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Der EPatient-Survey zeigt, wie Patienten das Internet heute nutzen

Therapiebezogene Internetdienste und Apps prägen mehr und mehr das Therapieverhalten und die Meinung der Patienten über ihre Erkrankung. Das ist ein Ergebnis des 5. EPatient-Surveys. Laut der Umfrage nutzen das Internet rund 40 Millionen Bürger, also die Hälfte aller im Land lebenden Menschen, um sich über Gesundheits- und Krankheitsfragen zu informieren.

„Die Deutschen haben sich in Sachen Gesundheit emanzipiert“, sagt Autor Dr. Alexander Schachinger von EPatient RSD bei der Vorstellung der Studie. Die landesweit größte Befragung zum „Patienten im Netz“ zeige, dass sich die Bürger nicht nur informieren, sondern auch immer häufiger neue Dienste nutzen. „Für Millionen von Bürgern – Gesunde wie Patienten  sind webbasierte Krankheits- und Gesundheitsdienste jetzt schon Realität“, betont Schachinger. Der Forscher konstatiert dabei, dass diese Entwicklung weitgehend losgelöst vom traditionellen Gesundheitswesen stattfindet: Während Wissenschaft und Politik abstrakt über Evaluation und Gütesiegel debattierten, sammelten die Patienten praktische Online-Kompetenz. Die neue Generation von Anwendungen werde mehrheitlich von Herstellern, insbesondere Startups angeboten, die ursprünglich nicht dem Gesundheitssystem angehörten.

Nutzer verfügen über hohes Bildungsniveau Laut der Studie liegt der durchschnittliche Gesundheits-Surfer mit 59 Jahren über dem demographischen Durchschnitt. Die Befragten seien allerdings höher gebildet als der Bevölkerungsdurchschnitt. 32 Prozent verfügten über einen Hochschul- oder Fachhochschulabschluss. 54 Prozent der Gesundheits-Surfer seien Frauen. Ein wesentlicher Auslöser, um ins Netz zu gehen, sei die persönliche Betroffenheit: 43 Prozent der Teilnehmer gaben an, chronisch krank zu sein, 29 Prozent surften aufgrund akuter Beschwerden, 15 Prozent aus allgemeinem Interesse. 13 Prozent nutzten das Internet, weil Angehörige unter gesundheitlichen Problemen leiden.

Wofür wird das Netz genutzt?

Besonders beliebt unter den Befragten war laut Schachinger, sich über Medika- mente im Netz zu informieren und ihre Verträglichkeit zu checken. 43 Prozent der Befragten nutzten diese Möglichkeit. 38 Prozent hatten im Internet bereits Medikamente oder Arzneimittel gekauft und 22 Prozent in Online-Foren Fragen gestellt oder diskutiert. Insbesondere neuere Apps und Anwendungen verbreiteten sich derzeit, so der Autor: 9 Prozent der Befragten verwendeten Coaching-Apps, um mit ihrer Erkrankung im Alltag besser um- zugehen. Ebenfalls 9 Prozent nutzten eine App in Zusammenhang mit einem Medizingerät, beispielsweise für Datensammlung oder den richtigen Gebrauch. 6 Prozent ließen sich von einer App dabei unterstützen, ihre Medikamente richtig einzunehmen. Und ebenfalls bereits 6 Prozent der Patienten gaben an, eine elektronische Gesundheitsakte zu nutzen, obwohl sie diese teilweise selbst bezahlen und pflegen müssen. Noch in der Pilotphase befinden sich Online-Sprechstunden, nur 0,7 Prozent haben sie bereits genutzt.

Überwiegend große Zufriedenheit mit neuen Anwendungen

„Während das Gesundheitssystem blockiert, haben Patienten den Nutzen von Apps längst entdeckt“, betont Schachinger. 46 Prozent der Befragten gaben an, durch eine Medikamenten-App deutlich besser, 30 Prozent etwas besser mit ihrem Medikationsregime zurecht zukommen. Coaching-Apps überzeugten ferner durch ihre Leistung: 80 Prozent ihrer Nutzer hatten dadurch ihre Erkrankung „deutlich“ bis „etwas besser“ im Griff. Ebenfalls 80 Prozent derjenigen, die eine App zusammen mit einem medizinischen Gerät nutzen, speicherten ihre Werte dadurch regelmäßig und hatten einen vollständigeren und besseren Überblick über ihren Krankheitsverlauf. 87 Prozent der Nutzer von Online-Gesundheitsakten gaben an, sie helfe ihnen deutlich bei unterschiedlichen Arztbesuchen und bei Zugriff auf Krankheitsdaten.

Zwangsweise Patientensouveränität“

Auf die Frage, aus welcher Quelle die Teilnehmer die Informationen zu Apps und Online-Diensten erhalten haben, antworteten 58 Prozent, dass sie selbst darauf gestoßen wären. 20 Prozent hatte den Tipp über die Medien bekommen, 14 Prozent über Freunde. Dagegen wünschten sich knapp über die Hälfte der Nutzer (51 Prozent) Empfehlungen vom Arzt, 34 Prozent von der Krankenkasse, nur 27 Prozent wollen auch weiterhin alleine im Netz suchen. Es folgen Patientenorganisationen (22 Prozent), Apotheke vor Ort (17 Prozent), Krankenhaus (10 Prozent), Hersteller (10 Prozent) und Versandapotheke (5 Prozent). „Patientensouveränität wider Willen,  51% so könnte man die Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit zusammenfassen“, konstatiert Studien-Autor.

Langsam wachsende Zahlungsbereitschaft

Mit dem Nutzen wächst auch die Zahlungsbereitschaft, so Schachinger. 8 Prozent der Umfrageteilnehmer haben bereits Geld in einen Dienst investiert. Im Vorjahr waren es  3 Prozent. Die Bereitschaft dafür ist allerdings wesentlich höher: 28 Prozent könnten sich vorstellen, zwischen 10 bis 20 Euro zu bezahlen. 11 Prozent geben an, dass Geld keine Rolle spielt, wenn die App oder der Dienst bei der Therapie nachweislich helfen kann. 50 Prozent sind grundsätzlich nicht bereit, für Apps oder Online-Dienste zu bezahlen. In der Vorgängerumfrage von 2015 waren dies noch 80 Prozent.

Gespaltene Meinungen beim Thema Datenschutz

In einer offenen Antwortkategorie konnten die Befragten angeben, ob sie der Meinung sind, man könne dem Internet Daten anvertrauen oder nicht. Nur 7 Prozent hatten dazu keine Meinung, ebenfalls 7 Prozent waren dabei unsicher oder unentschieden, 43 Prozent plädierten für die Nutzung webbasierter Datenverarbeitung, ebenso viele lehnten diese jedoch ab.

Druck auf Ärzte und andere Akteure wächst

Mit der Gesamtentwicklung verbunden ist laut Schachinger ein steigender Druck auf Ärzte, Kliniken und weitere Akteure, „den digitalen Patienten abzuholen und ihm entsprechen zu können“. Handlungsbedarf sieht er vor allem auf Seiten der Mediziner, die sich viele Patienten als „digitalen Lotsen“ wünschten. Sie bräuchten Hinweise, welche Apps gut sind und welche sie ihren Patienten empfehlen könnten. Das Ausland sei in der E-Patient-Forschung wesentlich weiter. Schachinger warnt: „Deutschlands Evaluationsforscher hinken der internationalen Entwicklung rund fünf Jahre hinterher. Was fehlt“, bemerkt er mit Blick auf die jüngste Gesundheits- App-Studie der Universität Hannover, „ist, dass zum einen internationale Erfahrungen berücksichtigt und zum anderen ihre Konzepte für digitale Praxis auch in Deutschland angewandt werden.“

Quelle: Presseagentur Gesundheit, Albrechtstraße 11, 10117 Berlin, www.pa-gesundheit.de, 26.08.2016