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Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V.

Handlungsempfehlung zur Vermeidung unbeabsichtigt belassener Fremdkörper im OP-Gebiet

Am 06. Juni 2009 traf sich unsere Projektgruppe „Unbeabsichtigt belassene Fremdkörper im OP-Gebiet“ zu ihrer fünften Sitzung, um über die Ergebnisse aus einem Jahr gemeinsamer Arbeit abschließend zu beraten. Am selben Tag titelte die BILD-Zeitung Hessen: „Ärzte vergaßen Riesenspatel in ihrem Bauch – Frankfurter Anwältin erstritt 20.000 Euro für gequälte Patientin.“ Unmittelbarer, so das Empfinden der Sitzungsteilnehmer an diesem Tag, hätte man eine Antwort auf die Frage „Brauchen wir präventive Maßnahmen, um das unbeabsichtigte Belassen von Fremdkörpern im OP-Gebiet zu verhindern?“ kaum formulieren können.

In der Tat: Von spektakulären Fällen berichtet die Presse mit einiger Regelmäßigkeit. Im Februar 2006 etwa schrieb das Hamburger Abendblatt über den Prozess einer 26-Jährigen Patientin gegen eine Hamburger Klinik. Im Rahmen einer OP an den Eierstöcken hatte man bei ihr einen Tupfer vergessen. Im Oktober des gleichen Jahres berichtete die BILD-Zeitung von einer 21-Jährigen, bei der ein vergessener OP-Clip erst elf Jahre nach einer Blinddarmoperation entdeckt wurde. Die Patientin hatte über andauernde Schmerzen geklagt und daraufhin eine Bauchspiegelung durchführen lassen. Ebenfalls über Schmerzen nach einer Darmoperation klagte ein 61-Jähriger Patient in Duisburg. Der Fall erschien im März 2008 in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung: Bei der Röntgenkontrolle entdeckte man eine 40 cm lange Klemme.

Nun sind Presseberichte, zumal wenn sie der Sensationsgier entspringen, kein Beweis für die Häufigkeit, Bedeutsamkeit oder wissenschaftliche Relevanz eines Themas. Mehr Aufschluss erhofft sich der Forschende deshalb von wissenschaftlich seriösen Quellen. Eine Recherche in der Literaturdatenbank PubMed mit dem Suchbegriff „retained foreign body“ liefert 127 Artikel. Auch hier dominieren Fallberichte vor populationsbasierten Studien. Die darin geschilderten Krankengeschichten zeugen von oft langwierigen und schwerwiegenden Verläufen, bisweilen mit tödlichem Ausgang für den Patienten. Allein die Schwere dieser veröffentlichten Fälle spricht eine deutliche Sprache. Das unbeabsichtigte Belassen von Fremdkörpern im OP-Gebiet stellt demnach eine erhebliche Gefährdung der Patientensicherheit dar. Für den Patienten kann diese mit großen gesundheitlichen Schäden und Folgeerkrankungen einhergehen. Für den verantwortlichen Operateur und die beteiligten Pflegekräfte bedeutet sie eine nicht zu unterschätzende Belastung.

Wie häufig es zu einem unbeabsichtigten Belassen von Fremdkörpern kommt und im Rahmen vorwiegend welcher Operationen, dazu wurden international bisher nur wenige Studien veröffentlicht. Zahlen für Deutschland liegen nicht vor. Unsere Arbeitsgruppe „Unbeabsichtigt belassene Fremdkörper im OP-Gebiet“ im Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V. nahm dies zum Anlass, Häufigkeiten auf der Grundlage international veröffentlichter Studien zu schätzen. Danach ist in Deutschland mit jährlich bis zu 3.000 unbeabsichtigt belassenen Fremdkörpern im OP-Gebiet zu rechnen (siehe Kapitel „Häufigkeiten“). Fallschwere und Eintrittswahrscheinlichkeit lassen keinen Zweifel an der Wichtigkeit präventiver Maßnahmen zur Vermeidung unbeabsichtigt belassener Fremdkörper. Unser Ziel war es deshalb, Empfehlungen auszusprechen, wie diese Ereignisse wirksam vermieden werden können. Unter der Überschrift „Jeder Tupfer zählt!“ haben wir zusammengetragen, wie standardisierte Zählkontrollen durchgeführt werden sollten:
Als gemeinsame Aufgabe des gesamten OP-Teams, die Zeit und Ruhe braucht.

Die Arbeitsgruppe

Im Jahr 2008 entschloss sich das Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V. (APS) eine Arbeitsgruppe zu gründen, die sich mit der Thematik der unbeabsichtigt belassenen Fremdkörper im OP-Gebiet beschäftigen sollte. Die Arbeitsgruppe erhielt den Auftrag, Empfehlungen zu erarbeiten, wie solche Ereignisse erfolgreich vermieden werden können.

Unter Leitung von Herrn Prof. Dr. Siebert (Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie) und Frau Leppin (DRKSchwesternschaft Berlin, beide im APS-Vorstand) formulierte die AG anlässlich ihres ersten Treffens folgende Zielsetzungen für die Projektarbeit:

      • Alle im OP-Bereich beschäftigten Personen, insbesondere die OP-Teams, sollen auf die Notwendigkeit entsprechender perioperativer präventiver Sicherheitsmaßnahmen zur Vermeidung von unbeabsichtigt belassenen Fremdkörpern aufmerksam gemacht werden.
      • Es soll die notwendige und sinnvolle Diagnostik im möglichen Schadensfall vorgestellt werden,
      • ein adäquater Umgang mit Schadensereignissen aufgezeigt werden
      • und eine im Praxisalltag gut handhabbare Empfehlung/Handlungsanleitung in Form eines Plakates, eines Flyers und einer Dokumentation/eines Glossars erstellt werden.
Weiterführende Informationen
Flyer „Jeder Tupfer zählt“
Poster „Jeder Tupfer zählt“
„Jeder Tupfer zählt“-Glossar zu den Handlungsempfehlungen zur Vermeidung unbeabsichtigt belassener Fremdkörper im OP-Gebiet
Artikel „Das APS – Aktionsbündnis Patientensicherheit“ von Prof. Dr. H. Siebert in Passion Chirurgie 03/2014

Aktionsbündnis Patientensicherheit e.V. Safety Clip: Postoperative Zählkontrolle – Jeder Tupfer zählt! Passion Chirurgie. 2014 August; 4(08): Artikel 03_02.

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