Operative und interventionelle Gefäßmedizin
Debus, Eike Sebastian; Gross-Fengels, Walter (Hrsg.)
2012, 2012, XVIII, 995 S. 855 Abb. in Farbe
ISBN: 978-3-642-01709-4, € 229,00
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Sebastian Debus (Gefäßchirurg) und Walter Grossfengels (Radiologe) haben bereits mit ihrer interdisziplinären Herausgeberschaft die üblichen Pfade deutschsprachiger Lehrbücher in der Gefäßmedizin verlassen. Ihr Ansatz spiegelt die medizinisch notwendige Überschreitung der Gebietsgrenzen wider, vor denen Wissen, Fertigkeiten und Alltag in der Gefäßmedizin schon lange nicht mehr Halt machen. Zur Definition ihrer Zielgruppe formulieren sie den Anspruch, mit diesem Buch vom Studenten über Assistenten und Nicht-Gefäßmediziner bis zum Gefäßspezialisten, alle für ihr Fach begeistern zu wollen. Das ist viel! Und so benötigen sie auch 995 Seiten, um in 49 Kapiteln mit meist deutschen, aber auch vielen europäischen Autoren diesem Anspruch gerecht zu werden. Die optische Aufmachung ist hervorragend. Die klare Gliederung des Textes, der Wechsel der Schriftfarbe zwischen allgemeinem Text und zusammenfassenden Kernaussagen und die hohe Qualität vieler Abbildungen machen das Lesen abwechslungsreich und zu einem Vergnügen. Hierzu trägt auch die klare Sprache bei, die in manchen Kapiteln erfrischend die Färbung des einzelnen Autors trägt.
Die 855 Abbildungen beinhalten hervorragende mehrfarbige Zeichnungen, fotographische Situsdarstellungen und Operationspräparate, klinische Bilder und vor allem auch Bildmaterial jeglicher bildgebenden Technik, dem die radiologische Mitherausgeberschaft gut getan hat. Einige Bilder hätte ich mir noch bei der Darstellung der mechanischen Thrombektomiekatheter gewünscht, die sicher nicht jedem Leser vertraut sind. An anderer Stelle, bei den Nierenarterienstenosen, findet man dafür die Abbildung eines noch wenig bekannten steuerbaren Führungskatheters, wie man sie sonst nicht findet.
Dazu kommen noch über 200 Tabellen, die sehr hilfreich sind und die wohl in vielen Vorträgen wieder auftauchen werden. Ähnliches kann von den Grafiken z. B. in dem epidemiologischen Kapitel erwartet werden, da sie in ihrer Übersichtlichkeit, der klaren graphischen Gestaltung im Mehrfarbendruck und in ihrer Aussagekraft überzeugen. Überhaupt ist das Kapitel über Epidemiologie und Versorgung von Gefäßpatienten in Deutschland herauszuheben. Die Aufnahme der Versorgungsforschung in ein solches Werk überzeugt, stellt sie doch einen reichhaltigen Fundus an Fakten und Daten für den Interessierten dar und erstellt an mancher Stelle erstmals mit Zahlen ein reelles Bild der Versorgungsrealität. Hier findet man Zahlen, auf deren Basis wohl demnächst viele Argumente geschärft werden. Dieses Kapitel gehört zu dem generell lesenswerten allgemeinenTeil, in dem sich die Autoren teils spürbar beschränken mussten, aber es z. B. in den Kapiteln über die Geschichte der Gefäßchirurgie durchaus verstehen, den Wunsch zu „Mehr“ zu wecken.
Zu jedem Kapitel wird dem Leser, der noch weiter ins Detail gehen will, ein umfangreiches Literaturverzeichnis geboten, in welchem die grundlegenden, teils älteren Quellen, aber auch topaktuelle Arbeiten, teils aus dem Erscheinungsjahr des Buches genannt werden. Dies trifft besonders für das Kapitel über den cruropedalen Gefäßabschnitt zu, das dadurch aktuelle Techniken der Intervention – mit sehr klaren angiographischen Darstellungen praxisbezogen untermauert – zu bieten hat. In dem extrem gelungenen Abschnitt über die supraaortalen Arterien werden zusätzlich Webadressen als Quelle genannt, was wiederum den Vorteil hat, dass diese nicht nur brandaktuell aus dem Erscheinungsjahr zitiert sind, sondern der Leser hier auch mit fortlaufender Aktualisierung rechnen kann. Überhaupt haben es die Herausgeber geschafft, Wissen auf dem neuesten Stand zu integrieren, wozu noch exemplarisch das Kapitel über die interventionellen Techniken im tiefen Venensystem genannt sei.
Der strukturelle Aufbau des Inhalts unterscheidet sich von anderen Lehrbüchern, da er den Inhalt nach Gefäßregionen gliedert, in denen dann alle Pathologien abgehandelt werden sollen. Dieses Konzept leuchtet ein, wird aber nicht immer konsequent durchgehalten. So vermisst man im Bereich der Viszeral- und Nierenarterien – zwei ansonsten von großer Erfahrung geprägten extrem lesenswerten Kapiteln – hier plazierte Informationen über die dort bedeutsamen Aneurysmen. Diese Identifikation einer kleinen strukturellen Unterlassung stellt aber Mäkeln auf höchstem Niveau dar. Denn in diesem Buch fehlt nichts. Es ist ein rundum gelungenes Werk, das den genannten Zielgruppen sicher gerecht wird und dem an der Gefäßmedizin interessierten Leser viel Wissen anbietet, das er mit viel Freude beim Lesen aufnehmen kann. Der Preis von 229,-€ erscheint auf jeden Fall angemessen.