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Die 6. Auflage des „von Laer“ zu rezensieren bedeutet eigentlich, Eulen nach Athen zu tragen. Seit der ersten Auflage 1986 in einem Rhythmus von fünf bis sechs Jahren bearbeitet und angepasst, gehört dieses deutschsprachige Standardwerk der Kindertraumatologie trotz einiger Konkurrenzprodukte unverändert in den Schrank eines jeden kindertraumatologisch aktiven Kinderchirurgen, Unfallchirurgen oder Kinderorthopäden.

 


Frakturen und Luxationen im Wachstumsalter
6., überarbeitete und erweiterte Auflage 2012
512 S., 1380 Abb., PDF
Thieme Verlag
ISBN: 9783131573162, € 199,99

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Im Vorwort der aktuellen Auflage wird die kritische Sicht auf das, was aktuell im Gesundheitswesen passiert, deutlich, wenn Patienten-zentrierte Medizin gefordert wird, verbunden mit der Warnung, die Effizienz nicht der Wirtschaftlichkeit unterzuordnen. Die ersten 100 Seiten beschäftigen sich dann – wie gewohnt – mit Grundsätzlichem zu Wachstum, Heilung und deren Störung, zu Verletzung, Prognose und Prävention sowie zu Diagnostik, Therapie und Nachsorge. Auf den weiteren 400 Seiten werden die einzelnen Verletzungsregionen von der Schulter bis zum Finger und von der Hüfte bis zum Zeh systematisch abgehandelt, bevor besondere Konstellationen (Misshandlung, Geburtstrauma, pathologische Frakturen) und Lokalisationen (Becken, Wirbelsäule) das Werk beschließen.

Ein Highlight zu Beginn sind die Ausführungen zum Wachstum und seinen Störungen. Kaum einer wird sich so intensiv mit dieser Thematik beschäftigt haben wie der Erstautor des Buches. Gute Bildbeispiele und der reich dargelegte klinische Erfahrungsschatz machen hier das Verständnis von Spontankorrekturen resp. stimulierenden und hemmenden Wachstumsstörungen leicht. Leider scheinen die sperrigen, unüblichen und auf Kongressen immer wieder mit Unverständnis registrierten Begriffe „Fugenschaft- und Fugengelenkfrakturen“ ebenso unvermeidlich zu sein wie die alleinige Nutzung der Klassifikation nach LiLa, die der weltweit akzeptierten AO-Klassifikation sehr ähnlich ist, deren konkurrierende Nutzung aber eine international einheitliche Sprache verhindert. Im Diagnostikkapitel ist die kritische Auseinandersetzung mit der Röntgendiagnostik, v. a. der Darstellung der unverletzten Gegenseite und der Häufigkeit von Verlaufskontrollen ebenso erfreulich akzentuiert wie es das Plazet gegen „aggressive“ invasive Diagnostik ist. Die Kadi-Läsionen haben dagegen leider ein schwieriges begriffliches Eigenleben entwickelt, werden von vielen Vortragenden mehr drohend als warnend zitiert und konnten dennoch an der Verkennung der entsprechenden Diagnosen kaum etwas Relevantes ändern. Die zunehmenden Möglichkeiten der Ultraschalldiagnostik werden leider nur stiefmütterlich erwähnt. In der Therapieübersicht erscheint der Fixateur externe bei den geschlossenen Verfahren gegenüber den intramedullären Verfahren überbewertet, während Schrauben und Platten nur unter den offenen Repositionsverfahren aufgeführt werden, obwohl sie ja auch indirekt und gedeckt zum Einsatz kommen. Mit unverhohlener und berechtigter Kritik am „DRG-Schmuck-Draht“ geht es dann zum speziellen Teil weiter.

Dieser Teil ist durch den systematischen Aufbau der einzelnen Abschnitte mit der Besprechung von Frakturformen, Diagnostik, Wachstumsstörungen und Spontankorrekturen sowie Therapie und Nachsorge und den instruktiven tabellarischen Übersichten an den Kapitelanfängen geprägt. Das Kapitel zu den Ellenbogenfrakturen hat seine inhaltliche Spitzenstellung verteidigt. Hier wird die individuelle Erfahrung der Autoren mit den spezifischen und speziellen Problemen dieser Region besonders deutlich. Die Darlegung des differenzierten Vorgehens suprakondylär, kondylär und am proximalen Radius brilliert. Am Unterarmschaft erhält die Problematik der Grünholzfraktur adäquaten Platz, wenn auch das Bildbeispiel von zu dünnen Nägeln und zu früher Metallentfernung gekennzeichnet ist. An der proximalen Tibia wird die besondere Affinität zu den Wachstumsproblemen erneut nachdrücklich unterstrichen, und am OSG studiert man immer wieder gerne die Skizzen zu den Übergangsfrakturen.

Rezension muss aber auch kritisch sein dürfen. Manches Bildmaterial (klinisch und Röntgen) entstammt sichtbar dem vergangenen Jahrhundert, und wenn dies auch deutlich macht, dass sich nicht alles seit der ersten Auflage geändert hat, würde der eine oder andere Austausch zu einem frischeren optischen Eindruck führen. Zur operativen Versorgung der Klavikulafraktur mittels ESIN wären technische Texthinweise und eine Abbildung hilfreich. Suprakondylär wird der Fixateur externe leider nur in der „eigenen“ Technik bildlich untermauert und es fehlt der Hinweis, dass der Vorteil der konkurrierenden Vorgehensweise nach Slongo auch darin besteht, eine offene Reposition zu verhindern. Bei der Behandlung des abgekippten Radiuskopfes (Caput radii, nicht Capitulum; „Köpfchen“ verniedlicht das Problem dieser Region [Zitat Pennig, Köln]) wird leider weiterhin der direkten intraoperativen Entfernung des intramedullären Nagels das Wort geredet, obwohl es mehrere Berichte sekundärer Dislokation gibt. Bei der Behandlung der instabilen Femurschaftfraktur wäre man den Autoren dankbar gewesen, wenn das Prinzip der Endcaps und des ALFN auch bildlich dargestellt worden wäre. Zur Zurückhaltung gegenüber einer frühzeitigen Operation der Kreuzbandruptur – entgegen dem in der Literatur belegten Trend der vergangenen Jahre – werden ausschließlich zehn Jahre alte Arbeiten zitiert. Verwundert registriert der Rezensent seinen eigenen Fall in Abb. 24.7 mit einem verfälschenden und inhaltlich nicht korrekten Abbildungstext. Die Darlegung von Korrekturen ohne Ringfixateure (bis auf ein Beispiel am Fuß) stellt eine nicht nachvollziehbare Fokussierung auf monolaterale Fixateure dar. Das nur online verfügbare Literaturverzeichnis ärgert den Leser, der schnell eine Referenz nachschlagen will.

Zusammenfassend ist und bleibt der Wert dieses Buches aber unbestritten. Trotz der neueren Werke von Weinberg, Marzi, Dietz und Mitarbeitern sowie Matussek bleibt der von Laer die erste Referenz. Der allgemeine Teil besticht auch in der 6. Auflage, im speziellen Teil findet man neben guten Skizzen und einprägsamen Merksätzen auch im laufenden Text viel Mahnendes und Leitendes. In schwierigen Einzelfällen wie im klinischen Alltag wird sich der Griff zum von Laer auch in den kommenden Jahren immer lohnen. Die 7. Auflage wäre 2018/2019 fällig. Der Leser wird wie bei den bisherigen Neuauflagen auch dann wieder gespannt sein dürfen, wenn auch das Vorwort zur 6. Auflage – und hier schließt sich der Kreis der Rezension – eine Zäsur angedeutet hat.

Schmittenbecher P. Rezension: Frakturen und Luxationen im Wachstumsalter. Passion Chirurgie. 2014 Juli; 4(07): Artikel 03_06.

Autor des Artikels

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Prof. Dr. Peter Schmittenbecher

Kinderchirurgische KlinikKlinikum KarlsruheMoltkestr. 9076133Karlsruhe kontaktieren

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