29.01.2024 Fachübergreifend
Vorgaben und Optimierung des Entlassmanagements: Was bedeutet das im Klinikalltag?
Der Begriff „Entlassmanagement“ ist im klinischen Alltag allgegenwärtig und doch wird er in den zahlreichen Krankenhäusern unseres Landes unterschiedlich verstanden und gelebt. Dabei stellt diese Phase der Versorgung für viele Patientinnen und Patienten eine besonders kritische dar, denn sie kann besonders großen Einfluss auf die zukünftige Lebensqualität und den Ausgang der Erkrankung haben.
In den Helios Standorten in Duisburg verstehen wir unter Entlassmanagement einen übergeordneten Begriff, der zum einen alle Berufsgruppen miteinschließt und zum anderen standardisierte und patientenorientierte Prozesse beinhaltet. Dabei hat die Sicherstellung der individuellen poststationären Nachsorge für unsere Patientinnen und Patienten die höchste Priorität.
Ein interdisziplinäres Team aus den Bereichen Sozialdienst, Familiale Pflege und pflegerischen Case Managern hat dabei die Aufgabe, die notwendigen Versorgungsaspekte im Akutklinikalltag mit den Patient:innen und ihren Angehörigen zu erfassen, zu planen, zu begleiten, zu koordinieren und zu evaluieren. Ziel ist die Entlassung unter Betrachtung der persönlichen „Patienten-Ressourcen“, um eine selbstständigkeitserhaltende häusliche Versorgung zu erzielen und – sofern Unterstützung erforderlich ist – diese zu implementieren.
Aufbau Entlassmanagement
Das Duisburger Entlassmanagement entwickelte sich durch die gesetzlichen Vorgaben (Rahmenvereinbarung Entlassmanagement) und aus dem traditionell bestehenden Sozialdienst des Krankenhauses. Einige der nun auch gesetzlich geforderten Prozesse waren dankbarerweise bereits vorab unbewusst implementiert worden.
Angestoßen durch die Rahmenvereinbarung wurde zunächst eine Arbeitsgruppe am Haus entwickelt, dessen Hauptaufgabe war, die theoretische Rahmenvereinbarung Punkt für Punkt in die Praxis zu übersetzen.
Insbesondere die Erstellung der datenbasierten, gemeinsamen und transparenten Dokumentation für alle an der Versorgung beteiligten Berufsgruppen war eine Herausforderung.
Im Sozialdienst wurden standardisierte Assessmentbögen für die Erfassung der Ist-Situation (Sozialanamnesebögen) sowie ein effizientes Dokumentationstool eingeführt, welches im Krankenhausinformationssystem (KIS) die Patient:innenübersicht verbessert. Diese Maßnahmen führten zu einer Eliminierung redundanter Informationssammlung bei Neuaufnahmen und ermöglicht anderen Fachbereichen einen einfacheren Zugriff auf bereits vorhandene Daten.
Die Implementierung des Entlassmanagements stieß trotz umfassender Bemühungen im Behandlungsprozess auf nicht unerhebliche Hindernisse: Bei komplexen Nachsorgesituationen traten Kommunikationsfehler im Team sowie gegenüber den Nachsorger:innen auf. Zudem fehlte eine zentrale Kontrollstelle für die Entlassung in all ihren Facetten, was zu Unvollständigkeiten etwa bei Entlassdatum, poststationärer Versorgungsart oder erforderlichen Unterlagen führte. Offensichtlich fehlte ein Bindeglied zwischen dem multidisziplinären Team, den Patient:innen, Angehörigen und externen Nachsorger:innen. Die Konsequenz erfolgte in der Schaffung einer entsprechenden Leitungsposition, die mit dem Aufbau der neuen Abteilung Case Management betraut werden sollte. Die Stelle konnte intern mit einer Bereichsleitung besetzt werden, welche aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung und Qualifikation in der pflegerischen Patientenversorgung ausgewählt wurde und das Case Management bis heute leitet.
Aktuelle Situation mit den erfolgten Schritten
- Alle relevanten Verordnungen, Rezepte und Formulare sind nun digitalisiert und im KIS für sämtliche Berufsgruppen einsehbar.
- Ein tägliches Screening aller Neuaufnahmen erfolgt unter bestimmten bereits vorher festgelegten Kriterien. (Barthel<70, Aufnahme aus Kurzzeitpflegeeinrichtungen oder Rehakliniken, Pflegegrad >1, Diagnosen insbesondere C-Diagnosen, je nach Vorwert in Kombination Familienstand und Wohnsituation)
- Ein sogenannter „Entlassplan“ wird bereits bei jeder Aufnahme nach Pflegeanamnese oder erfolgreichem Initial-Assessment ausgelöst, um schon frühzeitig erforderliche Maßnahmen zu erfassen und Aufträge an Fachabteilungen zu übermitteln. Dieser Entlassplan fungiert als zentrales Tool im Klinikalltag, das sämtliche Konsilanforderungen sowie durchgeführten Maßnahmen zur poststationären Versorgung transparent auflistet.
- Mitarbeiter:innen des Case Managements begleiten nicht nur die Pflegevisite, sondern auch Arztvisiten, Team- und Fallbesprechungen.
- Zum Zeitpunkt der Entlassungen wird schlussendlich überprüft, ob das geplante Ziel erreicht und alle Maßnahmen umgesetzt wurden sowie notwendige Unterlagen vorliegen. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Mitgabe von (vorläufigen) Arztbriefen, dem bundeseinheitlichen Medikationsplan sowie Entlass-Rezepten und Verordnungen.
- Falls Fehler bei der Entlassung auftreten, sind direkte Ansprechpartner:innen für externe Leistungserbringer:innen und Nachsorger:innen verfügbar. Dafür wurden all relevanten Pflegeeinrichtungen persönlich besucht und schriftliche Kontaktinformationen bereitgestellt.
- Darüber hinaus werden ärztliches und pflegerisches Stammpersonal fachabteilungsbezogen kontinuierlich im Entlassmanagement geschult, um auch weiterhin ein gesichertes Informationsniveau zu gewährleisten. Bei neuen Entwicklungen setzt das Team zudem auf persönliche Termine mit Stationen und Fachabteilungen.
Ausblick in die Zukunft
Die bisherige Erfahrung zeigt, dass eine effektive Zusammenarbeit im multidisziplinären Kontext für eine optimale Versorgung hilfreich und notwendig ist. Das Ziel ist eine personelle Aufstockung im Case Management, um Prozesse auf der Station noch intensiver zu begleiten und Versorgungslücken oder erforderliche Anpassungen frühzeitig zu erkennen. Die Duisburger Klinikleitung plant daher, im Jahr 2024 den Aufbau eines Team aus zertifizierten Case Manager:innen, die den verschiedenen Abteilungen als feste Ansprechpartner:innen zugeordnet werden.
Ankica Gagro
Teamleitung Case Management (DGCC)
Helios Klinikum Duisburg
Michalina Krzonkalla
Abteilungsleitung Patientenservicecenter
Helios Klinikum Duisburg
Chirurgie
Gagro A, Krzonkalla M: Vorgaben und Optimierung des Entlassmanagements: Was bedeutet das im Klinikalltag? Passion Chirurgie. 2024 Januar/Februar; 14(01/02): Artikel 03_04.
Weitere Artikel zum Thema Entlassmanagement finden Sie auf BDC|Online (www.bdc.de) unter der Rubrik Wissen | Fachgebiete | Fachübergreifend.
Weitere Artikel zum Thema
01.10.2023 Digitalisierung
Wie die Digitalisierung der Chirurgie den Weg für Künstliche Intelligenz ebnet
Die in Deutschland angestrebte Digitalisierung des Gesundheitswesens verspricht vereinfachte Arbeitsabläufe, effizientere Kommunikation sowie bessere Dokumentation und daraus folgende sicherere Handlungsabläufe [1]. Diverse digitale Gesundheitsanwendungen wie beispielsweise die elektronische Patientenakte (ePA), ermöglichen es, Patienten und medizinischem Personal einen gesammelten Überblick über die dem Patienten zugehörigen Dokumente zu verschaffen.
01.10.2023 Ambulant
BDC-Praxistest: Fit statt schlapp – präoperative Sporttherapie
Es kann davon ausgegangen werden, dass die Fitness von Patienten und Patientinnen zum Zeitpunkt der Operation eine Rolle für den postoperativen Verlauf hat, sodass sie mit einer geringeren Fitness ein höheres Risiko für postoperative Komplikationen haben. Dies hat zur Frage geführt, inwieweit die Fitness und im Weiteren die funktionelle Kapazität präoperativ verbessert werden können.
01.04.2023 Fachübergreifend
Versorgung von chronischen Wunden in der chirurgischen Praxis
Der hier dargestellte Organisationsablauf kann und soll nur eine Möglichkeit der Organisation sein, selbstverständlich ist dieser nur auf unsere Praxis zugeschnitten, kann und muss auf die individuellen Gegebenheiten vor Ort angepasst werden. Es soll hier keine dogmatische Darstellung erfolgen.
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.