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Das Referat „Beruf und Familie“ stellt sich vor

Die Chirurgie braucht Nachwuchs, doch für Dreiviertel der Studierenden stellt sich die Frage, ob diese anspruchsvolle Profession auch mit einer Familiengründung vereinbar ist. Nach einer Umfrage des Hartmannbundes empfinden nur knapp die Hälfte der Medizinstudierenden den Arztberuf heute noch als erstrebenswert. Chirurg(in) wollen nur noch weniger als ein Fünftel der Studierenden werden.

Eine chirurgische Facharztausbildung würde allerdings wesentlich an Attraktivität gewinnen, wenn dieser Beruf nicht nur Berufung, sondern auch mit einer Familie vereinbar wäre und sowohl geregelte Arbeitszeiten, optimierte Arbeitsbedingungen und weniger Bürokratie den Alltag erleichtern würden. Neben dem Erfordernis flexibler Arbeitszeiten stehen der Wunsch nach arbeitskompatiblen Kinderbetreuungsangeboten, Teilzeitmodellen (auch in Führungspositionen), Jobsharing sowie Wiedereinstiegsprogramme nach der Elternzeit auf der Prioritätenliste. Und das nicht nur bei Chirurginnen, sondern auch bei Chirurgen, denn nicht nur Chirurginnen wollen Mütter, auch Chirurgen wollen Väter sein!

Bei einer zunehmenden Feminisierung des Arztberufes werden Frauen zukünftig als Assistenz- oder Fachärztin, Oberärztin oder Chefärztin die Personalstruktur in den Krankenhäusern verändern. Das stellt Chefärztinnen/Chefärzte und auch die Geschäftsführungen der Kliniken vor die Aufgabe, die Klinikstruktur den veränderten Rahmenbedingungen anzupassen, sobald eine Chirurgin eine Schwangerschaft anzeigt und gleichzeitig den Wunsch äußert, bei gesunder, intakter Schwangerschaft weiter operativ tätig sein zu wollen. Auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Mutterschutzrechts seit dem 01.01.2018 hat sich die Situation für Chirurginnen bislang nicht grundlegend geändert und ihnen bleibt der Weg in den Operationssaal meist versperrt. Das hindert insbesondere Assistenzärztinnen, ihre Weiterbildung in gewünschter Kontinuität bzw. Fachärztinnen ihren beruflichen Karriereweg mit entsprechendem Erfolg fortzusetzen.

Das Referat Beruf und Familie will die berufspolitischen Entwicklungen nicht nur beobachten, sondern den Blick nach vorne richten und sich aktiv für eine Arbeitsplatzgestaltung einsetzen, welche die Chirurgin und den Chirurgen in die Lage versetzt, den Drahtseilakt zwischen erfülltem Berufs- und Familienleben zu meistern. Wir wollen uns einmischen, uns fachübergreifend austauschen und engagieren. Hierbei brauchen wir Ihre Unterstützung! Sprechen Sie uns an und machen Sie mit bei der Gestaltung Ihrer Zukunft.

Wir wollen uns aber auch für Sie einsetzen und wir sind als Referat in allen Belangen, die Sie in Konfliktsituationen zwischen Beruf und Familie belasten, für Sie als Ansprechpartner da. Zögern Sie also bitte nicht, uns auch in einem solchen Falle zu kontaktieren.

Schlosser K, Fritze- Büttner F: Das Referat „Beruf und Familie“ stellt sich vor. Passion Chirurgie. 2018 Dezember, 8(12): Artikel 07_08a.

Umfrage für Chirurginnen: What are the obstacles for women in surgery?

Die Umfrage ist geschlossen! Vielen Dank für Ihre rege Teilnahme.

Liebe Kolleginnen,

der Europäische Facharztverband U.E.M.S. führt derzeit eine europaweite Befragung zum Thema Frauen in der Chirurgie durch.  Die Studie wurde bereits in den skandinavischen Ländern und z. B. in England und Spanien sehr gut angenommen. Bislang gab es leider nur wenige Antworten aus Deutschland. Ich möchte Sie daher herzlich bitten, an dieser Umfrage teilzunehmen:

Vielen Dank für Ihre Teilnahme!

Ihre
Katja Schlosser

Editorial: Sich um die Familie kümmern und Karriere machen? Als Frau oder Mann?

Das geht – wenn auch noch oft gegen viele Widerstände

Lange Jahre wurde den Bedürfnissen der so genannten Generation Y* weder von Seiten der Forschung noch seitens der Leiter oder Direktoren chirurgischer Abteilungen in notwendigem Maß Rechnung getragen. Die Bedürfnisse der Generation Y unterscheiden sich hinsichtlich Arbeit und Konsum wesentlich von denen der Generation X** oder den Generationen davor. So wird der Wunsch nach einer Arbeitsteilung mit dem oder der PartnerIn in Bezug auf Kindererziehung und Haushalt immer häufiger geäußert, der sich meist nur mit Hilfe innovativer Arbeitszeitmodelle verwirklichen lässt.

Ausbildungseinschränkungen durch Schwangerschaft und Mutterschutz betreffen zwar nur die Frauen, allerdings ist der mittlerweile überwiegende Anteil unter den Medizinstudenten weiblich und alleine dies ein weiteres wichtiges Argument, warum wir uns mit neuen Arbeitszeitmodellen beschäftigen müssen. Wir Chirurgen können es uns angesichts des drohenden Fachkräftemangels nicht mehr leisten, auf diese Kolleginnen zu verzichten. Beendeten bislang viele Frauen ihre Karrieren früh, müssen wir innovative Arbeitszeitmodelle entwickeln, die ihnen eine befriedigende Vereinbarkeit von Familie und Karriere ermöglichen, um sie zu halten. Konkret bedeutet das: Weiterbildung und das Erreichen von Führungspositionen müssen auch in Teilzeit möglich sein.

Das klingt für viele noch sehr gewöhnungsbedürftig. Doch es kann funktionieren, nicht in jeder Klinik und in jeder Position in gleicher Weise. Und nie ohne Koordinationsaufwand. Doch selbst Führungspositionen sind zumindest mit einer 80-prozentigen Teilzeitstelle größtenteils realisierbar, wie der Bericht von Christoph Gekle, ehemaliger Leiter der Schulterchirurgie der Klinik für Unfallchirurgie am BG Universitätsklinikum Bergmannsheil, zeigt [1].

Wir hätten in dieser Ausgabe gerne ein paar Arbeitszeitmodelle männlicher Kollegen vorgestellt, doch leider wollten zahlreiche gefragte „Teilzeit“-Männer hierzu keinen Artikel schreiben. In der Praxis scheint sich die Überzeugung zu halten, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein reines Frauenthema sei, Teilzeitmodelle also vor allem auf Frauen zugeschnitten sein müssten. Deshalb werden Männer in ihrem Wunsch, weniger zu arbeiten, selten unterstützt. So berichteten einige, die anonym bleiben wollen, dass ihre Vorgesetzten sie im vertraulichen Gespräch gefragt hätten, was denn ihre Frauen so Wichtiges täten, dass sie Teilzeit beantragen müssten. Danach sei ihnen klar signalisiert worden, dass sich mit einer 80-Prozent-Stelle „das Thema Karriere natürlich verbietet” und sie „mal ihre Prioritäten im Leben überdenken” sollten – ein Vorschlag, der Teilzeitchirurginnen möglicherweise gar nicht mehr unterbreitet wird, da selbstverständlich davon ausgegangen wird, dass ihnen eine berufliche Erfüllung weniger wichtig ist.

Männer (und Frauen), die das Gegenteil beweisen, sind noch immer Ausnahmen und fürchten eine unter Teilzeitchirurginnen weit verbreitete Stigmatisierung, die sie an einem weiteren Karrierefortkommen hindern könnte. Dabei ist es nicht so, dass alle Männer darauf versessen wären, 60 und mehr Stunden pro Woche für ihre Karriere zu schuften. Bei Befragungen bedauern viele, dass sie so wenig Zeit für ihr Privatleben haben.

Es spricht so vieles für Männer, die auch in Teilzeit Karriere machen, dass sich die Frage stellt: Was hindert sie daran? Es sind Fragen wie: „Was werden die männlichen Kollegen sagen?” Oder: „Wie wird eine Teilzeitstelle in meinem Lebenslauf aussehen?“ Die Befürchtung der Männer, Teilzeitarbeit könnte sich negativ auf ihre Karriere auswirken, scheint nicht unbegründet zu sein. „Karriere bedeutet noch immer oft einen Kampf, der mit männlichen Eigenschaften wie Lautstärke und Durchsetzungsfähigkeit in Verbindung mit hohem zeitlichen Aufwand ausgefochten wird“ [1]. Erschwerend kommt hinzu, dass die heutige Generation der Führungskräfte noch immer fast ausschließlich männlich ist und dem Beruf oft die absolute Priorität eingeräumt hat. Viele haben ihr Privatleben vernachlässigt. Und manche schon den Punkt erreicht, an dem sie lieber in der Klinik sind als daheim. Äußern nun jüngere männliche Kollegen den Wunsch nach Teilzeit, ruft das deshalb nicht nur Neid hervor. Es werden auch die Lebensentwürfe vieler Vorgesetzter erschüttert: Wenn es eine Alternative zur Dauerpräsenz in der Klinik gibt, dann war nicht allein die Karriere daran schuld, dass man die eigenen Kinder so wenig gesehen und die Partnerschaft so wenig gepflegt hat.

Doch muss Karriere immer einen Dauer-Kampf mit hohem Zeiteinsatz bedeuten?
Es gibt zahlreiche Gründe, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie auch als männliches Thema zu begreifen. Könnten beide Partner in Teilzeit Karriere machen, ließen sich die Lasten bei der Erziehung und im Haushalt besser verteilen. Und es blieben mehr Frauen im Beruf.

Eines muss uns Chirurgen klar werden: Teilzeitmitarbeiter wollen auf keinen Fall nur 80 Prozent verdienen und am Ende doch Vollzeit arbeiten. Familienfreundlichkeit wird für viele potenzielle Bewerber den Ausschlag geben, wo sie die nächste Arbeitsstelle antreten. Und mehr Teilzeitkräfte bedeuten auch, dass sich die Dienstbelastung auf mehr Köpfe verteilen kann, was zur Zufriedenheit der Mitarbeiter wesentlich beitragen und dem Arbeitgeber eine höhere Flexibilität im Urlaubs- und Krankheitsfall ermöglichen kann. Auch sind MitarbeiterInnen, denen von ihren Vorgesetzten ein Arbeitszeitmodell ermöglicht wird, dass eine Vereinbarkeit von Familie und Karriere erlaubt, möglicherweise sogar weitaus motivierter, das Zeitfenster der Arbeit sinnvoll und effektiv zu nutzen als der Durchschnitt. Eine individuelle Absprache der Arbeitszeiten führt zu einer höheren Bindung an den Arbeitgeber, ein Gefühl der persönlichen Verpflichtung, sich für die Einräumung eines gewissen „Sonderstatus“ zu revanchieren.

Doch bei aller Euphorie: Die Vereinbarung von Karriere und Teilzeit hat ihre Grenzen. Den Anwärtern auf eine Teilzeitstelle muss klar sein, dass die Karriere langsamer vorangeht. Wer ein Fünftel weniger arbeitet, der braucht auch – grob gesagt – ein Fünftel mehr Zeit bis zum nächsten Karriereschritt. Auch ist nicht jede Führungsposition beliebig teilbar, da Verantwortung nur bedingt teilbar ist.

Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen der interessanten Erfahrungsberichte aus verschiedensten Sparten unseres wunderbaren Fachgebietes. Und ich wünsche mir, dass wir in Zukunft, getreu dem Sprichwort „Wer wirklich etwas will, findet einen Weg. Wer nicht wirklich will, findet Ausreden“[2] gemeinsam Wege finden, gute Mitarbeiter auch in Teilzeit für unser Fach zu begeistern, auszubilden und ihnen Führungspositionen zu ermöglichen.

* Generation Y Menschen, die in den 80er Jahren geboren worden sind
** Generation X Menschen, die in den 60er und 70er-Jahren geboren wurden

Literatur
[1] Mutige arbeiten Teilzeit – brand eins online http://www.brandeins.de/archiv/2009/arbeit/mutige-arbeiten-teilzeit
[2] Willy Meurer, (*1934), deutsch-kanadischer Kaufmann, Aphoristiker und Publizist, M.H.R. (Member of the Human Race), Toronto[/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]

Schlosser K. Editorial: Sich um die Familie kümmern und Karriere machen? Als Frau oder Mann? Passion Chirurgie. 2015 März; 5(03): Artikel 01.