01.06.2020 Rezensionen
Rezension: Der Chirurg Wolfgang Teichmann
Der Chirurg Wolfgang Teichmann – mein geteiltes Leben in Ost und West
Aufgeschrieben von Matthias Gretzschel
Hardcover mit Schutzumschlag
264 Seiten
€ (D) 24,95
ISBN 978-3-7822-1325-7
Beim Verlag bestellen: https://bit.ly/Rezension-Teichmann
In diesem Buch wird das ungewöhnliche Leben eines passionierten Chirurgen erzählt.
Geboren wurde der Autor 1941 in Greifswald. Die Entschlossenheit des Stadtkommandanten bewahrte Greifswald in den letzten Tagen des zweiten Weltkriegs vor der Zerstörung. Diese Stadt und die norddeutsche Landschaft blieben für den Autor immer die innere Heimat und die prägenden Konstanten. Seine angenehme Jugend in Greifswald endete mit der Suche nach einem konkreten Berufsweg. Die primäre Zielrichtung waren weniger akademische als sportliche Ambitionen. Zusammen mit einer zeitweiligen Tätigkeit als Hilfspfleger waren diese jedoch eine gute Vorbereitung auf das anvisierte Medizinstudium und den späteren Chirurgenberuf. Eine gewisse Sympathie für die Liberal-Demokratische Partei Deutschlands half ihm, eine Mitgliedschaft in der SED zu vermeiden.
Die nächsten Stufen nahm Teichmann an den Universitäten Greifswald und Rostock, wo Hochschullehrer mit Interesse am chirurgischen Nachwuchs seine Weichen stellten. In Greifswald gewann ihn sein Doktorvater W. Kothe für die Chirurgie und in Rostock R. Reding für die Bauchchirurgie. Sein Einfluss ist unverkennbar, so wie die spätere Entfremdung vermutlich schmerzhaft war: engmaschige postoperative Kontrollen, spannungsfreie Anastomosen und totale Hinwendung zum Patienten beherrschten zeitlebens die Handlungsdirektiven. Der Begriff „Work-Life-Balance“ war ein noch unbekannter Begriff.
Diese für den jungen Chirurgen glückliche Berufsphase fand jedoch durch die unverständliche Versetzung des chirurgischen Universitätsassistenten in ein Landambulatorium ein jähes Ende. Ein rettender Ausweg konnte nur die „Republikflucht“ sein, und diese bereitete Teichmann vor. Die Schilderung der Flucht ist spannend wie ein guter Krimi: Von der Organisation durch eine im Westen lebende ehemalige Freundin bis zum Transport im Kofferraum eines Diplomatenautos über den Checkpoint Charlie in Berlin. Die Flucht endete im Allgemeinen Krankenhaus Hamburg-Altona.
Durch seine breite chirurgische Erfahrung im Osten wurde er sehr bald von seinen Kollegen im Westen geschätzt. Seine spärlichen fachlichen Auslandsaufenthalte im Ostblock wirkten sich jedoch gegenüber seinen westdeutschen Kollegen mit oft ausgedehnten Amerikaerfahrungen nachteilig aus. Das galt es nachzuholen, und das tat er. Über seine anfänglichen Sprachschwierigkeiten half ihm seine Hamburger Frau Marion hinweg. Bei Vorträgen in den USA konnte Teichmann gelegentlich auf die Hilfe des weltberühmten Herzchirurgen M. DeBakey zurückgreifen, dessen Deutschfreundlichkeit auch für viele andere deutsche Kollegen eine große Hilfe war. Teichmann kam nicht mit leeren Händen in die USA, denn er hatte seine neuartige Etappenlavage bei Peritonitis mit dem ungewöhnlichen Reißschlussverfahren im Gepäck und machte sie in den USA publik.
Nach der Wiedervereinigung hatte der Autor die Möglichkeit, seine 1.500 Seiten umfassende Stasiakte einzusehen. Wer glaubte, mit dem Ende des zweiten Weltkrieges wäre auch die Überwachung der Bürger beendet worden, sieht sich enttäuscht. Mit deutscher Gründlichkeit wurde sie in der DDR eher noch perfektioniert. In seinen Akten musste Teichmann einen Inhalt lesen, den man nicht glauben möchte. Aber seine eindrucksvolle Aufrichtigkeit schließt jeden Zweifel aus.
Wer so zielstrebig seinen Berufswunsch verfolgt und seinen Beruf dann so hingebungsvoll ausübt, hat üblicherweise Erfolg. Deshalb kann es nicht verwundern, dass Teichmann chirurgischer Chef im AKA wurde, mehreren Vereinigungen und Gesellschaften vorstand und das Vertrauen bekannter Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens besaß.
Die Präsidentschaft der DGCH musste leider an einer belastenden, lange unerkannten Darmerkrankung scheitern. Die Rezension dieses Buches war ein spannendes Erlebnis, aber zugleich auch Freude und Ehre.
Hartel W: Rezension: Der Chirurg Wolfgang Teichmann. Passion Chirurgie. 2020 Juni, 10(06): Artikel 04_03.
Autor des Artikels
Prof. Dr. med. Wilhelm Hartel
ehemaliger Generalsekretär der DGCHWeitere Artikel zum Thema
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