01.09.2023 Orthopädie/Unfallchirurgie
Editorial: Tätigkeit als Durchgangsarzt – Ritterschlag für den Unfallchirurgen oder lästiges Übel?
Zur Ausgabe 09/QIII: D-Arzt-Versorgung
Zum Zeitpunkt meiner Niederlassung als Unfallchirurg im Jahr 1989 war es undenkbar, auf den Antrag auf Zulassung (Bestellung) zum Durchgangsarzt zu verzichten. Die Versorgung und Betreuung von Verletzten aus Arbeits- und Schulunfällen spiegelt einen wesentlichen Teil der unfallchirurgischen Kernkompetenzen wider. Die Zulassung als D-Arzt habe ich damals sozusagen als Ritterschlag für den Unfallchirurgen empfunden. Und so empfehlen wir als Berufsverband auch heute noch allen Kolleginnen und Kollegen, während der Weiterbildung zum Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie die Voraussetzungen für die D-Arzt-Zulassung im Auge zu behalten.
Allerdings hat die Tätigkeit für die gesetzliche Unfallversicherung in den letzten Jahren offenbar an Attraktivität verloren. Dies zeigt die seit Jahren rückläufige Anzahl der D-Ärzte in den Krankenhäusern und Praxen. So ist zu beobachten, dass niedergelassene Chirurgen ihre D-Arzt-Tätigkeit aufgeben oder gar nicht erst beantragen. Als Begründung wird u. a. ein unzureichendes Honorar für die BG-Grundversorgung in Anbetracht der geforderten ausführlichen Dokumentation und Bürokratie angeführt. Aber auch der Erlös für bestimmte ambulante Operationen ist unzureichend. Darüber hinaus wird die tägliche Anwesenheitspflicht von 8 bis 18 Uhr kritisiert, dies vor allem im Vergleich zu 25 Pflicht-Sprechstunden in Bereich der Krankenkassen.
Seit Anfang 2020 hat sich daher der BDC gemeinsam mit den anderen für die D-Ärzte tätigen Berufsverbänden intensiv für eine grundlegende Überarbeitung der zugrundeliegenden D-Arzt-Bedingungen engagiert. In zahlreichen Gesprächen mit der DGUV konnten wesentliche Verbesserungen für die jetzt und zukünftig tätigen Kolleginnen und Kollegen erreicht werden. Ein besonderes Highlight erscheint mir dabei die Reduzierung auf eine durchgangsärztliche Verfügbarkeit von 9 bis 16 Uhr unter Erhalt der bisherigen Vertretungsmöglichkeiten. Auch bezüglich der partiellen Delegierbarkeit von D-ärztlichen Tätigkeiten in größeren Praxen sind Fortschritte in Sicht, die in den Auslegungsgrundsätzen weitgehend den Regelungen im Klinikbereich angenähert werden sollen. Somit wurden in einem mehrjährigen partnerschaftlichen Diskurs wesentliche strukturelle Verbesserungen des ambulanten D-Arzt-Verfahrens erreicht, die hoffentlich die Akzeptanz und Attraktivität dieser Tätigkeit fördern werden.
Aber auch die D-Ärzte in den Krankenhäusern beklagen zunehmend die erschwerte Umsetzung durchgangsärztlicher Pflichten im Kontext der Klinik-Organisation. Der D-Arzt am Krankenhaus trägt zwar die Gesamtverantwortung für alle Leistungen an BG-Patienten, hat aber teilweise nur begrenzte Einflussmöglichkeiten. Der BDC wird sich daher gemeinsam mit dem BDD und dem BVOU dafür einsetzen, die rechtliche und vertragliche Stellung der Durchgangsärzte in den Kliniken prospektiv zu verbessern. Zu all diesen Themen laden wir Sie zu einer BDC-Vortragssitzung beim diesjährigen Kongress Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) in Berlin ein: Donnerstag, 26.10.2023 von 17.30 bis 18.30 Uhr, Raum New York 2.
Unabhängig von den strukturellen Änderungen ist es auch notwendig, die Gebührenordnung für die Abrechnung mit den Berufsgenossenschaften (UV-GOÄ) zu modernisieren und anzupassen. Dabei sind wir – in Anlehnung an den ärztlich konsentierten Entwurf der Reform-GOÄ – schon auf einem guten Weg, wie Frau Berner von der KBV in ihrem Artikel erläutert. Sie können sich darauf verlassen, dass der BDC sich in allen dort erwähnten Kommissionen und Gremien für die D-Ärzte engagiert.
Nach meiner Einschätzung stellt das D-Arzt-System als einzigartiger bundesweiter „Selektivvertrag“ auf der Basis des SGB VII für Unfallchirurgen einen wahren Schatz dar und verdient es, konstruktiv weiterentwickelt zu werden. Damit in der Zukunft wieder mehr Unfallchirurginnen und Unfallchirurgen die Beteiligung am Durchgangsarztverfahren als Privileg und nicht als Belastung empfinden.
Kalbe P: Tätigkeit als Durchgangsarzt – Ritterschlag für den Unfallchirurgen oder lästiges Übel? Passion Chirurgie. 2023 September; 13(09): Artikel 01.
Autor des Artikels
Dr. med. Peter Kalbe
Vizepräsident des BDCGelenkzentrum SchaumburgStükenstraße 331737Rinteln kontaktierenWeitere Artikel zum Thema
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