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Impressionen aus dem Kurs 2010

Der Kurs „Traumacode Schwabing – Keine Angst beim Polytrauma“ steht unter der wissenschaftlichen Leitung von Dr. med. Eduard Höcherl. Die Kursleitung haben Dr. med. Thorsten Kraus und Sebastian Sepp inne.

Der Notfall

Die Informationen der Leitstelle sind eindeutig. Man erwartet in wenigen Minuten das Opfer eines schweren Verkehrsunfalls, der mit dem Rettungshubschrauber aus dem ca. 15 km entfernten Ismaning eingeflogen wird. Im Schockraum des Klinikums Schwabing beginnen die Vorbereitungen für die Übernahmen des Patienten. Unfallchirurg, Anästhesist, Anästhesieschwester und Nothilfepfleger stehen bereit, um den Patienten zu übernehmen und sofort professionell zu behandeln. Doch anstelle des Patienten stürzt eine junge Frau unter Tränen in den Raum. Der sie begleitende Mitarbeiter des Kriseninterventionsteams klärt, sichtlich überfordert, die Situation.

Rettungsteam mit dem beatmeten Patienten: Nun beginnt ein hundertfach geübter Algorithmus.

Es handelt sich um die Schwester des Verunfallten, die, von Einsatzkräften informiert, nun völlig aufgelöst im Schockraum steht und zu ihrem Bruder möchte. Freundlich aber bestimmt wird sie durch den Unfallchirurgen beruhigt und in einen Nebenraum geleitet. Höchste Zeit, denn schon trifft das Rettungsteam mit dem beatmeten Patienten ein. Obwohl der Notarzt weitgehend Entwarnung gibt, beginnt nun ein hundertfach geübter Algorithmus. Während das Anästhesieteam den Patienten weiter stabilisiert, wird der Patient unter Führung des Unfallchirurgen auf den CT–Tisch umgelagert und nach wenigen Minuten beginnt die Diagnostik. Routine, die im Klinikum Schwabing täglich abläuft.

Reine Routine?

Wären da nicht 10 Damen und Herren hinter einem roten Absperrband, die das Geschehen interessiert beobachten. Wären da nicht zwei Kamerateams, die jede Bewegung des Teamleaders verfolgen, ja und wäre der Patient, der gerade durch die CT- Röhre gefahren wird, kein Kunststoff-Dummy. Heute ist nicht Routine, heute wird im Schockraum II nicht Leben gerettet, heute wird geübt. Das gesamte Notfallteam, einschließlich Notarzt, Rettungsdienstmitarbeiter, bis zur bereits wieder munter scherzenden Schwester des Patienten wurde für ein Schockraumsimulationstraining im Rahmen eines einwöchigen Notfallkurses mit dem Titel „Traumacode Schwabing 2010“ eingespielt. Zuschauer, Praxisanleiter und Mitwirkende sammeln sich jetzt zur Nachbesprechung um den Kursteilnehmer, der sich gerade noch im Fallbeispiel als leitender Chirurg mit Notarzt und Anästhesisten auseinander setzen musste und noch sichtlich unter Stress steht. „Da steht man ganz schön unter Strom, auch wenn man weiß, dass es eigentlich nur eine Übung ist.“

Viel Lob erntet er von den Kursleitern und Teilnehmern gleichermaßen. Während des ganzen Vormittags wurden anhand anschaulicher Vorträge die Schwabinger Schockraumalgorithmen vorgestellt und erklärt. Sogar der Filmmitschnitt eines „echten“ Schockraumeinsatzes wurde gezeigt.

Das Erlernte real umsetzen

„Praxis ist uns unheimlich wichtig“ sagt der wissenschaftliche Leiter des Kurses, Chefarzt Dr. Eduard Höcherl, der aus einer Ecke heraus die Diskussion beobachtet. „Wir waren vor 12 Jahren die ersten, die in ihrem Schockraum einen Computertomographen installierten. Die Fortschritte in der Versorgung schwerverletzter Patienten in den letzten beiden Jahrzehnten beruhen auf den weltweiten Bemühungen die präklinischen und innerklinischen Prozesse zeitlich stringent und mit höchster Zuverlässigkeit zu organisieren. Basierend auf Vorarbeiten in den Jahren 1994 bis 1997 wurde 1998 am Klinikum Schwabing im Bereich der zentralen Notaufnahme einer der Schockräume mit einem CT ausgerüstet. Seither haben wir unaufhörlich an den Abläufen im Schockraum gearbeitet und Algorithmen erstellt. In den letzten Jahren haben auch viele andere Kliniken ihre Schockraumkonzepte angeglichen. So lag es auf der Hand, unsere Erfahrungen in einem eigenen Kurs an die Kollegen weiter zu geben.“

Mortui vivos docent

Die Gruppe hat mittlerweile gewechselt, ein neuer leitender Chirurg steht erwartungsvoll im Raum und schon stürmt eine junge Dame unter Tränen durch die Tür und sucht ihren verletzten Bruder.

Wir folgen jedoch der ersten Gruppe durch die langen Gänge des Klinikums in den Obduktionssaal der Pathologie. „Mortui vivos docent“ steht dort in großen Lettern an der Wand. „Die Toten lehren die Lebenden“. Unter diesem Motto stehen Thoraxdrainage, Coniotomie und Kraniotomie auf dem Lehrplan. Unter fachlicher Anleitung von Unfallchirurgen, Intensivmedizinern und Neurochirurgen werden Eingriffe an Leichenpräparaten geübt, die im Notarzteinsatz oder Schockraum lebensrettend sein können. „ Hier wird ein weiterer Kernpunkt unseres Kurskonzeptes sichtbar“ erklärt uns einer der beiden Kursleiter, Dr. Thorsten Kraus. “Unsere Veranstaltung genießt die breite Akzeptanz und Unterstützung nahezu aller Abteilungen des Klinikums. Bis auf wenige Ausnahmen kommen alle Dozenten und Praxisanleiter aus unserem Haus. Wir sehen unser Kursangebot als Ergänzung zu bereits bekannten und bewährten Ausbildungskonzepten wie ATLS. Wir wollen zeigen, wie wir in Schwabing schwerverletzte Patienten behandeln. Nicht mehr und nicht weniger. Somit liegt es auf der Hand, dass dann auch der Anästhesist, Intensivmediziner, oder Unfallchirurg einen Vortrag hält, der tagtäglich im Schockraum, im OP oder in der Intensivstation seinen Dienst tut.“

Vier große Kernthemen

Unsere Gruppe hat genug Löcher in verschiedene Körperhöhlen der Präparate gebohrt und wird nun zum 3. Praxisblock dieses Kursnachmittags geleitet, wo abermals teilentblößte Körper ordentlich auf Liegen aufgereiht warten. Diesmal handelt es sich jedoch um durchaus lebendige Probanden, die freundlich und bereitwillig ihre bereits von Kontaktgel glänzenden Bäuche und Brustkörbe für eine spezielle FAST-Sonographieübung zur Verfügung stellen.

Gegen 18:00 Uhr endet dieser ereignisreiche 3. Kurstag, doch schon eine Stunde später sitzen Teilnehmer, Dozenten und Veranstalter wieder fröhlich vereint in einer nahe gelegen Tappasbar und nachdem einige Fallbeispiele heftig diskutiert und abgearbeitet und einige Weinflaschen nachbestellt wurden, bleibt der restliche Abend dem ausführlichen Kennenlernen vorbehalten. Weit vor Mitternacht sind die meisten Stühle leer, die letzten Tage, haben scheinbar viel Kraft gekostet.

Ein straff gefüllter Kurstag.

Die Woche begann ja bereits am Montagmorgen um 8 Uhr und viele Teilnehmer hatten eine weite Anreise hinter sich gebracht. 30 Ärztinnen und Ärzte aus ganz Deutschland waren der Einladung des Klinikums Schwabing zur nunmehr 3. Auflage des Notfallkurses „Traumacode Schwabing“ gefolgt. Assistenzärzte im 2. Ausbildungsjahr, frisch gebackene Fachärzte, ja sogar gestandene Oberärzte fanden sich am Morgen des 4. Oktober 2010 in der Ärztebibliothek des Klinikums ein. Sie erwartete ein straff gefüllter Kurstag. Sebastian Sepp, der neben Dr. Thorsten Kraus das Kursleitungsteam stellt, ist als Unfallchirurg, wie fast alle seiner Kollegen auch langjähriger Notarzt: „Unsere Veranstaltung ist in 4 große Kernthemen gegliedert. Wir beginnen mit der präklinischen Versorgung, gefolgt von der Schockraumversorgung, bis zu den Notfalloperationen. Als 4. Schwerpunkt bieten wir unter den Oberbegriff Expertenwissen Themenkomplexe an, die einen Blick über den Tellerrand der Polytraumabehandlung erlauben. Hier werden Themen wie die posttraumatische Belastungsstörung, die Pathophysiologie des Polytraumas, oder der Massenanfall von Verletzten beleuchtet.“

Enge Zusammenarbeit zwischen Notarzt und Feuerwehr

Der erste Kurstag beginnt also mit der Präklinischen Versorgung. Anhand mehrerer Vorträge von Notärzten, Feuerwehr- und Rettungsdienstmitarbeitern werden die Teilnehmer gleichsam an den Unfallort mitgenommen. „Seit Jahren optimieren wir die Zeitabläufe in unserer Klinik und kämpfen hier um jede Minute,“ sagt Sebastian Sepp, “die Auswertungen der letzten Jahre bezüglich der präklinischen Rettungszeiten stehen dazu jedoch im krassen Gegensatz. Mit über 70 Minuten befinden wir uns noch über dem bundesweiten Durchschnitt. Hier gilt es, die Notärzte für die Behandlungsprioritäten polytraumatisierter Patienten zu sensibilisieren.“ Und so nehmen Sebastian Sepp und Thorsten Kraus am Nachmittag dieses ersten Tages bei herrlichem Sonnenschein die Teilnehmer mit hinaus in den weitläufigen Klinikpark, wo zwei nagelneue Mittelklassewagen auf einer Wiese stehen. Schon rückt die Feuerwehr mit schwerem Gerät an und unter den Augen der Teilnehmer und zahlreicher Schaulustiger an den Klinikfenstern wird nun eine realistische Fahrzeugrettung simuliert.

Seit Jahren optimieren wir die Zeitabläufe in unserer Klinik und kämpfen hier um jede Minute.

Brandoberinspektor Thomas Schmidt von der Werkfeuerwehr der TU Garching erklärt die Abläufe und steht für Fragen zu Verfügung. Er ist besonders an einer engen Zusammenarbeit zwischen Notarzt und Feuerwehr interessiert. Aufmunternd drückt er einem Teilnehmer einen Rettungsspreizer in die Hand und fordert ihn auf an einem der Fahrzeuge tätig zu werden. Reihum wandern nun Rettungsscheren, Hydraulikspreizer und Glashämmer und nach einer Stunde stehen 30 schweißgebadete, aber glückliche Chirurgen um 2 türlose Cabrios herum.

Chefarzt Dr. Höcherl, Dr. Thorsten Kraus und Sebastian Sepp haben vor 3 Jahren gemäß dem Untertitel „Keine Angst beim Polytrauma“ ein Kurskonzept entworfen, das chronologisch die Behandlungsabläufe bei der Versorgung eines Schwerstverletzten vom Unfallort, über den Schockraum bis in den Operationssaal abbildet. Folglich endet die Woche auch dort, wo sich unsere Teilnehmer wieder deutlich mehr zu Hause fühlen als bei einem Feuerwehreinsatz, nämlich im Operationssaal. In unserem Fall also wieder in den Hallen der Pathologie, wo an den bereits erwähnten Präparaten gängige operative Eingriffe wie die Notfallthorakotomie oder Laparotomie, das Anlegen eines Fixateur extern, oder einer Beckenzwinge geübt werden können. Nicht minder schweißtreibend ist die Arbeit und nicht weniger konzentriert gehen die Teilnehmer ans Werk. Vom beherzten Zugreifen eines Chirurgen hängt oft das Überleben eines Patienten ab und hier kann geübt werden, was in der Realität gottlob selten notwendig ist.

Kursveranstaltung Traumacode Schwabing durch die DGU zertifiziert

Viel zu schnell endet diese für Teilnehmer und Kursorganisatoren gleichsam kurzweilige und lehrreiche Woche am Freitagnachmittag mit langem Händeschütteln und Schulterklopfen. Langsam löst sich die Anspannung bei den Mitgliedern des Organisationsteams und weicht dem Bewusstsein, es wieder einmal ohne größere Pannen über die Bühne gebracht zu haben.

Willkommen zu „Traumacode Schwabing – keine Angst beim Polytrauma“.

Die große Bestätigung für all die Mühen der letzten drei Jahre schneit dann jedoch erst einige Wochen später in Form eines Schreibens auf den Schreibtisch von Dr. Höcherl. Die Kursveranstaltung Traumacode Schwabing wird durch die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie zertifiziert und damit zur Mitarbeiterfortbildung gemäß der Vorgaben des Weißbuchs zur Schwerverletztenversorgung zugelassen. Eine große Hürde ist damit genommen. Grund und Motivation, auch im Oktober 2011 wieder sagen zu können: Willkommen zu „Traumacode Schwabing – keine Angst beim Polytrauma“ .

Schwarz TC. Traumacode Schwabing 2010 – DGU-zertifiziert. Passion Chirurgie. 2011 Mai/Juni; 1(5/6): Artikel 03_07.

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