und gängige Behandlungsmethoden unter Generalverdacht gestellt wurden. Dabei wird die ASD-Methode in Deutschland nur bei einem bestimmten orthopädischen Schulterproblem angewandt, dem sogenannten Engpasssyndrom (subakromiales Impingementsyndrom). Betroffene Patienten leiden unter Schmerzen, wenn sie den Arm seitlich anheben. Das liegt daran, dass der Bewegungsspielraum des Schultergelenks durch knöcherne Strukturen, gereizte Schleimbeutel oder degenerierte Sehnen zu eng ist, sodass der Kopf des Schultergelenks an das Schulterdach schlägt. Zur Abhilfe vergrößert der Arzt mit Hilfe der ASD-Methode den subakromialen Gleitraum des Gelenks, indem er das entzündete Gewebe und knöcherne Veränderungen des Schulterdaches entfernt. „Leider wurden keine klinischen und radiologischen Parameter für die Diagnose eines subakromialen Impingementsyndroms dieser Studie zugrunde gelegt und in der Summe Patienten mit unspezifischen subakromialen Schulterschmerzen eingeschlossen“, kommentiert Prof. Dr. Markus Scheibel, Präsident der DGOU-Sektion Deutsche Vereinigung für Schulter- und Ellenbogenchirurgie e. V. (DVSE). „Das pragmatische Design der CSAW-Studie vernachlässigt bewährte Auswahlkriterien zwischen Therapieoptionen und führt deshalb zu sehr undifferenzierten Ergebnissen.“

So schließt die Studie auch Patienten ein, deren Schmerzen nicht von einem mechanischen Engpasssyndrom bzw. von einer Funktionsstörung wie einer Schulterblattfehlhaltung herrühren können. Bei diesen Schmerzursachen wird nach deutschem medizinischen Standard keine subakromiale Dekompression als Therapiemaßnahme durchgeführt. „Eine alleinige Dekompression führt bei diesen Diagnosen in der Regel zu keinen guten Ergebnissen. Diese Fälle hätten bei der Studie ausgeschlossen werden müssen“, sagt PD Dr. Ralf Müller-Rath, Vorsitzender des Berufsverbandes für Arthroskopie e. V. (BVASK).

Da also ein Therapieverfahren ausgewertet wird, das in Deutschland bei unspezifischen subakromialen Schulterschmerzen nicht üblich ist, können daraus keine Schlüsse zur Wirksamkeit einer arthroskopischen Dekompression gezogen werden. Vielmehr ist für den Erfolg entscheidend, dass die zur Diagnose passende Therapieoption zum Einsatz kommt. In diesem Zusammenhang kritisiert die DGOU öffentliche Äußerungen, in denen ohne vorheriges Einholen einer medizinischen Fachexpertise die Bezahlung des Therapieverfahrens durch die Krankenkassen zur Disposition gestellt wird – so wie es vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG)  geschehen ist.

Weiterhin bezeichnen die Autoren die alleinige Arthroskopie, mit der die ASD-Methode in der Studie verglichen wurde, als Placebo-Operation. „Es ist jedoch unzulässig, bei einer Gelenkspülung von Placebo-Chirurgie zu sprechen. Möglicherweise hat eine solche mechanische Intervention schon einen therapeutischen Effekt“ sagt Prof. Dr. Helmut Lill, Präsident der Gesellschaft für Arthroskopie und Gelenkchirurgie (AGA). Das zeigen auch die Studienergebnisse, die einen messbaren Zusatznutzen bei einer arthroskopischen Spülung im Vergleich zu einer nicht-operativen Behandlung aufzeigen. 

Aus den Daten der vorliegenden Studie kann nur folgende Schlussfolgerung gezogen werden: Patienten mit unspezifischen Schulterschmerzen über einen Zeitraum von drei und mehr Monaten scheinen von einem operativen Eingriff an der betroffenen Schulter im Vergleich zu einer reinen Beobachtung zu profitieren. Allerdings erfolgte, ein weiterer Schwachpunkt der Studie, die  Endpunktanalyse nach nur sechs Monaten. Die klinisch-wissenschaftliche Gemeinschaft fordert Nachbeobachtungsintervalle von wenigstens zwei Jahren.

Die DGOU fordert weitere wissenschaftliche Studien in Deutschland, um noch genauer herauszufinden, wer von einer subakromialen Dekompression langfristig profitiert und wer nicht. 

Die Stellungnahme wird getragen von

Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (DGOU)
Deutsche Vereinigung für Schulter- und Ellenbogenchirurgie e.V. (DVSE)
Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie e. V. (BVOU)
Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V. (BDC)
Berufsverband für Arthroskopie e.V. (BVASK)
Gesellschaft für orthopädisch-traumatologische Sportmedizin (GOTS)
Gesellschaft für Arthroskopie und Gelenkchirurgie (AGA)

Hintergrund

Die CSAW-Studie („Can Shoulder Arthroscopy Work?“) untersucht den Nutzen einer arthroskopischen Dekompression bei Patienten mit seit über drei Monaten bestehenden subakromialen Schulterschmerzen. Die Studie wurde kürzlich in der britischen Fachpublikation The Lancet veröffentlich. „The Lancet“ kommt zu dem Ergebnis, dass eine arthroskopische subacromiale Dekompression (ASD) des Schultergelenks offenbar keine besseren Ergebnisse als ein Scheineingriff liefere, bei dem lediglich eine Arthroskopie vorgenommen wird. Beide Maßnahmen scheinen Schmerzen in der Schulter jedoch etwas besser zu lindern als gar keine Therapie.

Referenzen

1) Gemeinsame Stellungnahme zum CSAW-Trail 
2) Beard DJ, Rees JL, Cook JA, Rombach I, Cooper C, Merritt N, et al. Arthroscopic subacromial decompression for subacromial shoulder pain (CSAW): a multicentre, pragmatic, parallel group, placebo-controlled, three-group, randomized surgical trial. Lancet 2017 Nov 20. pii: S0140-6736(17)32457-1. doi: 10.1016/S0140-6736(17)32457-1. [Epub ahead of print]
www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(17)32457-1/fulltext

komplette Stellungnahme

Gemeinsame Stellungnahme zur Schulterstudie

Zum CSAW-Trial (ISRCTN33864128), veröffentlicht in Beard DJ, Rees JL, Cook JA, Rombach I, Cooper C, Merritt N, et al. Arthroscopic subacromial decompression for subacromial shoulder pain (CSAW): a multicentre, pragmatic, parallel group, placebo-controlled, three-group, randomized surgical trial. Lancet 2017 Nov 20. pii: S0140-6736(17)32457-1. doi: 10.1016/S0140-6736(17)32457-1.

Die aktuell im Lancet veröffentlichte pragmatische, randomisierte multizentrische CSAW-Studie („Can Shoulder Arthroscopy Work?“) zum Nutzen einer arthroskopischen Dekompression bei Patienten mit mehr als drei Monaten bestehenden subakromialen Schulterschmerzen, welche keinen Vorteil einer chirurgischen „Placebo“-Intervention gegenüber einem operativen Standard (subakromiale Dekompression), sehr wohl jedoch gegenüber einer Kontrollgruppe ohne spezifische Behandlung zeigt, hat kurz nach der Veröffentlichung eine journalistisch sicher wünschenswerte, medizinisch aber zweifelhafte Mediendebatte angestoßen.

Da auch in Deutschland aufgrund der o. g. Arbeit zu einem umschriebenem Indikationsgebiet das gesamte Feld der Schulterarthroskopie unter Generalverdacht und seit Jahren erfolgreiche Behandlungsstandards infrage gestellt wurden, sehen sich die unterzeichnenden Fachgesellschaften zu dieser Stellungnahme verpflichtet. Sie soll der Information und Aufklärung, insbesondere aber der Beseitigung einer durch die bisherige Berichterstattung hervorgerufene Unsicherheit bei Patientinnen und Patienten dienen.

Die CSAW-Studie erfüllt im Hinblick auf Planungsumfang und Transparenz sicher alle Anforderungen, wie sie heute an klinische Prüfungen gestellt werden (u.a. prospektive Registrierung, Publikation des Clinical Investigation Plan [CIP] [1], zentrale Randomisierung und Datenmanagement usw.). Besonders (und medial spektakulär) ist natürlich v.a. die „Placebo“-Kontrolle, auf die später noch eingegangen wird. Löblich ist, dass die Ergebnisse uneingeschränkt im Volltext (open-access) veröffentlicht wurden und somit der klinisch-wissenschaftlichen Gemeinschaft eine unverzerrte Auseinandersetzung mit den Daten erlaubt.

Das CSAW-Trial wurde im National Institute for Health Research (NIHR) Netzwerk mit öffentlichen Fördermitteln durchgeführt. Von zwischen September 2012 und Juni 2015 an 32 britische Zentren zugewiesenen 2975 Patienten erwiesen sich 740 als für die Studienteilnahme gemäß Protokoll geeignet, von denen wiederum 313 mittels eines Minimierungs-Designs zentral randomisiert wurden: arthroskopisches subakromiales Debridement [„Verum“]: n = 106; arthroskopische Inspektion [„Placebo“]: n = 103; aktive Nachuntersuchung [„Kontrolle“]: n = 104. 232 Patienten wurden in eine parallele Beobachtungskohorte aufgenommen. Eingeschlossen wurden Patienten mit jeder Form eines subakromialen Schmerzsyndroms, um den Nutzen einer arthroskopischen subakromialen Dekompression zu überprüfen.

Dieses Einschlusskriterium ist ein grundsätzliches Problem dieser Studie: Die Technik der subakromialen Dekompression (in der Terminologie der Autoren als „critical surgical element“ bezeichnet) wird nämlich genau nicht zur Therapie eines unspezifischen subakromialen Schulterschmerzes eingesetzt, sondern vielmehr zur Behandlung des nosologisch definierten mechanisch bedingten subakromialen Impingementsyndroms.

Beim Screening auf die Eignung zur Studienteilnahme wurde die Bedeutung klinischer und radiologischer Impingementzeichen zugunsten einer generellen ärztlichen Einschätzung i. S. des pragmatischen Studiendesigns unterschlagen. Somit konnten auch Patientinnen und Patienten mit subakromialen Schulterschmerzen aufgrund von Ätiologien wie ACG-Arthrose, internes bzw. funktionelles Impingement, Tendinosis calcarea, Skapuladyskinesie usw. eingeschlossen werden, bei denen überhaupt keine Indikation zu einer subakromialen Dekompression bestand.

Singh et al. [2] und Magaji et al. [3] haben präzise Parameter beschrieben, um Patienten für eine Dekompression zu selektieren. Zumindest die von Kappe et al. vorgeschlagenen klinischen Testbatterien hätten berücksichtigt werden müssen. positive Zeichen nach Hawkins-Kennedy, Neer und Jobe sind mit günstigen Patienten-zentrierten Ergebnissen nach Dekompressions-Operation assoziiert [4]. Ebenso hätten radiologische Kriterien, die mit einem mechanischen Impingement vergesellschaftet sind, beschrieben werden müssen [5-8].

Der Erfolg der subakromialen Dekompression hängt somit von der geeigneten Patientenauswahl ab. Das pragmatische Design der CSAW-Studie unterminierte jedoch bekannte Selektionskriterien und musste somit zwangsläufig zu einer hohen Varianz in den Ergebnisindikatoren führen.

Eingeschlossen wurden auch Patienten mit einer Partialruptur der Rotatorenmanschette, obwohl in einigen dieser Fälle möglicherweise eine Rotatorenmanschettennaht indiziert gewesen wäre. Eine alleinige Dekompression führt bei Partialrupturen in der Regel zu keinen guten Ergebnissen. Die Einschätzung des Ausmaßes einer Partialruptur ist allerdings nur intraoperativ sicher möglich [9, 10]. Fälle mit einer intraoperativ festgestellten rekonstruktionswürdigen Partialruptur hätten daher ausgeschlossen werden müssen, was jedoch nur nach einer zumindest partiellen Bursektomie möglich gewesen wäre. Diese hätte auch ein tatsächliches mechanisches Impingement aufgrund einer Irritation oder Aufrauhung der Oberseite der Rotatorenmanschette bzw. der Unterseite des Lig. coracoacromiale gesichert.

Die Autoren bezeichnen die alleinige Arthroskopie als Placebo-Operation. Das Studienteam hat viel Aufwand betrieben, um geeignete Kontrollinterventionen zu definieren (wie im publizierten CIP niedergelegt [1]). Dennoch ist es unzulässig, von Placebo-Chirurgie zu sprechen, da sowohl eine glenohumerale als auch subakromiale Gelenkspülung erfolgte. Da die Autoren angeben, Partialrupturen klassifiziert zu haben, kann man unterstellen, dass die Bursoskopie auch zusätzlich mindestens mit einer partiellen mechanischen Verdrängung der Bursa einherging, denn sonst wäre eine Betrachtung der Rotatorenmanschettenoberseite nicht sicher möglich gewesen. Möglicherweise hat eine solche mechanische Intervention im Rahmen der Bursoskopie schon einen therapeutischen Effekt, denn bekanntermaßen tragen Maßnahmen an der Bursa substanziell zum positiven Ergebnis einer Operation im subakromialen Raum bei [11].

Im Mittel wurden lediglich zwei Patienten pro Chirurg bzw. drei Patienten pro Einrichtung und Jahr im Rahmen der Studie operiert. 16 Prozent und 22 Prozent der Verum- und „Placebo“-Chirurgie-Gruppe zugeteilten Patienten unterzogen sich keinem Eingriff, knapp ein Viertel aller Kontrollpatienten innerhalb von zwölf Monaten nach Randomisierung hingegen einer subakromialen Dekompression. In diesem Falle wird das akzeptierte Intent-to-Treat (ITT) Prinzip überstrapaziert. Die Autoren berichteten zwar auch Per-Protocol (PP) – Analysen sowie die Ergebnisse der multiplen Imputation, welche aufgrund von fehlenden Daten notwendig wurde – die Varianz der Ergebnisschätzer ist jedoch hoch.

Die nachberechneten Effektstärken für den Vergleich zwischen Verum und Kontrolle schwanken zwischen 0,28 und 0,52, zwischen „Placebo“ und Kontrolle zwischen 0,39 und 0,57. Somit kann allein für eine arthroskopische Lavage im Vergleich zu einer nicht-operativen Behandlung von einem messbaren, wenn auch geringen bis moderaten Zusatznutzen ausgegangen werden.

Im Gegensatz zu übergeordneten („general medical“) Journals wie Lancet fordern fachspezifische Publikationsorgane wie z. B. Journal of Bone and Joint Surgery American Volume Nachbeobachtungsintervalle von wenigstens zwei Jahren. Die hier gewählte primäre Endpunktanalyse nach nur sechs Monaten, welche sich auch nur auf den Zeitpunkt der Randomisierung und nicht der Intervention bezieht, widerspricht allgemeinen Übereinkünften der klinisch-wissenschaftlichen Gemeinschaft.

Der Oxford Shoulder Score (OSS) ist für die Schultergelenk-Arthrose, nicht aber für das Schulter-Impingement validiert und zeigt hier eine geringe inter-individuelle Diskrimination zwischen betroffenen und nicht-betroffenen Gelenken [12]. Instrumente wie der ASES oder Simple Shoulder Test wären evtl. besser geeignet, um spezifische Therapieeffekte zu evaluieren.

Aus den Daten der vorliegenden Studie kann nur folgende Schlussfolgerung gezogen werden: Patienten mit unspezifischen Schulterschmerzen über einen Zeitraum von drei und mehr Monaten profitieren von einem operativen Eingriff an der betroffenen Schulter im Vergleich zu einer reinen Beobachtung. Diese Verbesserung ist durch den positiven Effekt der Lavage und Bursoskopie mit mechanischer Intervention an der Bursa zu erklären. Ein zusätzlicher Effekt durch das „critical surgical element“ der Entfernung eines knöchernen Sporns konnte in der hier untersuchten unselektierten Stichprobe nicht gezeigt werden – dies ist aber unter Berücksichtigung aller genannten Punkte auch nicht überraschend.

Die oben genannten Fachgesellschaften und Berufsverbände verstehen daher auch nicht die Aufmerksamkeit, welche der CSAW-Studie durch die Laienpresse eingeräumt wurde. Die CSAW-Studie liefert entgegen der bisherigen Berichterstattung unter Expertensicht keine neuen Erkenntnisse, da die subakromiale Dekompression auch bisher nicht zur Behandlung des unspezifischen Schulterschmerzes empfohlen wurde. Für das deutsche Gesundheitssystem ergeben sich keine Konsequenzen aus der CSAW-Studie.

Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (DGOU)
Deutsche Vereinigung für Schulter- und Ellenbogenchirurgie e.V. (DVSE)
Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (BVOU)
Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V. (BDC)
Berufsverband für Arthroskopie e.V. (BVASK)
Gesellschaft für orthopädisch-traumatologische Sportmedizin (GOTS)
Gesellschaft für Arthroskopie und Gelenkchirurgie (AGA)

Literatur via passion_chirurgie@bdc.de

DGOU, DVSE, BVOU, BDC, BVASK, GOTS, AGA: Gemeinsame Stellungnahme zur Schulterstudie. Passion Chirurgie. 2018 Januar, 8(01): Artikel 05_01.

Gütesiegel direkt von Chirurgen – So erkennen Patienten gute Operateure

Der Erfolg einer Operation hängt in vielen Fällen von der Erfahrung des Behandlungsteams ab. Allgemein- und Viszeralchirurgen legen nun konkrete Zahlen vor, wie häufig Eingriffe durchgeführt werden müssen, damit eine Einrichtung für eine bestimmte Behandlung als qualifiziert zertifiziert werden kann. Dabei basieren die Anforderungen der Allgemeinchirurgen an ihr eigenes Fach auf umfangreichen Datensammlungen und liegen weit über den geforderten derzeitigen Mindestmengen.

So gilt etwa für Leistenbrüche, aber auch für Mast- und Dickdarmeingriffe eine Mindesteingriffszahl von 100 Operationen pro Jahr und Zentrum. „Dies ist ein wertvoller Beitrag zur Patientensicherheit, der von den Fachexperten selbst erarbeitet wurde“, erklärte Professor Dr. med. Jörg Fuchs, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, (DGCH) auf der Jahrespressekonferenz der DGCH.

Zentrumsbildung, Komplikationsraten, Audits: Faktoren, die auf chirurgische Qualität hindeuten sollen, sind für Patienten oft nur schwer einzuordnen. Um den Patienten eine klare Information an die Hand zu geben, hat die Deutsche Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) bereits im Jahr 2008 ein aufwändiges Zertifizierungsprojekt gestartet. Seither hat die Fachgesellschaft mehr als 74.000 Falldaten zu operativen Ergebnissen an verschiedenen Organbereichen gesammelt und ausgewertet. “Die Daten, die uns die Kliniken übermitteln, werden sorgfältig aufbereitet”, sagt Professor Dr. med. Albrecht Stier, Präsident der DGAV. “Dazu gehört unter anderem, die Fallschwere mit jeweils zulässigen Komplikationsraten zu berücksichtigen.”

Insgesamt hat die DGAV bisher 330 Zentren als sogenannte „Kompetenzzentren“ zertifiziert. Nicht jede Einrichtung erhält das Gütesiegel der Fachgesellschaft – in 29 Fällen erfolgte eine Ablehnung. „Die Durchfallquote beträgt damit fast zehn Prozent“, so Stier. Patienten und Angehörige können die zertifizierten Kompetenzzentren über die Webseite der DGAV unter http://www.dgav.de/zertifizierung/zertifizierte-zentren.html abrufen. Dort besteht auch die Möglichkeit einer Suche nach Postleitzahlen. Insgesamt wurden Kliniken für folgende Eingriffe bzw. Eingriffstechniken zertifiziert: Hernien, End- und Dickdarm, minimalinvasive Chirurgie, Adipositaschirurgie, Schilddrüsen und Nebenschilddrüsen, Bauchspeicheldrüse, Leber, Endoskopie, oberer Gastrointestinaltrakt, Peritoneum und endokrine Chirurgie.

Folgende erforderliche Eingriffshäufigkeiten pro Jahr hat die DGAV unter anderem für eine erfolgreiche Zertifizierung festgelegt:

  • Leistenbruch: 100
  • Dick- und Mastdarmeingriffe: 100
  • Minimalinvasive Adipositaschirurgie: 75
  • Magenband, Magenbypass und andere Eingriffe am Magen mit metabolischer Indikation: 50
  • Speiseröhrenkrebs: 15
  • Schilddrüsenknoten: 120
  • Bauchspeicheldrüse: 25
  • Komplexe Leberoperationen: 25
  • Hämorrhoiden: 30

Das Zertifikat überprüft neben der operativen Erfahrung eine Vielzahl weiterer Faktoren, die für ein gutes Behandlungsergebnis entscheidend sind. „Dazu gehören etwa die apparative und diagnostische Ausstattung des Zentrums, Anzahl und Art der Sprechstunden sowie Kooperationen mit anderen Fachabteilungen bis hin zur Quote wiederaufgetretener Krebsherde innerhalb von zwei bzw. fünf Jahren“, betont DGAV-Präsident Stier. Ebenfalls eindeutig geregelt: Findet ein Wechsel des verantwortlichen Chirurgen statt, verliert das Zertifikat seine Gültigkeit.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Chirurgie e.V., Luisenstraße 58/59, 10117 Berlin, www.dgch.de, 06.12.2017

BDI fordert Ende der Debatte zur Neuordnung der Notfallversorgung

Die Debatte in den letzten Tagen über die Neuordnung der Notfallversorgung in Deutschland zwischen den Selbstverwaltungspartnern zeigt wieder einmal, dass die Akteure nichts hinzugelernt haben. Gegenseitige polemische Vorwürfe passen in die Vergangenheit und sind nicht geeignet, gegenüber Versicherten, Patientinnen und Patienten, Bürgern und Bürger und zuletzt der Politik, ein funktionierendes System der Selbstverwaltung abzubilden. Leider scheinen alle gerade an der Grenze ambulant/stationär konfliktiv unterwegs zu sein, anstatt zu kooperieren.

Der Berufsverband Deutscher Internisten (BDI e. V.) hat bereits im Mai 2017 ein Konzept zur sektorübergreifenden Notfallversorgung dargestellt. Wichtige Inhalte wie beispielsweise ein Triagezentrum („Gemeinsamer Tresen“) als erste Anlaufstelle für Notfälle wurden beispielsweise auch vom Sachverständigenrat des Deutschen Bundestages in seine Überlegungen übernommen. Solche Triagezentren könnten die konkurrierende Situation zwischen der Notfallversorgung der Kassenärztlichen Vereinigung und Klinik-Notaufnahmen zukünftig auflösen. Die bislang uneinheitlich organisierte Struktur von Rettungsdienst, vertragsärztlichem Bereitschaftsdienst und Notaufnahmen in Kliniken wird damit zum Patientenwohl vereinheitlicht. Finanziert werden könnte eine solche Struktur über selektivvertragliche Regelungen, wobei die Krankenkassen zum Abschluss solcher Verträge gesetzlich verpflichtend werden müssen. Auch die alternativen Finanzierungsvorschläge des Sachverständigenrates sind gangbar.

„Für Unfälle und lebensbedrohliche Zwischenfälle bleiben weiterhin die Rettungsdienste mit ihren Notfallärzten verantwortlich.“, so BDI-Präsident Dr. Hans-Friedrich Spies. „Leichtere Fälle sollen aber an die Triagezentren weitergeleitet werden, die dann klären, ob tatsächlich ein Notfall vorliegt und ob eine ambulante oder stationäre Versorgung sinnvoll ist.“

Wenn die Selbstverwaltungspartner von Kassenärztlicher Vereinigung und Deutsche Krankenhausgesellschaft schon ihre unterschiedlichen Interessen vertreten, täten sie gut daran, die tatsächlichen Gründe für die derzeitige Misere zu nennen. Auf der einen Seite ist letztlich die Budgetierung der Auslöser, warum eine ambulante Notfallversorgung eingeschränkt funktioniert. „Grund ist die Vergütungssystematik, durch die erbrachte Leistungen nach einer Überschreitung des Budgets nicht mehr bezahlt werden. Viele Vertragsärzte haben ihre Praxisstruktur deshalb zu einer Bestellpraxis umgewandelt. Hier finden Notfallpatienten schlicht und einfach keinen Platz mehr“-, stellt Dr. Spies klar. Selbst bei einem gut organisierten Notdienst außerhalb der Sprechstundenzeiten gibt es deshalb Engpässe.

Auch in den Kliniken spielt die Vergütung der Notfallversorgung eine wichtige Rolle. Sie müssen Patienten schon deshalb aufnehmen, um entscheiden zu können, ob eine stationäre Behandlung überhaupt notwendig ist.

Nur eine einheitliche Struktur kann hier Abhilfe schaffen. Finanziert werden können solche Strukturen mittels Selektivverträgen. „Damit können Verträge vereinbart werden, die nicht am unterschiedlichen Leistungsrecht ambulant/stationär scheitern, die außerhalb des üblichen Budgets vergütet werden und bei denen das Honorar frei kalkuliert und vereinbart werden kann.“, schlägt Spies vor. Auch könnten regional gut funktionierende Strukturen einfach abgebildet werden. Der Gesetzgeber muss hierzu allerdings die Krankenkassen gesetzlich verpflichten, solche flexiblen Selektivverträge für die Notfallversorgung abzuschließen.

Quelle: Berufsverband Deutscher Internisten e.V., Schöne Aussicht 5, 65193 Wiesbaden, www.bdi.de

Neuordnung in der Kinderchirurgie

Kinderchirurgen wollen Spezialeingriffe in Referenzzentren konzentrieren

Kinder benötigen eine besondere chirurgische Behandlung, die nicht nur fach-, sondern auch kindgerecht ist. Um die Versorgung zu verbessern, streben die Kinderchirurgen eine Neuordnung in ihrem Fach an. Auf der Jahrespressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) am 5. Dezember 2017 in Berlin fordert Professor Dr. med. Peter Schmittenbecher eine Umstrukturierung der kinderchirurgischen Versorgung zugunsten von Referenzzentren und erläutert, warum Kinderchirurgen und Pädiater zukünftig in spezialisierten Zentren zusammenarbeiten sollen.

„Kinder sind keine ‚kleinen Erwachsenen‘ und müssen von ärztlichem und pflegerischem Personal betreut werden, das sich gezielt auf die körperlichen, seelischen und entwicklungsbedingten Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen sowie ihren Familien einstellen kann“, so Professor Dr. med. Jörg Fuchs, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH) e.V. Die Bedingungen dafür sind ungünstig. Grund ist die vergleichsweise schlechte Abbildung der erbrachten Leistungen im Krankenhaus-Finanzierungssystem DRG.

Aktuell sind in Deutschland 89 Kliniken für Kinderchirurgie gelistet, darunter 16 Ordinariate. Außerdem gibt es 36 kinderchirurgische Abteilungen in der Chirurgie bzw. Pädiatrie, 48 kinderchirurgische Einzelpraxen und 19 Gemeinschaftspraxen, davon sechs mit Belegbetten sowie neun kinderchirurgische MVZ. Eine mittelgroße kinderchirurgische Klinik (3 Fachärzte in Vollzeit, 5,8 Assistenzärzte in Vollzeit) benötigt zur Eigenfinanzierung etwa 2.500 Fälle mit erlösrelevanten Prozeduren. Die durchschnittliche Fallzahl kinderchirurgischer Kliniken in dieser Größe liegt derzeit bei nur etwa 1.400 Fällen. „Damit ist eine finanzielle Unterdeckung bei praktisch allen Einrichtungen programmiert“, stellt Professor Dr. med. Peter Schmittenbecher fest, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH). Nach der Bevölkerungsprognose des Statistischen Bundesamtes wird sich diese aber Relation in den nächsten zehn Jahren nicht grundlegend ändern.

Um die bedarfsgerechte Versorgung der jungen Patienten aber auch in Zukunft weiter zu gewährleisten, fordert Schmittenbecher eine ressourcenoptimierende Neuordnung. Grundsätzlich gilt dabei: „Kinderchirurgen sollen zukünftig zusammen mit Pädiatern in interdisziplinären Zentren für konservative und operative Kinder- und Jugendmedizin behandeln“, erläutert der Kinderchirurg.

Dabei würden unterschiedliche Versorgungslevel entstehen: Seltene Erkrankungen und komplexe Fehlbildungen sollen in spezialisierten kinderchirurgischen Referenzzentren und Kliniken der Maximalversorgung therapiert werden; die Behandlung häufiger Fälle und die Weiterversorgung von operierten Kindern und Jugendlichen würden wohnortnahe kinderchirurgische Einrichtungen übernehmen.

Die Neuorganisation hätte erhebliche Veränderungen zur Folge. „Die Wege in die spezialisierte Klinik für die einzelne Fehlbildung werden weiter werden, manche kinderchirurgische Einrichtung wird sich mangels Strukturqualität und personeller Ausstattung neu orientieren müssen und auch die Perinatalzentren müssen bezüglich der kinderchirurgischen Betreuung umdenken und neue, vor allem belastbarere Wege gehen,“ erläutert Schmittenbecher.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Chirurgie e.V., Luisenstraße 58/59, 10117 Berlin, www.dgch.de, 04.12.2017

NRW-Kliniken: Strukturdebatte darf nicht von nachgewiesener Förderlücke ablenken

„Wir brauchen von der Landesregierung eine verlässliche und transparente Aussage darüber, wie sie das Problem der anerkannten Förderlücke bei den Krankenhausinvestitionen in den nächsten Jahren lösen will. Eine Debatte über Strukturen und einen neuen Krankenhausplan darf hiervon nicht ablenken“, erklärte Jochen Brink, Präsident der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen, bei der Mitgliederversammlung der 348 NRW-Kliniken in Neuss.

„Wir sind uns darüber im Klaren, dass die Schließung der Förderlücke keine einfache Aufgabe ist und dass dies nicht von heute auf morgen geschehen kann, aber weitere Verzögerungen beschleunigen den Substanzverzehr der Krankenhäuser. Wir werden den Investitionsbedarf von jährlich zusätzlich 1 Mrd. Euro deshalb auch weiter offensiv transparent machen und die Landespolitiker damit nicht in Ruhe lassen. Das sind wir unseren Mitarbeitern und Patienten einfach schuldig. Zumal sich in den letzten 10 Jahren eine Menge bei den Strukturen bewegt hat. Zwischen 2006 und 2016 reduzierte sich die Zahl der Kliniken in NRW von 437 auf 348, obwohl die Zahl der stationär behandelten Patienten gleichzeitig von 3,9 Mio. auf 4,6 Mio. im Jahr anstieg. Wenn die Landesregierung hier weitere Schritte gehen möchte, stehen wir gerne zur Verfügung. An der Höhe der notwendigen Investitionen für die flächendeckende Versorgung ändert sich dadurch allerdings nichts“, so Brink.

Im Rahmen der Debatte um feste Personalquoten auf den Stationen verwiesen die Klinikvertreter darauf, dass attraktive und entlastende Arbeitsplätze auch nur bei Schließung der Förderlücke Wirklichkeit würden. Die Krankenhausgeschäftsführer seien es leid als Buhmänner für zu wenig Personal in ihren Häusern dazustehen. Sie hätten das DRG-System und die Rahmenbedingungen nicht gemacht.

„Wir wünschen unseren Mitarbeitern von Herzen mehr Kollegen und eine gute Bezahlung. Was aber nicht hilft sind starre Personalquoten. Schon jetzt können wir bundesweit 10 000 Mitarbeiter in der Pflege nicht einstellen, weil wir die Menschen nicht finden. Wir brauchen einen anderen Weg. Wir brauchen einen gesunden Personalmix und flexible Systeme. Bei der Festlegung von Pflegepersonaluntergrenzen in pflegesensitiven Bereichen setzt sich die KGNW daher für die Berücksichtigung eines quasi leeren Arbeitsmarktes, einer vollständigen Refinanzierung der mit dem Gesetz verbundenen Anforderungen an die personelle Ausstattung der Pflege und realitätsnahe Übergangsregelungen sowie bürokratiearme Dokumentationspflichten ein“, erklärte der KGNW-Präsident.

Ebenso deutlich wurde der Krankenhausverband beim Thema ambulante Notfallbehandlung in den Kliniken.

„Es ist schon wirklich frech, als Kassenärztliche Vereinigung die Notfallversorgung der Krankenhäuser zu kritisieren, wenn man seinen Sicherstellungsauftrag nicht vernünftig organisiert bekommt und unsere Mitarbeiter in den Notaufnahmen häufig die Arbeit der niedergelassenen Kollegen machen müssen“, kritisierte Brink die jüngste Studie des Zentralinstituts für die Kassenärztliche Versorgung.

Konzepte, die im Wesentlichen die Fortsetzung der sektorgetrennten Patientenzuordnung propagierten, seien rückwärtsgewandt und führten nicht weiter. „Die Menschen stimmen mit den Füßen ab und laufen vielfach in die Notaufnahmen unserer Krankenhäuser. Wir können und wollen keinen Patienten wegschicken. Deswegen brauchen wir auch endlich eine kostendeckende Finanzierung und keine Patienten-Abschiebepauschalen. Dazu gehört die direkte und ungedeckelte Abrechnung der Notdienstleistungen mit den Krankenkassen. Die gesetzlichen Regelungen müssen an die Versorgungsrealität angepasst werden“, forderte Jochen Brink.

Vor der Mitgliederversammlung wurde beim KGNW-Forum 2017 unter dem Titel „Wie gestalten wir die Zukunft der Krankenhausversorgung?“ über die Investitionsfinanzierung der Krankenhäuser, die ambulante Notfallbehandlung und die Personalsituation verbunden mit Chancen der Digitalisierung diskutiert.

Quelle: Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen e. V., Humboldtstr. 31, 40237 Düsseldorf, 05.12.17

Präventionsbericht 2017: Rekordwachstum bei Gesundheitsförderung

Die gesetzlichen Krankenkassen haben im vergangenen Jahr das stärkste Wachstum bei Gesundheitsförderung und Prävention seit 16 Jahren verzeichnet. Fast 500 Mio. Euro gaben sie 2016 insgesamt für die Gesundheitsförderung in Lebenswelten, die betriebliche Gesundheitsförderung sowie für individuelle Präventionskurse aus. Erreicht wurden damit rd. 6,4 Mio. gesetzlich Versicherte. In keinem anderen Jahr zuvor gab es ein derart massives Engagement der gesetzlichen Krankenversicherung, heißt es in dem heute vom GKV-Spitzenverband und dem Medizinischen Dienst des GKV-Spitzenverbandes (MDS) vorgestellten Präventionsbericht. Pro Versichertem gaben die Krankenkassen 6,64 Euro aus. Sie haben damit den gesetzlich vorgesehenen Gesamtbetrag von sieben Euro pro Versichertem bereits im ersten Geltungsjahr fast erreicht. Nicht ausgegebene Gelder sollen im kommenden Jahr in Präventions- und Gesundheitsförderungsmaßnahmen fließen.

Menschen in ihren Lebenswelten erreichen

Rund 116 Mio. Euro haben die Krankenkassen 2016 für den Bereich Gesundheitsförderung in Lebenswelten ausgegeben. Das ist gut dreimal so viel wie 2015. Die Krankenkassen erreichten damit rd. 3,3 Mio. Menschen, etwa ein Drittel mehr als im Vorjahr. „Die gesetzlichen Krankenkassen haben die hochgesteckten Ziele des Präventionsgesetzes engagiert umgesetzt. Deutlich ausgebaut wurden z. B. Projekte in sogenannten sozialen Brennpunkten. Oft sind gerade solche Projekte wegen der vielen beteiligten Partner und der zeitaufwendigen Abstimmungen wirklich herausfordernd. Doch es lohnt sich. Mit diesen Angeboten tragen die Krankenkassen dazu bei, dass Gesundheitsförderung endlich auch bei denen ankommt, für die sie besonders wichtig ist“, so Gernot Kiefer, Vorstand des GKV-Spitzenverbandes.

Gesundheit am Arbeitsplatz fördern

Rekordinvestitionen weist der Präventionsbericht auch im Bereich betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) aus. Die Ausgaben der Krankenkassen stiegen hier von rd. 76 Mio. Euro im Jahr 2015 auf rd. 147 Mio. Euro im Jahr 2016. In über 13.000 Betrieben konnten rd. 1,4 Mio. Versicherte direkt mit Maßnahmen angesprochen werden, die physische und psychische Belastungen am Arbeitsplatz verringern helfen. Durchschnittlich mehr als zwei Jahre unterstützen die Krankenkassen Unternehmen bei entsprechenden Aktivitäten. Ein besonderes Augenmerk lag im vergangenen Jahr darauf, vor allem mittlere und kleine Unternehmen zu erreichen. Netzwerke mit regelmäßigen Treffen und Erfahrungsaustauschen sind eine besonders geeignete Form, um sie für Fragen der betrieblichen Gesundheitsförderung zu sensibilisieren und zu motivieren. Erstmals macht der Präventionsbericht quantitative Angaben zu dieser besonderen Betreuungsform: Zusätzlich zur direkten Betreuung durch BGF-Berater erreichten die Krankenkassen knapp 14.000 Unternehmen durch überbetriebliche Netzwerke.

Demographie macht Prävention immer wichtiger

Die Teilnahmezahlen bei Kursangeboten, die sich an einzelne Versicherte wenden und sich mit Bewegungsförderung, Stressbewältigung, Ernährung und Raucherentwöhnung befassen, blieben 2016 mit rd. 1,7 Mio. auf Vorjahresniveau. Für diese individuellen Präventionsangebote gaben die Krankenkassen 211 Mio. Euro und damit vier Prozent mehr als im Vorjahr aus.

„Die Daten der Krankenkassen, die seit 2002 in den Präventionsberichten ausgewertet werden, zeigen, dass das Engagement bei der Gesundheitsförderung erheblich zugenommen hat. Diese wichtige Aufgabe gewinnt auch mit Blick auf die demographische Entwicklung an Bedeutung. Neben den Individualangeboten kommt es darauf an, Menschen mit Präventionsangeboten in den verschiedenen Lebenswelten zu erreichen und zu fördern“, fasst Dr. Pick, Geschäftsführer des MDS, zusammen.

Präventionsbericht 2017
Tabellenband zum Präventionsbericht 2017

Quelle: GKV-Spitzenverband, Reinhardtstraße 28, 10117 Berlin, www.gkv-spitzenverband.de, 30.11.2017

50 Jahre Herztransplantation

Vor 50 Jahren, am 3. Dezember 1967, führte der südafrikanische Herzchirurg Christiaan Barnard die weltweit erste Herztransplantation am Groote-Schuur-Hospital in Kapstadt durch.

Sein Patient, der 55-jährige, schwer herzkranke Gemüsehändler Louis Washkansky, überlebte nur 18 Tage nach der Transplantation des weiblichen Spenderherzens, ehe er an den Folgen einer bakteriellen Lungenentzündung verstarb. „Was damals in Südafrika gelang, revolutionierte die Herzmedizin“, erklärt Privatdozent Dr. Wolfgang Harringer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG). „Operationstechnisch war der Eingriff bereits eine besondere Herausforderung, aber viel entscheidender waren die zu diesem Zeitpunkt kaum erforschten Mechanismen und Gesetzmäßigkeiten im Kontext der Organabstoßung. Zum damaligen Zeitpunkt gab es zudem noch keine effektiv und zielgerichtet wirkenden Immunsuppressiva, die die natürliche Abstoßungsreaktion gegen das transplantierte Organ unterdrückten.“

Eigentlich überraschte Barnard mit seiner differenziert geplanten Aktion die medizinische Fachwelt weltweit. Diese hatte ihre Aufmerksamkeit nach Nordamerika gerichtet, und zwar speziell auf die Herzchirurgen Norman Edward Shumway und Richard Lower, in der sicheren Erwartung, dass sie die erste Herzverpflanzung in den USA durchführen werden. Shumway, Leiter der Abteilung für Herz- und Thoraxchirurgie der Stanford University, war federführend in der herzchirurgischen Forschung und entwickelte innovative Operationstechniken für die Herztransplantation, die Bernard während seines Aufenthaltes in San Francisco bei ihm kennengelernt und in der Folgezeit antizipiert hatte. Lediglich vier Wochen nach Barnards Erfolg, am 6. Januar 1968, gelang auch Shumway die erste Herztransplantation am Menschen. Einen weiteren Monat später, am 13. Februar 1968, führte der deutsche Herzchirurg Rudolf Zenker am Universitätsklinikum München die erste Herztransplantation durch. Sein Patient überlebte nur 27 Stunden mit dem neuen Herzen.

„Die ersten Herztransplantationen lösten eine Welle an Organverpflanzungen aus, die jedoch allesamt nicht nachhaltig erfolgreich waren. Erst durch weiterreichende Erkenntnisse über das menschliche Immunsystems und dem damit einhergehenden besseren Verständnis der Abstoßungsreaktion, wie auch der darauf basierenden Entwicklung geeigneter Arzneistoffe, wie dem Ciclosporin, einem wirksamen Immunsuppressivum, führte zu deutlich höheren Überlebenschancen organtransplantierter Patienten. Somit zeigt sich auch in diesem Zusammenhang, dass der herzchirurgische Eingriff eine zentrale Rolle in der Behandlung darstellt, die mittel- und langfristige Perspektive des Behandlungserfolgs jedoch auch von weiteren essentiellen Begleitmaßnahmen entscheidend beeinflusst wird“, so Harringer.

Bei irreversiblen akut oder chronisch herzinsuffizienten Patienten, bei denen alle konservativen, interventionellen und operativen Therapien ausgeschöpft sind, und die weitere, genau definierte Kriterien für eine Herztransplantation erfüllen, ist diese häufig die einzige Möglichkeit, das Überleben mittel- und langfristig zu sichern. „Die Patienten mit weit fortgeschrittener Herzschwäche haben vor der Herztransplantation häufig bereits eine lang andauernde Krankheitsgeschichte hinter sich. Die Herztransplantation als besondere Behandlung führt bei den Patienten häufig zu einem zuvor nicht mehr zu erreichenden Gesundheitszustand, verschafft wieder einen guten Allgemeinzustand und behebt erhebliche Einschränkungen der Lebensqualität“, betont Harringer.

Bereits vor 20 Jahren wurde die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen in einem eigens dafür geschaffenen Transplantationsgesetz verbindlich geregelt. Im letzten Jahr haben nach Angaben der für die Organtransplantation zuständigen europäischen Organisation Eurotransplant* allein in Deutschland ca. 700 Patienten auf ein geeignetes Spenderherz gewartet. Der Status der Dringlichkeit wird hierbei in die Kategorien „High Urgent“ und „Transplantable“ eingeteilt. „Wir haben bereits seit Jahren einen großen Mangel an Spenderherzen und beobachten zudem noch den Abwärtstrend der Herz-Transplantationen mit großer Sorge“, erklärt der DGTHG-Präsident. „So wurden 2016 insgesamt nur 291 Herztransplantationen in Deutschland durchgeführt. Andererseits wurden im Jahr 2016 ca. 1000 Herzunterstützungssysteme bei Patienten, die potentiell transplantiert werden müssten, implantiert, um sie überhaupt am Leben zu erhalten, bis ein geeignetes Spenderherz zur Transplantation gefunden wird. Diese sogenannten Überbrückungsmaßnahmen sind in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen. Entsprechend wurden im Jahr 2005 lediglich 350 Herzunterstützungssysteme implantiert.“

Die Überlebenschancen mit einem Spenderorgan sind durchaus vielversprechend. „Nach erfolgreicher Transplantation und stationärer Krankenhausbehandlung, einer zielgerichteten Rehabilitation und kontinuierlicher Immunsuppressiva-Therapie, haben herztransplantierte Patienten zumeist kaum Einschränkungen im Alltag“, so Herzchirurg Harringer.

Als Organspender kommen nur Menschen mit unumkehrbaren Hirnfunktionsausfall in Frage, deren Herz angemessen funktionsfähig ist und keine gravierenden Vorerkrankungen aufweist. Das transplantierte Organ muss mit bestimmten Merkmalen des Empfängers kompatibel sein und nach Explantation beim Spender innerhalb der darauffolgenden 4 bis 6 Stunden auf den Empfänger übertragen, also „implantiert“ worden sein. „In den vergangenen Jahren gab es durch diverse Ereignisse eine große Unsicherheit in der deutschen Bevölkerung und sicher auch einen Vertrauensverlust im Zusammenhang mit der Organspende. Daher setzen wir uns auch weiterhin für die Organspende ein, appellieren mit Nachdruck an die Spendebereitschaft und gehen auch mit gutem Bespiel voran. Alle Vorstandsmitglieder der DGTHG erklären öffentlich, dass sie ohne jegliche Bedenken Organspender sind. Denn trotz der medizinischen Innovation und dem technischen Fortschritt gibt es bis heute keine wirkliche Alternative zum menschlichen Herzen“ betont Harringer

* Stiftung Eurotransplant ist als Service-Organisation verantwortlich für die Zuteilung von Spenderorganenen in acht europäischen Ländern und arbeitet hierzu eng mit den Organspende-Organisationen, Transplantationszentren, Laboratorien und Krankenhäusern zusammen

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie, Luisenstraße 58/59, 10117 Berlin, www.dgthg.de, 24.11.17