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Der Mensch hat im Verlauf seiner langen Evolution stets ein breites Spektrum an sekundären Pflanzenstoffen als ständige Begleiter seiner pflanzlichen Nahrung zu sich genommen. Die Pflanzen wurden in roher, unverarbeiteter Form verzehrt. Diese Form der Ernährung steht im krassen Gegensatz zur aktuellen Ernährungsweise in den Überflussgesellschaften, die kaum rohe, unverarbeitete Lebensmittel enthält. Im Gegenteil, die Ernährung besteht vorwiegend aus stark verarbeiteten Nahrungsmitteln und etwa zur Hälfte aus tierischen Produkten, die keine artgerechte Nahrung für den bewegungsarmen Wohlstandsbürger darstellen. Eine zeitgemäße und nachhaltige Ernährung, wie sie inzwischen auch von der WHO empfohlen wird, basiert vorwiegend auf Pflanzen, die allein fähig sind, neben den gesundheitsfördernden Ballaststoffen auch die unter anderem antikanzerogen wirkenden sekundären Pflanzenstoffe zu bilden.

Mechanismen der Kanzerogenese und Antikanzerogenese

In jeder menschlichen Zelle befinden sich Gene für die Entstehung einer Krebszelle, deren Expression normalerweise blockiert ist. Der molekularbiologische Mechanismus der Krebsentstehung besteht aus der Aktivierung von Onkogenen und der Inaktivierung von Tumor-Suppressor-Genen. Gentoxische Kanzerogene induzieren die Krebsentstehung (Induktion) durch eine Veränderung der molekularen Struktur der DNA. Nicht gentoxische Kanzerogene fördern das Tumorwachstum (Promotion). Das weitere Wachstum des Tumors (Progression) ist meist ein langdauernder Prozess, der sich über Jahrzehnte hinziehen kann.

Initiatoren der Kanzerogenese sind u. a. Strahlen, Viren und chemische Substanzen, die sich in Lebensmitteln befinden können wie Nitrosamine, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe und heterozyklische Amine. Als Promotoren der Kanzerogenese in der Nahrung gelten unter anderem bestimmte Fettsäuren und eine erhöhte Nahrungsenergiezufuhr sowie Alkohol. Der menschliche Körper besitzt zahlreiche Schutzmechanismen, um sich gegen die Wirkung von Promotoren zu schützen. Zu diesen Antipromotoren zählen einige Vitamine und Mineralstoffe sowie viele sekundäre Pflanzenstoffe.

Wirksame Maßnahmen zur Krebsprävention bestehen daher im Verzehr von Lebensmitteln die Antipromotoren enthalten, also Pflanzen sowie das Meiden des Verzehrs von Nahrung, die Initiatoren und Promotoren enthalten, wie geräucherte, gepökelte und kontaminierte Produkte.

Sekundäre Pflanzenstoffe

Unter dem Begriff sekundäre Pflanzenstoffe wird in der Ernährungswissenschaft eine große Zahl pflanzlicher Inhaltsstoffe mit unterschiedlichen Strukturen zusammengefasst, die gesundheitsfördernde Effekte entfalten und so zur langfristigen Gesunderhaltung beitragen. Es handelt sich bei diesen Substanzen nicht um Nährstoffe im klassischen Sinne. Im Hinblick auf das heutige, umfassende Verständnis von Ernährung sind sie jedoch wie die Ballaststoffe im weiteren Sinne den Nährstoffen zuzurechnen. In der englischsprachigen Literatur werden sie als „phytochemicals“ bezeichnet. Das Wort „sekundär“ soll darauf hinweisen, dass es sich um Substanzen handelt, die im Gegensatz zu den primären Pflanzenstoffen (Kohlenhydrate, Proteine und Fette) im sekundären Stoffwechsel von Pflanzen eine Rolle spielen und nur in geringen Konzentrationen vorkommen. Ihre Wirkungen beruhen teilweise auf Mechanismen, die früher nur von Arzneimitteln bekannt waren und zeigen, dass Nahrungsinhaltsstoffe ein weitaus vielfältigeres Wirkspektrum besitzen als früher angenommen.

Sekundäre Pflanzenstoffe spielen im Stoffwechsel der Pflanzen eine zentrale Rolle als Abwehrstoffe gegen Schädlinge und Krankheiten, als Wachstumsregulatoren sowie als Farbstoffe. Für den Menschen sind sekundäre Pflanzenstoffe an der Erhaltung und Förderung der Gesundheit beteiligt, denn sie tragen dazu bei, das Krankheitsrisiko für Zivilisationserkrankungen, wie Krebs oder Herz-Kreislauf-Krankheiten, zu senken. Sie wirken sich auch günstig auf das Immunsystem, Entzündungen oder auf die Regulation von Blutdruck und Blutzuckerspiegel aus. Die Vielfalt der Wirkungen der verschiedenen Stoffgruppen zeigt das Gesundheitspotential der sekundären Pflanzenstoffe auf (Tab. 1).

Tab. 1: Sekundäre Pflanzenstoffe und ihre möglichen Wirkungen (nach Watzl u. Leitzmann 2005, S. 23)

Sekundäre Pflanzenstoffe

A

B

C

D

E

F

G

H

I

J

Karotinoide

 

 

 

 

 

 

 

Phytosterine

 

 

 

 

 

 

 

 

Saponine

 

 

 

 

 

 

Glukosinolate

 

 

 

 

 

 

 

Polyphenole

 

 

Proteaseinhibitoren

 

 

 

 

 

 

 

Terpene

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Phytoöstrogene

 

 

 

 

 

 

 

 

Sulfide

 

Phytinsäure

 

 

 

 

 

A = antikanzerogen
B = antimikrobiell
C = antioxidativ
D = antithrombotisch
E = immunmodulierend

F = entzündungshemmend
G = blutdruckregulierend
H = cholesterinsenkend
I = den Glukosespiegel senkend
J = verdauungsfördernd

Die Gesamtzahl der in der Natur vorkommenden sekundären Pflanzenstoffe ist nicht bekannt. Es wird davon ausgegangen, dass es sich mindestens um mehrere hunderttausend verschiedener Substanzen handelt, aber bisher wurde nur ein geringer Teil der Pflanzen auf diese Substanzen untersucht.

Mit einer normalen Mischkost werden täglich insgesamt etwa 1 bis 1,5 g sekundäre Pflanzenstoffe aufgenommen. Bei einer vegetarischen Ernährung liegt die Zufuhr deutlich höher.

Die antikanzerogenen Wirkungen der sekundären Pflanzenstoffe

Das Wissen um das gesundheitsfördernde und speziell krebshemmende Potenzial sekundärer Pflanzenstoffe hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Dabei liegen Erkenntnisse aus In-vitro-Versuchen und Tierexperimenten vor, die zunehmend durch Ergebnisse epidemiologischer Studien ergänzt werden. Daten aus Interventionsstudien als letztgültiger und kausaler Beleg einer Wirkung liegen beispielsweise zu Phytoöstrogenen bei Wechseljahresbeschwerden und Osteoporose sowie zu β-Carotin bei Krebserkrankungen und zu Lutein bei altersbedingter Makuladegeneration vor. Der gesundheitliche Wert von Obst und Gemüse geht jedoch auf die jeweils darin enthaltene Vielfalt von Substanzen zurück, deshalb ist die Einnahme einzelner Stoffe in isolierter Form fraglich bzw. es sind auch karzinogen fördernde Wirkungen bekannt.

Im Folgenden werden die wichtigsten Gruppen der sekundären Pflanzenstoffe und ihre antikanzerogenen Wirkungen dargestellt:

Karotinoide sind in pflanzlichen Lebensmitteln weitverbreitet, bisher sind mehr als 700 verschiedene Substanzen bekannt wie α- und β-Karotin, Lycopin, Lutein, Zeaxanthin und β-Kryptoxanthin. Karotinoide können freie Radikale und reaktive Sauerstoffspezies inaktivieren, sie quenchen Singulett-Sauerstoff und fungieren als Radikalfänger. Des Weiteren aktivieren Karotinoide Gene, die die Produktion eines Proteins steuern, das ein Bestandteil von Zellkommunikationsstrukturen, sog. Gap Junctions, ist. Über diese Verbindungen tauschen Zellen Signale und Botenstoffe aus, die das Wachstum der Zellen regulieren. In initiierten Zellen, die durch krebsauslösende Substanzen geschädigt wurden, findet dieser Signalaustausch nicht mehr statt. In Anwesenheit von Karotinoiden wird die Umwandlung von vorgeschädigten Zellen in Krebszellen unterdrückt, da die Signale über funktionsfähige Gap Junctions fließen können. Karotinoide beeinflussen auch die Zelldifferenzierung.

Zahlreiche Beobachtungsstudien deuten darauf hin, dass eine karotinoidreiche Ernährung invers mit dem Tumorrisiko assoziiert ist. So korrelierte in verschiedenen Studien die Zufuhr bzw. Konzentration von Karotinoiden im Serum negativ mit der Inzidenz von Krebserkrankungen von Lunge, Prostata, Speiseröhre sowie Gebärmutterhals, Magen und Dickdarm. Besonders gut dokumentiert ist diese Beziehung für β-Karotin. Die Ergebnisse verschiedener Interventionsstudien mit isoliertem β-Karotin lassen allerdings vermuten, dass diese Beziehungen nicht kausaler Natur sind. Vermutlich muss β-Karotin eher als Indikator einer gemüsereichen Ernährung gesehen werden, die insgesamt durch ihren Gehalt an sekundären Pflanzenstoffen, Vitaminen und Mineralstoffen krebspräventiv wirkt. Auch für α-Karotin, Lutein, Lycopin, Zeaxanthin und β-Kryptoxanthin liegen derartige Hinweise vor.

Phytosterine befinden sich vorwiegend in den fetthaltigen Teilen der Pflanzen. Durch eine Hemmung der Cholesterinabsorption können sie den Cholesterinspiegel senken. Dadurch wirken Phytosterine auch antikanzerogen, da sie die Zellproliferation im Kolon durch eine verringerte Bildung von Abbauprodukten des Cholesterins und von sekundären Gallensäuren hemmen.

Saponine können das Risiko für Kolonkrebs senken. Sie hemmen die Proliferationsrate der Kolonzellen sowie das Wachstum und die DNA-Synthese verschiedener Tumorzellarten. Durch die Bindung primärer Gallensäuren und Cholesterin entstehen weniger mutagen wirkende sekundäre Gallensäuren. Zudem stimulieren Saponine das Immunsystem, was möglicherweise zur antikanzerogenen Wirkung beiträgt.

Saponine vermögen auch den Cholesterinspiegel zu senken, da sie einerseits mit Cholesterin einen unlöslichen Komplex bilden und andererseits direkt hemmend auf den enterohepatischen Kreislauf der primären Gallensäuren wirken. Dies führt zu einer vermehrten fäkalen Ausscheidung der primären Gallensäuren, wodurch die Neusynthese aus körpereigenem Cholesterin gefördert wird. Zudem wirken Saponine entzündungshemmend.

Glukosinolate kommen vorwiegend in Pflanzen aus der Familie der Kruziferen (Kreuzblütler) in etwa 120 verschiedenen Varianten vor. Die eigentlichen Wirkstoffe sind die enzymatischen Abbauprodukte Isothiozyanate, Thiozyanate und Indole. In vielen Untersuchungen an Tieren zeigten Isothiozyanate und Thiozyanate antikanzerogene Wirkungen, beispielsweise bei Magen-, Brust-, Leber- und Lungenkrebs. Dabei werden unterschiedliche Wirkmechanismen diskutiert, wie die Hemmung von Phase-I-Enzymen und Induktion von Phase-II-Enzymen. Indole wirken bei Leber-, Gebärmutterschleimhaut- und Brustkrebs protektiv. In klinischen Studien konnte gezeigt werden, dass sie die Metabolisierung von körpereigenen Östrogenen beeinflussen. Möglicherweise schützen Indole dadurch vor östrogenbezogenen Krebsarten, wie Brust- und Gebärmutterschleimhautkrebs. Zudem sind Isothiozyanate und Thiozyanate auch antimikrobiell wirksam.

Polyphenole umfassen mehrere Tausend Substanzen, die in mehrere Gruppen fallen. Ernährungsphysiologisch von Bedeutung sind die Phenolsäuren (wie Kaffeesäure und Ellagsäure) und die Flavonoide (Flavonole, Flavone und Anthozyane). Flavonole (wie Quercetin) und Flavone (wie Luteolin) geben den Pflanzen eine gelbe Farbe, Anthozyane (wie Zyadin) rote, blaue und violette Farben. Verschiedene Gemüse- und Getreidearten sind reich an Phenolsäuren, die überwiegend in den Randschichten der Pflanze zu finden sind.

Zahlreiche Beobachtungsstudien zeigten bei einer hohen Zufuhr spezifischer Flavonoide ein verringertes Risiko für bestimmte Krebsarten. In verschiedenen Untersuchungen an Tieren wirkten Phenolsäuren protektiv im Hinblick auf Magen-, Speiseröhren-, Haut- und Lungenkrebs.

Polyphenole induzieren Entgiftungsenzyme, die Kanzerogene binden und somit deren Kontakt mit der DNA verhindern. Gleichzeitig haben sie auch antimikrobielles Potenzial und sind starke Antioxidanzien: Je nach Zahl und Stellung der Hydroxylgruppen sowie der Anzahl von Doppelbindungen wirken sie unterschiedlich stark antioxidativ, was vermutlich auch zu ihrem antikanzerogenen Potenzial beiträgt. Antioxidanzien können sowohl die Initiation als auch die Promotion der Kanzerogenese hemmen.

Flavonoide sind ebenfalls stark wirksame Antioxidanzien, insbesondere das Quercetin. Die antioxidativen Fähigkeiten tragen zur antikanzerogenen Wirkung bei. In verschiedenen Untersuchungen wurden sowohl suppressive als auch stimulierende Wirkungen auf das Immunsystem beobachtet. Sowohl die Zufuhr eines reinen Flavonoids als auch der Verzehr quercetinreicher Lebensmittel unter kontrollierten Versuchbedingungen hemmt die Blutgerinnung.

Proteaseinhibitoren verringern die Aktivität von Proteasen, wie Trypsin, Chymotrypsin und Elastase. Hierfür sind die zwischen den Polypeptidketten vorhandenen Disulfidbrücken verantwortlich. Diese Hemmung führt im Körper zu einer vermehrten Enzymsynthese, die einen Mangel verschiedener Aminosäuren zur Folge haben kann. Beim Menschen werden die Enzyme jedoch nur in geringem Maße gehemmt. Proteaseinhibitoren werden nicht nur mit der Nahrung aufgenommen, sondern auch vom menschlichen Körper selbst synthetisiert, wie das α-Antitrypsin in der Lunge.

In tierexperimentellen Untersuchungen zeigten verschiedene Proteaseinhibitoren präventive Wirkungen gegenüber Leber-, Magen-, Darm- und Mundhöhlenkrebs. Als Wirkmechanismen werden eine verminderte Verfügbarkeit von Aminosäuren, eine Hemmung von tumorspezifischen Proteasen, die an der Krebsentstehung beteiligt sind, sowie ihre antioxidative Wirkung diskutiert. Zudem wurde auch ein entzündungshemmendes Potenzial festgestellt.

Terpene spielen in der Nahrung als Aromastoffe eine wichtige Rolle, wie das Menthol aus der Pfefferminze, Carvon im Kümmel und Limonen aus Zitrusöl. In Tierexperimenten zeigten die Terpene Limonen und Carvon antikanzerogene Wirkungen. Limonen führt in der Leber und im Dünndarm zur Aktivitätssteigerung der Entgiftungsenzyme.

Phytoöstrogene sind den menschlichen Östrogenen strukturell sehr ähnlich. Sie weisen jedoch nur 0,1 % von deren Wirksamkeit auf. Allerdings kann in Abhängigkeit von der Zufuhrmenge die Plasmakonzentration bei Phytoöstrogenen um das 100- bis 10.000-Fache höher liegen als die Konzentration endogener Östrogene. Zu den Phytoöstrogenen zählen primär Isoflavonoide und Lignane.

Phytoöstrogene können abhängig von ihrer Konzentration und von der Menge vorhandener endogener Östrogene als Östrogene oder auch als Antiöstrogene wirksam sein. In epidemiologischen Studien und Untersuchungen an Tieren ergab sich ein Zusammenhang zwischen der Zufuhr von Phytoöstrogenen mit der Nahrung und der Entstehung hormonabhängiger Krebsarten, wie Brust-, Gebärmutterschleimhaut- und Prostatakrebs. Ergebnisse aus Interventionsstudien zeigen eine erhöhte Knochendichte nach zweijähriger Supplementierung mit Phytoöstrogenen.

Sulfide sind schwefelhaltige Verbindungen. Aus dem Hauptsulfid des Knoblauchs, Alliin, entsteht bei enzymatischer oder thermischer Zersetzung das Allicin. Es ist der Hauptwirkstoff des Knoblauchs und für dessen typischen Geruch verantwortlich.

Die antimikrobielle Wirkung von Knoblauch bzw. der Sulfide ist schon seit Langem bekannt; sie wurde bereits 1858 von Louis Pasteur nachgewiesen. In epidemiologischen Studien und in tierexperimentellen Untersuchungen wurde eine protektive Wirkung der Sulfide bei verschiedenen Krebsarten, insbesondere bei Magenkrebs, beobachtet. Vermutlich tragen die antioxidativen und immunstimulierenden Eigenschaften der Sulfide zum antikanzerogenen Potenzial bei. Außerdem beeinflussen sie die Blutgerinnung und wirken verdauungsfördernd, indem sie den Speichelfluss, die Magensaftsekretion sowie die Darmperistaltik anregen.

Weitere sekundäre Pflanzenstoffe

Sekundäre Pflanzenstoffe, die sich keiner der oben genannten Gruppen zuordnen lassen, jedoch auch gesundheitsfördernde Wirkungen ausüben, sind beispielsweise Glukarate, die u. a. in Kirschen und Zitrusfrüchten enthalten sind, sowie Phtalide aus Sellerie. Sie besitzen im Tiermodell eine antikanzerogene Wirkung. Auch die Phytinsäure – deren negative Effekte (wie die Verminderung der Resorption verschiedener Mineralstoffe und Proteine durch Komplexbildung) bekannt sind – kann die Gesundheit positiv beeinflussen, denn sie wirkt regulierend auf den Blutglukosespiegel und antikanzerogen. Auch Chlorophyll und Chlorophyllin zählen zu den sekundären Pflanzenstoffen. Sie haben im Tiermodell eine tumorhemmende Wirkung, die möglicherweise die in epidemiologischen Studien beobachtete protektive Wirkung von grünem Gemüse mit erklären könnte.

Das Vorkommen antikanzerogener sekundärer Pflanzenstoffe in pflanzlichen Lebensmitteln zeigt, wie weit sie verbreitet sind (Tab. 2).

Tab. 2: Vorkommen wichtiger sekundärer Pflanzenstoffe in ausgewählten Lebensmitteln

Pflanzenstoffe

Lebensmittel reich an sekundären Pflanzenstoffen

Beta-Carotin

Karotten, Spinat, Grünkohl, Kürbis

Alpha-Carotin

Karotten, Spinat, Aprikosen, Brokkoli

Lykopin

Tomaten, Guave, Wassermelone

Lutein

Spinat, Brokkoli, Kopfsalat, rote Grapefruit

Phenolsäuren

Grünkohl, Weizen, Radieschen, Weißkohl

Quercetin

Zwiebeln, Grünkohl, Äpfel, Kirschen

Anthozyane

schwarze Johannisbeeren, Heidelbeeren, Brombeeren

Genistein

Sojabohnen, Tempeh, Tofu

Glukosinolate

Gartenkresse, Kohlrabi, Rotkohl, Brokkoli

Ellagsäure

Walnüsse, Brombeeren, Himbeeren, Erdbeeren

Phytosterine

Sesamsamen, Sonnenblumenkerne, Sojaöl

Saponine

Kichererbsen, Sojabohnen, grüne Bohnen

Schlussbemerkungen

Aus den Ergebnissen von Beobachtungsstudien kann nicht geschlossen werden, dass die dort festgestellten Wirkungen bei einer Ernährung mit einem hohen Anteil an sekundären Pflanzenstoffen zwangsläufig auch bei isolierter Zufuhr dieser Substanzen eintreten. Umgekehrt ist es nicht möglich, die aus der Untersuchung isolierter Stoffe gewonnenen Resultate auf deren Wirkung im Lebensmittelverband zu übertragen. In der Nahrung liegt ein komplexes Gemisch sekundärer Pflanzenstoffe vor. Die möglicherweise bestehenden additiven, synergistischen oder antagonistischen Wirkungen dieser Verbindungen, auch im Zusammenhang mit Nährstoffen oder anderen Inhaltsstoffen der Lebensmittel (wie Schadstoffen), sind bisher unzureichend bekannt.

In Abhängigkeit von ihrer Konzentration können sekundäre Pflanzenstoffe toxisch wirken. Allerdings stellen sie als Bestandteil natürlicher Lebensmittel erfahrungsgemäß kein Risiko für die Gesundheit dar, da mit den üblichen Verzehrsmengen keine bedenklich hohe Aufnahme erfolgt. Der gesundheitliche Wert einer pflanzlich orientierten Kost dürfte aus heutiger Sicht wesentlich auf die damit zugeführten sekundären Pflanzenstoffe zurückzuführen sein.

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