22.01.2019 Politik
Schuss vor den Bug
Der Bundesgesundheitsminister will in bestimmten Fällen, in denen es um innovative, für die Patienten wichtige Leistungen geht, selbst entscheiden, ob sie von den Krankenkassen übernommen werden müssen. Dieses Recht soll gelten, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss als Machtgremium der Selbstverwaltung nicht tätig wird, oder wenn er dagegen entschieden hat. Die Regelung soll als Änderungsantrag des Bundesgesundheitsministeriums zur Aufnahme weiterer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in das laufende Gesetzgebungsverfahren zum neuen Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) eingebracht werden.
Aktueller Hintergrund dürfte das Verhalten der Krankenkassen gerade in jüngster Zeit sein. In exzessiver Weise haben einige von ihnen Ende vorigen Jahres die Krankenhäuser mit Tausenden von Gerichtsverfahren überzogen, ohne Rücksicht darauf, dass damit das erfolgreiche Netz der Schlaganfallversorgung erheblich gefährdet wurde. Jens Spahn geißelte das in seinem Eröffnungsvortrag zum 41. Deutschen Krankenhaustag im November in Düsseldorf bereits als „Irrsinn, Starrsinn und Wahnsinn.“
Dieses Verhalten aber sei nur der Höhepunkt einer langen Reihe von Aktionen der Krankenkassen, maßgeblich ihres Spitzenverbandes, gewesen, so VKD-Präsident Dr. Josef Düllings, die nicht einer besseren Patientenversorgung, sondern vor allem den ohnehin opulent gefüllten Kassen der Krankenkassen gedient hätten. „In den vergangenen Jahren haben sich viele Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht an den Versorgungsrealitäten orientiert, sondern an den Wünschen der Krankenkassen. So wurden innovative Leistungen für die Patienten verzögert oder sogar abgelehnt. Dagegen wiederum ergingen sinnlose bürokratische Regelungen für die Krankenhäuser.“
Die demokratische Legitimation des GBA stehe für den VKD schon längere Zeit in Frage. „Wesentliche Entscheidungen über medizinisch sinnvolle Leistungen, etwa zur Krebstherapie, sollten nicht einer Übermacht der Krankenkassen im GBA überlassen bleiben. Wir sehen ja seit langem, was dabei herauskommt. Wir fordern hier eine neue Struktur, die auch den Leistungsträgern des Systems, wie insbesondere den Krankenhäusern als Anker der Versorgung, mehr Mitspracherechte gibt. Ansonsten verliert dieses Gremium immer mehr von seiner Legitimation in der Praxis.“
Damit stelle der VKD nicht die Selbstverwaltung in Frage, so Dr. Düllings. Im Grunde müsse die vorgesehene Eingriffsmöglichkeit des Bundesgesundheitsministeriums als Schuss vor den Bug gesehen werden. Der Minister habe inzwischen mehrfach betont, dass er ein „Fan der Selbstverwaltung“ sei, wenn sie denn funktioniere. Sie müsse „liefern“.
Die Gefahr einer schleichenden Entmachtung der Selbstverwaltung sieht der VKD daher nicht. Wenn diese eine stärkere politische Einmischung vermeiden wolle, müsse sie sich endlich, vor allem im Interesse der Patientenversorgung, bewegen und ihre Strukturen, Organisation und Verfahren verantwortlich im Sinne ihrer eigentlichen Aufgabe verändern, nämlich der Gestaltung der Gesundheitsversorgung. Nur so gewinne sie wieder an Legitimation.
Quelle: Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands e.V., Oranienburger Straße 17, 10178 Berlin, 15.01.2019
Weitere Artikel zum Thema
08.09.2022 Politik
2000 Berliner Arztpraxen blieben geschlossen
Etwa 2000 Arztpraxen haben sich gestern (7.9.2022) in Berlin am Protest gegen die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach geplante Streichung der sogenannten Neupatientenregelung beteiligt und ihre Türen nicht geöffnet.
07.09.2022 Politik
GKV-Finanzreserven bei 9,6 Milliarden Euro
Die Finanzreserven der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) betrugen Ende Juni 9,6 Milliarden Euro. Das berichtet das Bundesgesundheitsministerium (BMG) in einer Meldung am 7.9.2022 über die Entwicklung der GKV-Finanzergebnisse im 1. Halbjahr 2022 gegenüber der Presse.
01.09.2022 Krankenhaus
Neue Mindestmengen des G-BA zur chirurgischen Behandlung von Brustkrebs und Lungenkrebs
Am 16. Dezember 2021 hat der Gemeinsame Bundeausschuss (G-BA) zwei neue Mindestmengen festgelegt: Für die Chirurgische Behandlung des Brustkrebses [1] muss ein Krankenhausstandort fortan 100 Leistungen pro Jahr erbringen, um die gelisteten Operationen auch künftig anbieten zu dürfen, 75 Leistungen pro Jahr sind für die thoraxchirurgische Behandlung des Lungenkrebses bei Erwachsenen [2] festgelegt.
01.09.2022 Politik
BDC-Praxistipp: Mindestmengen bei der chirurgischen Behandlung von Lungenkrebs
In einigen Fachbereichen sind sie bereits Alltag, nun haben sie auch die Thoraxchirurgie erreicht: die Mindestmengen von chirurgischen Eingriffen. Mit Datum vom 23.02.2022 wurde die bestehende Mindestmengenregelung in einer Veröffentlichung im Bundesanzeiger durch eine Anlage Nummer 10 ergänzt, welche die betroffenen Leistungen in Verbindung mit einem OPS-Code konkretisiert: es handelt sich um anatomische Lungenresektionen in Kombination mit der Diagnose einer bösartigen Neubildung von Bronchien und Lunge [1].
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.