14.04.2021 Pressemitteilungen
70 Prozent angehender Chefarzt-AspirantInnen sehen Einflussmöglichkeiten in der Balance zwischen Ökonomie und Ethik

In 46 Prozent der Bewerbungsgespräche dominieren wirtschaftliche Zielsetzungen. Jeder Fünfte fühlt sich unter Druck gesetzt.
Die Ökonomisierung im Gesundheitswesen ist sechzehn Jahre nach Einführung der Diagnosis Related Groups (DRG) weit vorangeschritten und beeinflusst maßgeblich auch die Berufsausübung der Chirurgen. Der Berufsverband der Deutschen Chirurgen hat deswegen im Bundestagswahljahr eine Umfrage unter seinen Mitgliedern initiiert, um den Stellenwert von ökonomischen Zielsetzungen in Bewerbungsgesprächen auf Chefarzt-Positionen sowie den Umgang der BewerberInnen damit, zu untersuchen.
Das Ergebnis: 46 Prozent der Befragten erklärten, dass wirtschaftliche Ziele in den Einstellungsgesprächen einen hohen Stellenwert hatten. Rund 75 Prozent der Befragten berichteten von Anforderungen wie Mitarbeit bei der Unternehmensentwicklung über die Steigerung von Patientenzahlen bis zur Stärkung der Wettbewerbsposition des Unternehmens. Mehr als 40 Prozent von ihnen sahen sich mit dem Management knapper Personalressourcen im Gespräch konfrontiert.
Jeder Dritte der BewerberInnen gab aber auch an, sich durch die wirtschaftlichen Anforderungen im Stellenprofil nicht unter Druck gesetzt zu fühlen. Rund 70 Prozent der Chefarzt-AspirantInnen sehen gar Chancen, die Gewichtung von Ökonomie und medizinethischen Erwägungen in ihrer späteren Abteilung durch das eigene Verhalten beeinflussen zu können. Jeder Fünfte der Befragung gab an, einen Druck durch die ökonomischen Ziele zu verspüren.
Auf die Frage, ob in konkreten Einzelfällen einmal eine OP-Indikation gestellt wurde, die nicht zwingend geboten war, aber die der Erreichung ökonomischer Ziele diente, antworteten 85 Prozent der ChirurgInnen mit Nein.
Mitautor und Mitglied erweiterter Vorstand des BDC, Prof. Dr. Carsten Johannes Krones: „Die Befragung legt offen in welchem Spannungsfeld sich der Beruf des Chefarztes und der Chefärztin heute befindet. Wir sehen aber auch das Potenzial der Chefärzte und Chefärztinnen, sich in Bewerbungsgesprächen als Gesprächspartner auf Augenhöhe präsentieren zu können und die wirtschaftlichen Ziele im Sinne eines nachhaltigen Krankenhausmanagements gemeinsam mit der Geschäftsführung zu definieren. Denn der Arztberuf ist und bleibt ein freier Beruf und damit gilt auch im Anstellungsverhältnis die ärztliche Weisungsfreiheit, also im Kern die Therapiefreiheit.“
Dr. Erik Allemeyer, Autor der Studie: „Dabei ist es uns wichtig klarzustellen: Ökonomische Rahmenbedingungen sind auch in der Medizin notwendig. Der überwiegende Teil der Befragten sieht dies offenkundig ebenso und ist bereit zur Mitgestaltung der medizinischen und wirtschaftlichen Anforderungen in der künftigen Position. Das sollte dann auch eingefordert werden.“
Prof. Dr. Werner Vogd, Universität Witten/Herdecke, Mitautor der Studie: „Es ist seit mehr als zehn Jahren allen Beteiligten bekannt, dass das DRG-System, so wie es derzeit konfiguriert ist, die falschen Anreize setzt. Chefärzte stehen hier besonders unter Druck.“
Prof. Dr. Dr. med. Karl-Heinz Wehkamp, Socium Forschungszentrum, Universität Bremen, Mitautor der Studie: „Das Ergebnis unserer Studie ist ein weiteres Indiz dafür, dass die Krankenhausmedizin strukturell unter die Herrschaft kaufmännischer und wettbewerblicher Prämissen geraten ist. Ein Krankenhaus sucht heute Chefärzte, die nicht nur betriebswirtschaftlich denken und handeln, sondern die auch die Zumutung aushalten müssen, mit äußerst knapp kalkuliertem Personal und Material zu arbeiten. Medizinische Qualitätsstandards werden somit unvermeidlich bedroht.“
Zum Studiendesign
Die Umfrage wurde unter ChefärztInnen aller chirurgischen Fächer, die zwischen 2016 und 2019 eine Führungsposition übernommen haben, durchgeführt. Insgesamt 1.890 beim BDC registrierte chirurgische ChefärztInnen und OberärztInnen wurden angeschrieben, davon beteiligten sich 455 an der Umfrage, 114 von ihnen sind im Untersuchungszeitraum in eine Chefarztposition gewechselt. Die Teilnehmer arbeiten trägerübergreifend an kommunalen wie privaten und freigemeinnützigen Einrichtungen. Darüber hinaus wurden sieben ÄrztInnen in qualifizierten Interviews befragt.
Kontakt zu den Autoren der Studie
Dr. med. E. Allemeyer
Niels-Stensen-Kliniken
Franziskus Hospital Harderberg
Tel. 0541-502-2910
E-Mail: erik.allemeyer@niels-stensen-kliniken.de
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