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Hygiene-Tipp: Versorgung chronischer Wunden

Voraussetzung zur Heilung kritisch kolonisierter sowie infizierter chronischer Wunden ist die antiseptische Behandlung. Deshalb ist bei jeder chronischen Wunde initial ein Screening auf MRSA durchzuführen Für den MRSA-Nachweis wird die gesamte Wundfläche ohne vorherige Reinigung mit leichtem Druck, von innen nach außen in Spiralform, aus dem Zentrum unter Einbeziehung des Randes, abgestrichen. Bei Verdacht auf systemische Ausbreitung der Infektion sollen eine Biopsie oder ein Abstrich vorgenommen werden. Nach Entfernung von Belägen und Spülen der Wunde mit steriler 0,89 prozentiger NaCl- oder Ringerlösung wird der Abstrich unter leichtem Druck aus ca. 1 cm2 vom klinisch infiziert erscheinenden Areal entnommen. Überschreitet die Infektion eindeutig oder fraglich das lokale Wundgebiet, kann das Ausmaß nur durch weiterführende bildgebende Diagnostik (Kontrastmittel-MRT) erfasst werden.

Bei Verdacht auf eine lokale Wundinfektion ist die antiseptische Behandlung indiziert. Eine Entscheidungshilfe ist der therapeutische Index für lokale Infektionen (TILI-Score). Danach ist die therapeutische Antiseptik in folgenden Situationen zu empfehlen [1]:

  • Chirurgische, septische Wunde
  • freier Eiter
  • Kolonisation mit MRSA (präoperativ)
  • Nachweis von P. aeruginosa und mind. zwei der folgenden Zeichen einer lokalen Infektion: rubor, calor, tumor, dolor, functio laesa oder
  • Vorhandensein der folgenden sechs klinischen Parameter: periläsionales Erythem; Überwärmung; Ödem, Verhärtung, Schwellung und/oder Nekrose; spontaner Schmerz oder Druckschmerz; Stagnation der Wundheilung; Anstieg und/oder Änderung der Farbe oder des Geruchs des Exsudats.

Mittel der Wahl für die Wundantiseptik sind Polihexanid basierte Wundantiseptika, z. B. am ersten Tag Serasept® 2 (0,04 % Polihexanid), nachfolgend Serasept® 1 (0,02 % Polihexanid). Polihexanid ist das lokal am besten verträgliche Antiseptikum [2] mit analoger Wirksamkeit wie Hypochlorit, Octenidin oder PVP-Iod [2], aber im Vergleich zu Hypochlorit remanent wirksam. Vor Beginn der antiseptischen Therapie ist die Wunde zu reinigen. Nicht belegte Wunden können ggf. vor der Applikation des Antiseptikums zur Reinigung kurz gespült werden. Hierfür sind physiologische Kochsalz- oder Ringerlösung gleichwertig. Alternativ kann eine antiseptische Wundspüllösung eingesetzt werden, z. B. auf Basis von Hypochlorit (z. B. Granudacyn®). Letzteres ist möglichweise mit dem Vorteil verbunden, dass durch bei der Phagozytose als natürliches Biozid entstehendes Hypochlorit die Wundheilung initial stimuliert wird, was für chronische Wunden wichtig ist. Beläge müssen entfernt werden. Zur Verbesserung der Reinigungsleistung mittels Spülen kann die Kombination eines Tensids mit Polihexanid (Prontosan®) verwendet werden. Das Tensid Betain verstärkt die Reinigungswirkung ohne Herabsetzung der Verträglichkeit [3, 4]. Bei starkem Wundbelag empfiehlt sich eine „Einweichzeit“ von 10 bis 15 min. Nekrosen sind instrumentell abzutragen.

Die Wundreinigung durch Wischen ist sowohl aus rechtlichen wie fachlichen Gründen (Freihalten der Extrazellularmembran von Fremdkörpern) unabhängig von der Einstufung „septisch“ oder „aseptisch“ von innen nach außen durchzuführen [5].

Die gereinigte und ggf. antiseptisch behandelte Wunde wird als Schutz vor Reinfektion, Austrocknung und mechanischer Verletzung, ggf. zur Blutstillung und zur Aufnahme von Sekret, steril abgedeckt. Hierfür ist eine der Wundheilungsphase (Reinigungs-, Granulations-, Epithelisierungsphase) angepasste Wundauflage auszuwählen. Bei infizierten Wunden bilden Wundauflage und Verband eine Barriere zwischen der Umgebung und der Erregerquelle.

Der Verbandwechsel wird in der Regel vom Pflegeteam durchgeführt. Die Zeitspanne wird vom behandelnden Arzt/der Ärztin festgelegt. Der Verbandwechsel ist mit zeitlichem Abstand zu Reinigungsarbeiten im Patientenzimmer oder im Pflege-Arbeitsraum durchzuführen. Während des Verbandwechsels sind Zugluft oder Luftverwirbelung zu vermeiden. Vor jedem Zusammenstellen der benötigten Materialien wird die Arbeitsfläche wischdesinfiziert, eine Händedesinfektion durchgeführt, die Sterilverpackung auf Ablaufdatum und Unversehrtheit überprüft und unmittelbar vor dem Einsatz geöffnet. Abhängig von der Art und Ausdehnung der Wunde kann Schutzkleidung (Mund-Nasen-Schutz, ggf. Schutzhandschuhe) erforderlich sein. Falls bei Patienten mit infizierter großflächiger Wunde eine Schutzschürze angelegt wird, ist diese nach dem Verbandwechsel und nach Kontamination mit erregerhaltigem Material zu wechseln. Ist die Wundauflage mit der Wundfläche „verbacken“, ist sie z. B. mit 0,89 prozentiger steriler NaCl-Lösung zu befeuchten. Die Wundauflage ist auf der Innenseite auf Durchfeuchtung, Blut und Eiterauflagerungen zu inspizieren und ohne Zwischenlagerung in einem separaten Abfallbehälter (möglichst mit Fußbedienung) zu entsorgen. Bei Verschlechterung der Wunde, z. B. Vergrößerung, starker/unangenehmer Geruch, stark nässend oder sehr trocken und bei Fieber ist ein Arzt/Ärztin zu konsultieren. Zur Wundreinigung sind ausschließlich sterile Materialien einzusetzen. Die neue Auflage wird entweder mit sterilem Instrumentarium in „non touch“ Technik oder mit sterilem Handschuh fixiert. Abschließend werden die Hände desinfiziert und der Verbandwechsel protokolliert. Täglich sind Merkmale einer Wundinfektion, z. B. Fieber, CRP und Leukozytose, bei Sepsisverdacht Procalcitonin zu kontrollieren und zu dokumentieren.

Literatur

[1]   Dissemond J, Gerber V, Lobmann R, Kramer A, Mastronicola D, Senneville E, Moisan C, Edwards-Jones V, Mahoney K, Junka A, Bartoszewicz M, Verdú-Soriano J, Strohal R. Therapeutic index for local infections score (TILI): a new diagnostic tool. J Wound Care 2020; 29 (12): 720-6.
[2]   Kramer A, Dissemond J, Kim S, Willy C, Mayer D, Papke R, Tuchmann F, Assadian O. Consensus on wound antisepsis: Update 2018. Skin Pharmacol Physiol 2018;31(1):28–58.
[3]   Müller G, Koburger T, Jethon F, Kramer A. Vergleich der bakterioziden Wirksamkeit und In-vitro-Zytotoxizität von Lavasept® und Prontosan®. GMS Krankenhaushyg Interdiszip 2007;2(2):Doc42.
[4]   López-Rojas R, Fernández-Cuenca F, Serrano-Rocha L, Pascual Á. In vitro activity of a polyhexanide-betaine solution against high-risk clones of multidrug-resistant nosocomial pathogens. Enferm Infecc Microbiol Clin 2017;35(1):12-9.
[5]   Schwarzkopf A. Wunde auswischen – aber wie? Wund Management 11 (2017): 304–5

Kramer A, Seifert J: Hygiene-Tipp: Versorgung chronischer Wunden. Passion Chirurgie. 2023 April; 13(04): Artikel 04_02.

Verantwortlichkeit und Aufgaben von Hygienebeauftragten Ärzten

Aufgrund des in einigen Bereichen geradezu sprunghaften Wissenszuwachses in Bezug auf Strategien und Einzelmaßnahmen zur Prävention nosokomialer Infektionen (NI) und der globalen Ausbreitung multiresistenter Erregern (MRE) sind die Aufgabenstellungen zur Prävention von NI deutlich komplexer geworden. Um die dafür erforderlichen organisatorischen und personellen Voraussetzungen zu erweitern, wurde 2011 das Infektionsschutzgesetz (IfSG) novelliert. Damit wurden die Rahmenbedingungen zur Umsetzung der Krankenhaushygiene entscheidend ausgestaltet. Das betrifft insbesondere erhöhte Anforderungen an die Struktur- und Prozessqualität, umfassendere Planungs- und Dokumentationspflichten der Krankenhäuser, die sektorenübergreifende Infektionsprävention, verschärfte Meldepflichten und die Überwachung durch den öffentlichen Gesundheitsdienst.

Da für die Umsetzung des IfSG die ausreichende Kapazität an Hygienefachpersonal sowie an Hygienebeauftrage Ärzte (HBA) unerlässlich ist, wurde 2013 das Hygiene-Förderprogramm zur finanziellen Unterstützung der Krankenhäuser verabschiedet. Es dient der Förderung der Aus- und Weiterbildung von Fachärzten für Hygiene bzw. Mikrobiologie, der strukturierten curricularen Fortbildung „Krankenhaushygiene“. Auch Hygienefachkräfte, also Hygienefachpersonal, auf der einen Seite und die Weiterbildung von HBA auf der anderen Seite werden als ein wesentlicher Beitrag zum Ausbau der Sicherheitskultur gefördert.

Zielsetzung der Initiativen der deutschen Bundesregierung ist die Senkung von NI auf das unvermeidbare Minimum, indem Infektionsschutz und Hygienequalität konsequent und nachhaltig umgesetzt werden.

Gemäß IfSG müssen Krankenhäuser, Einrichtungen für Ambulantes Operieren, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, in denen eine den Krankenhäusern vergleichbare medizinische Versorgung erfolgt, Dialyseeinrichtungen und Tageskliniken innerbetriebliche Verfahrensweisen zur Infektionshygiene in Hygieneplänen festlegen. Mit Ausnahme von Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein ist diese Anforderung in den Landeshygieneverordnungen auch auf Arzt- und Zahnarztpraxen, in denen invasive Eingriffe vorgenommen werden, erweitert worden. Dazu zählt bereits die Verabreichung einer Spritze oder das Setzen von Akupunkturnadeln [7]. Ebenso wurde der hygienerelevante Maßnahmenkatalog für ambulant operierende Einrichtungen und Dialyseeinrichtungen über die Länderhygieneverordnungen in unterschiedlichem Ausmaß erweitert. Auch hier muss Fachpersonal zur Beratung zur Verfügung stehen und der HBA muss die Umsetzung übernehmen [11]. Für die Erstellung der Hygienepläne wird ein fundiertes Fachwissen benötigt, wie es z. B. in den Grundkursen für HBA vermittelt wird.

Bestellung

Die Bestellung von HBA ist bundeseinheitlich nur für Krankenhäuser sowie für Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen festgelegt. Zusätzlich wurden in den Landeshygieneverordnungen länderspezifische Erweiterungen getroffen (Tab. 1) . Da die Länder hoheitliche Regelungen bei der Bestellung von hygienerelevantem Personal treffen können, sind die Regelungen zwischen den Bundesländern inhomogen. Daraus ergibt sich die Konsequenz, dass länderhoheitliche Regelungen bei der Auseinandersetzung mit Kontrollbehörden gelten, während bei der Beurteilung von Schadensfällen die übergeordneten Regelungen auf Bundesebene die Basis für die Beurteilung eines rechtskonformen und sicheren Umgangs mit hygienerelevanten Tatbeständen bei der Behandlung von Patienten, gelten.

Tab. 1: Erweiterung der Bestellung von HBA auf Länderebene

Bundesland
Tagesklinik
Ambulantes Operieren
Dialyse
Arzt-, Zahnarztpraxen

Bayern

+

+

Berlin (nur bei hohem Risiko für NI)

+

+

+

Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen, MV, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen

+

+

+

Brandenburg

+

+

Bremen, Rheinland-Pfalz, Saarland

+

NRW

+

+

+

+

Sachsen

Bemerkenswert ist, dass in NRW auch für Arzt- und Zahnarztpraxen sowie sonstige medizinische Einrichtungen die Bestellung festgelegt ist, was in Anbetracht von Mängelanalysen in diesem Bereich [1-4] zu einer durchgreifenden Verbesserung führen dürfte. Bei einer Analyse von Gerichtsentscheidungen zu hygienisch relevanten Fehlern [5] wird deutlich, dass z. B. in Einrichtungen für Ambulantes Operieren gravierende Mängel zu Haftungsansprüchen geführt haben [6].

Derzeit ist allerdings nicht klar definiert, ab wann ein invasiver Eingriff unter die Begrifflichkeit des ambulanten Operierens fällt. In diesem Fall sollten die Risikobewertung für die Entstehung einer NI und die sich daraus ergebenden Anforderungen an die Infektionsprävention zugrunde gelegt werden. Sofern in Arztpraxen invasive Eingriffe mit erhöhtem Infektionsrisiko durchgeführt werden, sollten diese einen Arzt zum HBA weiterbilden; das betrifft z. B. Kiefer-Gesichts-Chirurgen, Praxen, in denen endoskopische Eingriffe durchgeführt werden (z. B. Gastroenterologie, Urologie, HNO und Gynäkologie), Augenarztpraxen, sofern dort invasive Eingriffe durchgeführt werden, interventionelle Radiologie, aber auch z. B. Zahnärzte, die eine Knochenaugmentation durchführen, sowie ambulante OP-Zentren. Bei der Risikoeinschätzung ist zu berücksichtigen, dass den aufgrund der Invasivität und komplexen Übertragungsmöglichkeiten höheren Infektionsrisiken in stationären Einrichtungen im allgemeinen eine etablierte Hygienestruktur gegenübersteht, während das in Praxen häufig nicht gegeben ist. So wurden fehlende Hygienepläne und nicht erfolgte Personalschulungen zur Hygiene juristisch als Organisationsverschulden bewertet [8].

Verantwortlichkeit

HBA sollen in ihrem Gebiet Facharzt und weisungsbefugt sein [9]. Sie haben aufgrund ihrer fachspezifischen Expertise eine wichtige Verantwortung für den Erfolg des Gesamtkonzepts der Prävention von NI (Tab. 2).

Tab. 2: Aufgabenspektrum für HBA (modifiziert nach 9 und 11)

Aufgabenbereich

Krankenhaus bzw. vergleichbare Einrichtung innerhalb des Verantwortungsbereichs des HBA

Arzt-, Zahnarztpraxis

Betrieblich-organisatorische Aufgaben

Vermittlung von Entscheidungen aus der Hygienekommission als

Bindeglied zwischen Behandlungs- und Hygieneteam

Erarbeitung des Hygieneplans

Erarbeitung von SOPs für die Aufbereitung von Medizinprodukten sowie zur Infektionsprävention bei diagnostischen oder therapeutischen Interventionen

Realisierung der Surveillance in Einrichtungen für Ambulantes Operieren

Mitarbeit in speziellen AGs zu Fragen der Infektionsprävention (Mitsprache bei der Erarbeitung von Standards)

Abteilungs-/bereichsbezogene Unterstützung des Hygienefachpersonals

bei der Analyse bereichsspezifischer Infektionsrisiken

Falls die Landeshygieneverordnung die Beratung durch Hygienefachpersonal vorsieht, werden die betrieblich-organisatorischen Aufgaben in Zusammenarbeit mit dem Hygienefachpersonal realisiert.

beim Erstellen des Hygieneplans

bei der Fortbildung des Personals im Bereich der Infektionsprävention

bei der Durchführung der

Infektionssurveillance

Optimierung des Antibiotikaeinsat-zes

in Zusammenarbeit mit

Mikrobiologie und klinischer

Infektiologie

Erfassung und Bewertung des Antibiotikaverbrauchs

Ausbruch­management

zeitnahes Erkennen und Melden von Ausbrüchen (schon bei begründetem Verdacht) an die ärztliche Leitung, das Hygienefachpersonal und ggf. das

Gesundheitsamt

zeitnahes Erkennen, Melden und Beherrschen von Ausbrüchen (nur im Ausnahmefall relevant)

Abklärung infektiöser

Komplikationen

Mitwirkung beim

Ausbruchsmanagement

Bundesland
Tagesklinik
Ambulantes
Operieren
Dialyse
Arzt-, Zahnarztpraxen

Bayern

+

+

Berlin (nur bei hohem Risiko für NI)

+

+

+

Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen, MV, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen

+

+

+

Brandenburg

+

+

Bremen, Rheinland-Pfalz, Saarland

+

NRW

+

+

+

+

Sachsen

In Abhängigkeit von der Einrichtungsgröße setzt der ärztliche Vorstand – sofern er nicht selbst diese Funktion übernimmt – einen oder mehrere HBA ein. In Einrichtungen mit mehreren Fachabteilungen mit besonderem Risikoprofil für NI sollte für jede Fachabteilung ein HBA bestellt werden, z. B. Ophthalmologie, Chirurgie, Gynäkologie, Dermatologie, HNO, Nephrologie, ITS, Onkologie, Pädiatrie, Neonatologie, MKG, Strahlentherapie und Urologie. In größeren Einrichtungen sollte für den Vertretungsfall nach Möglichkeit ein weiterer Facharzt weitergebildet werden.

Zeitliche Verfügbarkeit, Aufgaben, Zuständigkeit und Verantwortung sind in Form einer schriftlichen Ergänzung zum Arbeitsvertrag festzulegen. Wichtig sind die ausreichende zeitliche Freistellung ggf. auch eine zusätzliche Vergütung [10]. Die HBA setzen in enger Zusammenarbeit mit dem Hygienefachpersonal die Hygienemaßnahmen fachspezifisch um und gehen Ursachen von NI nach, um zeitnah Maßnahmen einzuleiten.

Aufgabenspektrum

Es gibt praktisch keine Tätigkeit in der Patientenversorgung, bei der nicht Maßnahmen der Infektionsprävention zu berücksichtigen sind. Hierfür werden ein solides Grundwissen und ein für den Betreuungsbereich relevantes Spezialwissen benötigt. In Tabelle 2 sind die wesentlichen Aufgaben für den HBA zusammengefasst.

Die HBA setzen die Hygienepläne in Zusammenarbeit mit dem Hygienefachpersonal fachspezifisch um und gehen den Ursachen von NI nach, um zeitnah Maßnahmen einzuleiten. Muss aufgrund der Einrichtungsgröße kein Hygienefachpersonal bestellt werden bzw. auch nicht zur Beratung zur Verfügung stehen, müssen die HBA das Hygienemanagement selbstständig ausarbeiten und für dessen Umsetzung Sorge tragen. Dabei kann das Gesundheitsamt als beratender Partner in Anspruch genommen werden. Mit einer von beiden Seiten kooperativen Haltung ist das gemeinsame Ziel der Infektionsprävention am besten erreichbar.

Weiterbildung

Die erforderlichen Kenntnisse werden in einem 40 h (à 45 min) Grundkurs erworben, dessen Inhalt den Vorgaben der Fachgesellschaften entspricht und durch eine Landesärztekammer anerkannt ist [9]. Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene hat 2010 ein Curriculum für einen derartigen Grundkurs veröffentlicht (Tab. 3).

Da sich seit 2010 weitere notwendige Weiterbildungsinhalte ergeben haben, wurde das Curriculum der DGKH durch den Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V. (BDC) um folgende Themenbereiche erweitert:

  • Flächenreinigung und -desinfektion,
  • Antibiotic Stewardship,
  • Screening von MRE,
  • Einbeziehung von Patienten und Besuchern in die Infektionsprävention,
  • Bündelstrategie,
  • Durchführung krankenhaushygienischer Analysen,
  • Sicherheitskultur und Kommunikation,
  • Kosteneffektivität von Infektionspräventionsmaßnahmen.

Bei der Umsetzung der S3-Leitlinie „Strategien zur Sicherung rationaler Antibiotika-Anwendung im Krankenhaus“ [13] stehen folgende Aufgabenstellungen im Mittelpunkt:

  • Darstellung und Interpretation stationsbezogener Verbrauchsdaten zu Antiinfektiva in Form der Anwendungsdichte,
  • Orientierung der Antibiotikatherapie anhand der lokalen Resistenzsituation mit kontinuierlicher Anpassung der lokalen Antibiotikaempfehlungen an die Resistenzdaten,
  • elektronische Verfügbarkeit lokaler Therapieleitlinien,
  • indikationsbezogene Empfehlungen für den Einsatz von Antiinfektiva sowie
  • perioperative Antibiotikaprophylaxe bei MRE.

Bisher boten verschiedene Landesärztekammern und andere Institutionen den Grundkurs für HBA als fünftägige Präsenzveranstaltung an. In Anbetracht der im Regelfall nicht üppig besetzten Personalstruktur im Bereich der Leistungserbringer ist die Abwesenheit für einen fünftägigen Kurs häufig nur schwer zu verschmerzen. Das gilt insbesondere für niedergelassene Ärzte oder Einrichtungen, in denen eine geringe Anzahl von pflegerischem und ärztlichem Personal für Hygiene überhaupt vorhanden ist. Einen modernen Weg des Wissenserwerbs bildet das E-Learning. Hier kann man ohne wesentliche Abwesenheitszeiten individuell die Lernstruktur bestimmen und sich die Lehrinhalte ohne Frontalunterricht aneignen. Deshalb entwickelte der BDC mit Unterstützung der Bundesärztekammer sowie einiger Landesärztekammern einen Blended Learning-Kurs, bestehend aus E-Learning-Teil und zweitägiger Präsenzveranstaltung [14]. In 13 E-Learning-Modulen wird das Wissen des DGKH-Curriculums einschließlich der oben aufgeführten Erweiterungen nach einheitlicher Didaktik vermittelt. Jedem Modul sind die entsprechenden gesetzlichen und normativen Grundlagen vorangestellt, und jedes Modul wird mit Wissensfragen zur Selbstüberprüfung abgeschlossen. Am Ende der E-Learning-Phase steht ein Multiple-Choice-Test, der mit mindestens 70 % korrekt beantworteten Fragen abgeschlossen werden muss, um zum Präsenzteil zugelassen zu werden.

Tab. 3: Empfehlung für den Grundkurs für HBA [12]

Kursinhalt
Mindestumfang (h)

Gesetzliche und normative Regelungen zur Krankenhaushygiene

2,5

Hygienemanagement und Aufgaben des Hygienefachpersonals

2,5

nosokomiale Infektionen

(klinische, mikrobiologische und epidemiologische Grundlagen)

3

Surveillance von NI

2

Ausbruchmanagement

2

Hygienemaßnahmen beim Umgang mit infektiösen Patienten

2

Krankenhaushyg. Begehungen, Analysen und Umgebungsuntersuchungen

2

Verfahrensweisen zur Prävention von NI (ärztlich, pflegerisch, technisch)

4

Hygieneanforderungen in verschiedenen Funktions- und Risikobereichen

4

Händehygiene

2

Haut-, Schleimhaut- und Wundantiseptik

1

Aufbereitung von Medizinprodukten

4

Schutzkleidung und -ausrüstung

1

Anforderungen an Krankenhauswäsche

!

Lebensmittel- und Küchenhygiene

2

Hygieneanforderungen an die Wasserversorgung, Trinkbrunnen, Bäder u a.

2

Anforderungen an bauliche und technische Ausstattungen

zur Prävention von NI

2

Anforderungen an die Entsorgung (Abfälle, Abwasser)

1

Der zweitägige Präsenzteil vertieft einzelne Inhalte, plausibilisiert den Wissenserwerb und bietet die Plattform für den persönlichen Austausch zu speziellen Themen, die weder im Frontalunterricht noch im E-Learning in allen Details dargestellt werden können. Um spezielle Bedürfnisse der Teilnehmer gezielt berücksichtigen zu können, werden die Teilnehmer in Abstimmung mit den jeweiligen berufsständischen Organisationen soweit möglich nach Facharztrichtungen zusammengefasst.

Der Erwerb des Zertifikats wird mit 60 CME-Punkten anerkannt. Abschließend erhalten die Teilnehmer den Kursinhalt in elektronischer Form als Nachschlagewerk. Als zusätzliche Leistung werden die Module jährlich kostenfrei aktualisiert zur Verfügung gestellt. Außerdem stehen die Hygieneexperten des Herausgeberboards für fachliche Beratung zur Verfügung. Weitere Informationen finden Interessierte im eCME-Center.

Haftungsrechtliche Aspekte

Krankheitserreger sind in Krankenhäusern und Arztpraxen an offensichtlichen ebenso wie an unerwarteten Lokalisationen zu finden, denn es gibt weder das sterile Krankenhaus noch den nicht mikrobiell besiedelten Patienten und Besucher. Demzufolge besteht kein Nullrisiko für NI, wohl aber eine Nulltoleranz gegenüber Hygienemängeln mit der Konsequenz, dass evidenzbasierte Hygienemaßnahmen zur Infektionsprävention zu einer Multibarrierenstrategie zusammengeführt und umgesetzt werden müssen. Das bedeutet ferner, dass im Fall eines Schadenersatzprozesses der klagende Patient neben der schuldhaften Sorgfaltspflichtverletzung auch den Ursachenzusammenhang zwischen der Fehlerhaftigkeit und dem Schaden beweisen muss. Allerdings wird ein Abweichen vom empfohlenen Hygienestandard der KRINKO seitens der Rechtsprechung immer häufiger als grob fehlerhaft gewertet. In diesem Fall muss die beklagte Gesundheitseinrichtung beweisen, dass der Gesundheitsschaden auch bei Einhaltung der gebotenen Hygieneanforderung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eingetreten wäre. Sofern die Bestellung von HBA auf Landes- oder Bundesebene festgelegt, aber nicht realisiert ist, kann das bereits als Behandlungsfehler mit der Konsequenz eingestuft werden, dass die Einrichtung den Kausalitätsbeweis führen muss [11]. Geht eine Infektion aus einem hygienisch beherrschbaren Bereich hervor, ist der Entlastungsbeweis in jedem Fall seitens des Behandlers bzw. der Einrichtung zu führen. In diesem Fall müssen zur Entlastung (Beweislastumkehr) alle organisatorischen und technischen Vorkehrungen gegen eine von dem Personal der Klinik oder der Arztpraxis ausgehende vermeidbare Infektionsübertragungen getroffen worden sein (Urteil 154 in [5]).

Die Leitung der Einrichtungen, die Patientenversorgungen durchführen, ist verantwortlich für die gesetzeskonforme Einhaltung der Patientenbehandlung. Diese kann auf nachfolgende Mitarbeiter delegiert werden, dennoch hat der Vorstand/die Geschäftsführung letztendlich die Verantwortung für den gesetzeskonformen Umgang bei der Behandlung von Patienten. Sollte es zu einem Schadensfall kommen, kann es sein, dass auch die übergeordnete Leitung der Einrichtung haftet, wenn ein Organisationsverschulden im Sinne einer nicht gesetzes- und regelkonformen Schulung des Personals vorliegt. Aus diesem Grund ist die gesetzeskonforme Schulung der Mitarbeiter auch unter dem Aspekt der Leitung der Einrichtungen essenziell für einen störungs- und haftungsfreien Betrieb.

Fazit

In der Prävention von NI ist das Konzept der Sicherheit ein zentrales Element des Handelns. Standen noch Mitte des 20. Jahrhunderts insbesondere in der deutsch geprägten Krankenhaushygiene technische und baulich funktionelle Sicherheitsaspekte im Vordergrund, ist in den letzten Jahrzehnten insbesondere durch Erkenntnisse aus dem anglo-amerikanischen Raum, aber auch aufgrund der Strategie eines sich kontinuierlich verbessernden ganzheitlichen Managementprozesses aus dem asiatischen Kulturdenken, ein Paradigmenwechsel mit der Zielsetzung der Etablierung an ständig veränderte Gegebenheiten anzupassender Hygienestandards eingetreten. HBA nehmen hierbei eine Schlüsselstellung in der Umsetzung der Infektionsprävention im fachspezifischen ärztlichen Bereich ein, sind Seismographen für hygienische Mängel und werden in der Infektionsprävention durch das Hygienefachpersonal unterstützt.

Die Prävention von NI kann nur als interdisziplinäre Gemeinschaftsaufgabe erfolgreich realisiert werden. Dabei müssen folgende Handlungsebenen miteinander verzahnt werden:

  • Etablierung des Qualitätsmanagements (QM) der Hygiene einschließlich Anleitung, Schulung und krankenhaushygienische Überwachung durch das Hygienefachpersonal im Zusammenwirken mit den HBA, den Hygienebeauftragten in der Pflege sowie dem ärztlichen Team, dem Pflegeteam und Spezialbereichen (mikrobiologische Diagnostik, ZSVA, Hausreinigung, betriebsärztlicher Dienst, Krankenhausapotheke)
  • Realisierung von Antibiotic Stewardship (ABS)-Programmen (in Abhängigkeit von der Einrichtungsgröße mit Einsetzung eines koordinierenden Infektiologen)

Kramer A. / Bartels C. / Ansorg J. / Seifert J. Verantwortlichkeit und Aufgaben von Hygienebeauftragten Ärzten. Passion Chirurgie. 2015 Januar, 6(01): Artikel 02_01.