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Die Städtischen Kliniken Köln stehen vor einer tief greifenden IT-Umstellung, die eine Klärung und Neuordnung ihrer Prozesse notwendig macht. Eines der Projektziele ist, durch eine Verbesserung von OP-Disposition und -Nutzung den Mangel an OP-Ressourcen in einigen Bereichen zu mildern bzw. die Ressourcenauslastung weiter zu verbessern.

In diesem Prozess stellt sich die Frage, wie weit sich OP-Planung und OP-Management automatisieren lassen. Welche Entscheidungen können in einer OP-Software als Regelwerk hinterlegt werden, so dass bestimmte Fragestellungen automatisiert beantwortet werden können? Dabei geht es auch darum, das OP- Management von unnötigen Aufgaben, wie beispielsweise der Überprüfung freier Intensivbetten, zu entlasten, um Freiraum für Moderation, Innovationen und die kontinuierliche Verbesserung des Gesamtsystems zu schaffen.

Aufgaben des OP-Managements

  • Im Göttinger Leitfaden für OP-Manager definieren Bauer et al. die Verantwortlichkeiten der OP-Koordination bei der Ablauforganisation:
  • termingerechter Abruf von Patienten in den OP,
  • Zuweisung eines für den entsprechenden Eingriff geeigneten OPs,
  • koordinierende Kommunikation mit den an der Leistungserbringung beteiligten Berufsgruppen und
  • Planumstellung bei Auftreten von unvorhersehbaren Ereignissen (Komplikation, Notfall etc.)“[1].

Darüber hinaus gibt eine umfangreiche Liste weitere Aufgaben wieder, die von der Einhaltung der Hygienevorschriften über die zeitgerechte Bereitstellung des benötigten Instrumentariums (Materiallogistik) bis zur umfassenden Kostenstellenverantwortung für den OP-Bereich reicht [1].

Alltag des OP-Managements

In der Realität wird die Zeit des OP-Managements vorwiegend für die Ressourcenplanung, Ad-hoc-Koordination und manuelle Anfertigung von Statistiken verwendet. Die Moderation von Konflikten, sobald die rational nachvollziehbare Disposition einzelnen Abteilungsinteressen widerspricht, geht auf Kosten der Kraft- und Zeitreserven, die für eine kontinuierliche Optimierung des OP-Bereichs genutzt werden könnten. Abstimmungsvorgänge im Verlauf des OP-Tages ziehen nicht selten Leerstandszeiten in den Sälen nach sich. Hierbei zeigt sich, dass OP-Management vor allem auch ein Thema des disziplinierten Umgangs mehrerer Beteiligter mit einem Regelwerk für den OP (OP-Statut) und damit eine Teamleistung ist [2]. Deshalb soll untersucht werden, in welchem Umfang die Planung auch von Notfällen so strukturiert werden kann, dass sich der Koordinationsaufwand im Alltag auf ein Minimum reduziert und zuvor festgelegte Regeln automatisiert befolgt werden. Diese Standardisierung von Prozessen kann erheblich zur Qualität und Sicherheit im operativen Bereich beitragen [3, 4].

Vorgehen

Für das Clustern der häufigsten Operationen empfiehlt sich die TOP 10-Analyse nach dem dreistelligen ICD, um die Leistungsschwerpunkte der Abteilung angemessen abzubilden. Die Analyse der OP-Daten aus dem Krankenhausinformationssystem schafft Überblick über die indikationsspezifische Wahrscheinlichkeit der verschiedenen Eingriffe, vor- und nachgelagerter Untersuchungen und der ggf. notwendigen Intensivkapazität. Zudem zeigt die Auswertung der OP-Dauern für die Haupt-OPS im Mittelwert mit Standardabweichung und Median, wie hoch die Varianz der indikationsspezifischen OP-Zeiten ist.

Bei der nachfolgenden Prozessanalyse sollte klar zwischen der Vorbereitung des Patienten, der den Operationstag nach Aufnahme bestimmt und den perioperativen Aktivitäten, die über das optimale Timing am OP-Tag entscheiden, getrennt werden. Die Prozesse sind in Flussdiagrammen zu notieren.

Im nächsten Schritt sind die Verantwortlichkeiten und unterstützenden Informationsprozesse zu definieren. Wichtig ist besonders, Varianzen zu klären und für typische Planungsunsicherheiten Ausweichszenarien festzulegen.

Viele Abteilungen sind mit der Analyse ihrer eigenen Prozesse überfordert, da die Definition von Algorithmen klare kaskadierende Entscheidungen verlangt und die einzelnen Patientenhistorien abstrahiert werden müssen. Gerade unter Zeitdruck besteht die Gefahr, nur für einen vermeintlich idealtypischen Patienten oder den „worst case“ zu planen und dabei den Abgleich mit den relativierenden Daten zu unterlassen. An dieser Stelle schont es die Ressourcen, durch externe Unterstützung für ein stringentes Vorgehen zu sorgen [5].

Erst wenn die Leistungspakete für die einzelnen Indikationen sauber definiert sind, können Regelwerke für die Ressourcenverteilung definiert werden.

Für die Zuordnung der OP-Slots ist ein Entscheidungsbaum zu erstellen, der als Rahmen die Regeln des OP-Statutes nutzt und neben der indikationsbezogenen Dringlichkeit patientenspezifische Besonderheiten in Prioritäten übersetzt [1].

Dieses Regelwerk wird an Hand der Organisation der letzten Monate überprüft. Die Konsequenzen so identifizierter Planungsfehler in der Vergangenheit oder im aktuellen Regelwerk sind am runden Tisch mit den Fachabteilungen zu diskutieren: Erst hier wird es möglich, Interessen auszugleichen und konsentierte Entscheidungen zu definieren, wie diese Sonderfälle in Zukunft behandelt werden [5].

Ein Korridor, der den Abteilungen Raum für spontane Planung lässt, wird die Akzeptanz des Gesamtsystems erhöhen. So kann zum Beispiel das Blocken von ein bis zwei Blanko-Slots zwei Tage nach der Sprechstunde des Autonomiestrebens eines Fachbereichs berücksichtigen und vorhersehbaren Konflikten vorbeugen.

Umgang mit Notfällen

„Planungssicherheit und Notfall sind ein Widerspruch in sich“, so Bauer [1]. Eine Grundvoraussetzung für eine Verbesserung der Planungssicherheit ist, dass so früh wie möglich eine automatisierte und rationale Bewertung der Dringlichkeit des Notfalls erfolgt.

Hilfreich ist es hier, in einer Chefarztrunde retrospektiv das Management von Notfällen des letzten halben Jahres zu klären: Wie wurde die Dringlichkeit bei der Anmeldung der OP eingeordnet, welche Argumente haben hier eine Rolle gespielt, was waren die Konsequenzen und welches Entscheidungssystem soll in Zukunft für diese Fragestellungen hinterlegt werden? Erfolgsentscheidend ist aber, dass die relevanten Informationen zu dem Notfall so früh wie möglich für die Umstellung des OP-Programms zu Verfügung stehen [5].

Bedeutung des Informationsmanagements

Das Regelwerk für die zeitliche und räumliche Positionierung der OP-Slots ist nicht nur abhängig von der Dauer und Komplexität des Eingriffs, sondern auch von der notwendigen Vorbereitung, Art der Anästhesie sowie Infektionen, ambulanter oder stationärer Erbringung, Patientengewicht, etc.

Für die notwendigen Angaben muss geklärt werden, wann diese Informationen frühestens mit ausreichender Validität vorliegen könnten. Das Maß darf dabei nicht die aktuelle Organisation der Informationsbeschaffung sein, vielmehr ist der Innovationsimpuls der IT-Umstellung für eine Veränderung des Informationsmanagements zu nutzen.

Der Anspruch, Informationen so früh und nützlich wie möglich zu verwerten, steht den aktuellen Strukturen entgegen. Häufig sind die Personen, die zuerst mit dem Patienten in Kontakt kommen, nicht ausreichend qualifiziert, bereits eine Pfadzuweisung vorzuschlagen. Dies kann durch einen angemessenen Fragenkatalog abgefangen werden, dem diese Personen folgen. Spätestens mit Klärung der Indikation bei der Voruntersuchung des Patienten ist elektronisch eine Voranmeldung mit valider Angabe der geplanten Maßnahmen vorzunehmen. Papierkalender sind deshalb in allen Fachabteilungen zu eliminieren und unvollständige Voranmeldungen automatisch zurückzuweisen.

Auch die Information des Patienten über den OP-Termin ist zu überdenken. Die Kalkulation der Wahrscheinlichkeit einer Verschiebung für jede Operation ergibt, ob dem Patienten mitzuteilen ist, dass er die Chance hat, am genannten OP-Tag operiert zu werden, sofern es nicht zu unerwarteten Zwischenfällen kommt. Das Bewusstsein, der „Joker“ zu sein, vermeidet Unzufriedenheit, wenn die OP tatsächlich abgesetzt werden muss. Die Sicherheit, dass die Operation am nächsten Tag garantiert durchgeführt wird, muss gegeben sein und wird in der automatisierten Disposition berücksichtigt.

Auch im Verlauf des OP-Tages kann die Teilautomatisierung des Informationsflusses für eine bessere Ressourcennutzung sorgen:

Das Abrufen von Ressourcen erfordert derzeit eine Aktion der Mitarbeiter, obwohl der Zeitpunkt des Abrufs sich aus den vorhergehenden Aktivitäten ergibt. Bei sauberer Planung und Strukturierung ist vorhersehbar, dass bei einer bauchchirurgischen OP ca. 10 Minuten nach Naht das Reinigungsteam notwendig wird. Nach orthopädischen/unfallchirurgischen Operationen mit radiologischer Kontrolle im Saal wird diese Zeit länger sein. Diese indikationsspezifischen Slots lassen sich im System hinterlegen, um mit der Eingabe eines Timestamps automatisch den nächsten Schritt auszulösen. Zweifellos wird es bei der konsequenten Umsetzung dieses Systems manchmal zu Wartezeiten für zu früh abgerufene Ressourcen kommen. Diese sind in Relation zu setzen mit den aktuell existierenden Leerzeiten im Saal und nach ihrem Potenzial zu bewerten, die Wechselzeiten zu reduzieren.

Der Nutzen einer teilautomatisierten OP-Planung entfaltet ihr Potenzial weit über die Grenzen des OP-Bereichs hinweg, da auch den interagierenden Abteilungen deutlich früher Planungsinformationen vorliegen.

So verbessert die deutlich frühere Zuweisung des OP-Materials die Abläufe in der Zentralsterilisation und macht eine Verschlankung bei qualitativer Verbesserung des Materialbestandes möglich. Szenarien der Just-in-time-Lieferung von OP-Materialien können geprüft werden.

Auch für die Stationen und chirurgischen Teams ergibt sich eine höhere Planungssicherheit, weil die Abwesenheit von Mitarbeitern für die Patientenbegleitung oder auch der Tagesablauf für den jeweiligen Operateur vorhersehbar wird.

Fazit

Die kritischen Erfolgsfaktoren für die Umsetzung eines solchen Systems sind, dass die

  1. Informationen, die für die automatisierte Entscheidungsfindung notwendig sind, so früh wie möglich zur Verfügung stehen. Zudem muss die
  2. Aufnahmeplanung zwangsläufig digital passieren.

Ziel ist, bereits bevor der Patient das Krankenhaus betritt, mit großer Genauigkeit und Validität OP-Tag, OP-Dauer, Art der OP und die notwendigen Ressourcen vorherzusagen. Für die Aufnahme dürfen anschließend nur Termine vorgeschlagen werden, bei denen Ressourcen für das komplette Leistungspaket vorhanden sind.

Die Akzeptanz des Systems wird erst dann hoch sein, wenn es ausreichende Reife hat, um einen angemessenen Nutzen für alle Abteilungen zu generieren. Dies ist nur dann zu erreichen, wenn es sich um ein selbstlernendes System handelt und der OP-Manager seinen gewonnenen Freiraum nutzt, um die Planungsautomatisierung sukzessive zu verbessern. Dabei sollten auch Szenarien zur Korrektur von OP-Dauern im OP-Verlauf berücksichtigt werden [7].

Es steht außer Frage, dass für den Erfolg eines solchen Modells

  1. die Disziplin der Abteilungen,
  2. die Güte der Ablaufdefinitionen und Entscheidungsalgorithmen,
  3. die Reife der Umsetzung in der IT und die
  4. Konsequenz bei der Umsetzung von Anreizen und Sanktionen

darüber entscheiden, wie effizient die OP-Organisation ist [8, 9, 10].

Erfolgsentscheidend sind die kontinuierliche Analyse und das automatisierte Feedback an die Abteilungen. Dabei wirkt bereits die nachgewiesene Verbesserung motivierend. Bei Stagnation der Optimierung bietet es sich an, die Compliance der Fachabteilungen als zusätzlichen Motivator in das System zu integrieren: Bei gleicher indikationsspezifischer Priorität der Operationen können OP-Slots nach zeitlicher Attraktivität entsprechend der Ablaufunterstützung durch den jeweiligen Fachbereich verteilt werden. Dieses Vorgehen sichert, dass die Abteilungen schon im eigenen Interesse stetig daran arbeiten, ihre Planungssicherheit zu verbessern.

Voraussetzung für jegliche Form der automatisierten Planung ist die Aufmerksamkeit gegenüber der Information an sich. Sie muss als Chance für mehr Struktur im Tag und somit mehr Freiheit zur Gestaltung begriffen werden, die so früh wie möglich erfragt, elektronisch dokumentiert und für die Planung genutzt wird. Ein Aspekt neben der Erhöhung von Qualität und Sicherheit des OPs ist die Zufriedenheit der Mitarbeiter mit der Verbindlichkeit der Planung. Aktuelle Studien zeigen, dass dies vor allem für die Pflege, jedoch auch für junge Mitarbeiter ein wichtiger Auswahlfaktor für einen Arbeitgeber ist. Da im OP ein relevanter Teil der Krankenhauserlöse erwirtschaftet wird, ist dieser Vorteil beim Wettbewerb um diese Fachkräfte nicht zu unterschätzen [11, 12, 13].


Literatur:

[1] Bauer M, Hinz J, Klockgether-Radke A (2010) The Göttingen manual for OR managers. Anästhesist 59: 69-79.

[2] Gfrörer R, Schüpfer G, Schmidt CE, Bauer M (2005) Teamwork in the operating theatre. Effect on quality of decision-making. Anästhesist. 54:1229-34.

[3] Schmidt CE, Reibe F, Sellschopp C, Möller J, Bauer M, Kremer B (2008) Risikoprofil und Ergebnisqualität nach Cholecystektomie – Ein Vergleich zwischen einer Universitäts- und Praxisklinik. Zentralbl Chir. 133: 498-503.

[4] Schmidt CE, Hardt F, Möller J, Malchow B, Schmidt K, Bauer M (2010) Verbesserung der Teamkompetenz im OP – Trainingsprogramme aus der Luftfahrt. Anästhesist 59:717-22.

[5] Schüpfer G, Bauer M (2011) Who is suited as operation room manager? Evaluation process for hospitals and candidates. Anästhesist 60:251-6.

[6] Dexter F (2011) Event-based knowledge elicitation of operating room management decision-making using scenarios adapted from information systems data. BMC Med Inform Decis Mak 2:2

[7] Dexter F (2009) Automatic updating of times remaining in surgical cases using bayesian analysis of historical case duration data and “instant messaging” updates from anesthesia providers. Anesth Analg. 108:929-40

[8] Dexter EU, Dexter F, Masursky D, Garver MP, Nussmeier NA (2009) Both bias and lack of knowledge influence organizational focus on first case of the day starts. Anesth Analg 108:1257-61.

[9] Blake JT; Operating room managers’ use of integer programming for assigning block time to surgical groups: a case study.; Anesth Analg. 2002 Jan;94(1):143-8

[10] Wachtel, R. E. et al. ; Review article: review of behavioral operations experimental studies of newsvendor problems for operating room management.; Anesth Analg, Department of Anesthesia, University of Iowa, Iowa City, IA 52242, USA., 2010, 110, 1698-1710

[11] Schmidt CE, Gerbershagen MU, Salehin J, Weiß M, Schmidt K, Wolff F, Wappler F (2011) From personnel administration to human resource management: Demographic risk management in hospitals. Anästhesist 60:507-516.

[12] Schmidt CE, Möller J, Schmidt K, Gerbershagen MU, Wappler F, Limmroth V, Padosch SA, Bauer M (2011). Generation Y: Recruitment, retention and development. Anästhesist 60:517-524.

[13] Zentrum für Gesundheitswirtschaft und -recht (Hrsg.) OP-Barometer 2009. Arbeitssituation und Arbeitsumfeld der Funktionspflege im OP-Bereich. Eigenverlag, Frankfurt a.M., 2009.

Falge C., Schmidt C. Teilautomatisierung des OP-Managements – Notwendigkeit oder Vision? Passion Chirurgie. 2011 Oktober; 1(10): Artikel 02_06

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