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Abteilung Hepatobiliäre Chirurgie bei Direktor Prof. O. Soubrane

1. Tag, Montag, 09. Januar 2012

Der erste Tag im St. Antoine Hospital Paris ist abwechslungsreich. St. Antoine´s Hospital ist ein großes Krankenhaus im Herzen von Paris. Der Chefarzt der Abteilung Hepatobiliäre Chirurgie, Prof. O. Soubrane, ist an diesem Tag aufgrund eines auswärtigen Vortrages im Ausland nicht anwesend. Es empfängt mich in der Stationsbesprechung eine deutschstämmige Kollegin, die seit zehn Jahren in Frankreich lebt und arbeitet. Ich werde gleich in Richtung OP geführt. Die Schleuse und die Umkleide sind ganz anders als man es in Deutschland gewohnt ist. Der OP, der Aufwachraum und der Aufenthaltsraum sind in einer Ebene, nur durch Türen verbunden. Ich werde dem Saal 2, dem hepatobiliären Saal zugewiesen. Dort wird eine Hemihepatektomie rechts bei Cholangiozellulärem Karzinom durchgeführt. Prof. Scatton ist der Operateur, ein sehr jung wirkender Mensch. Er ist freundlich, flink und erklärt einige seiner OP-Schritte, z. B. die Präparation, die Gefäße. Der OP-Saal hat auch andere Besucher und Zuschauer die interessiert die Abläufe verfolgen. St. Antoine gehört der Uniklinik an, so dass PJ-Studenten, WB-Assistenten und Besucher aus anderen Ländern Alltag sind. In der OP wird ein spezielles Hakensystem benutzt, der sogenannte Tagasaku Rahmen, ein japanisches Konstrukt mit verstellbaren Haken welche über Drahtseile flexibel eingestellt werden können. Die Präparation des Operateurs ist sehr sauber und mit ähnlichen Instrumenten wie in Deutschland. Anschließend werden nach sonografischer Kontrolle die Resektionsgrenzen markiert und die Resektion beginnt. Wie im Heimatkrankenhaus, so auch hier, wird mit dem Cusa und der Wasserlaufpinzette reseziert. Das Präparat wird geborgen, nochmalige sonografische Kontrolle, der Rückzug der OP beginnt. Mein Eindruck: ein nettes Team, der Standard hoch, die Ausstattung wie im deutschen Raum, die Räumlichkeiten eher einfacher, das OP-Team trainiert.

Nach der OP gibt es Mittagessen, im OP kostenlos von der Klinik gestellt, auch etwas was im deutschen Raum unvorstellbar ist. Die Atmosphäre ist sehr locker. Danach gehe ich mit der deutschen Oberärztin auf Station, wo wir ein paar Kleinigkeiten erledigen. Es ist nun mittlerweile schon nachmittags und nachdem die Kollegin noch diktieren muss, verabschiede ich mich bis zum nächsten Morgen.

2. Tag, Dienstag, 10. Januar 2012

Der zweite Tag fängt wieder mit einer OP an. Ein cholangiozelluläres Karzinom im fortgeschrittenen Stadium wird konventionell operiert. Vorbereitung und Schnitt durch die deutsche Oberarztkollegin Dr. Schielke mit Student, anschließend kommen Prof. Soubrane und Prof. Scatton. Nach der Präparation und sonografischer Kontrolle wird entschieden keine Resektion durchzuführen aus folgenden Gründen: Fortgeschrittene Gefäßinvasion des Tumors. Die V. portae ist um mehr als die Hälfte der Zirkumferenz vom Tumor infiltriert (Abb. 1).

Der Patient ist bereits neoadjuvant chemotherapiert, die Leber ist eher vorgeschädigt, das verbleibende Lebergewebe wäre nicht funktionell.

Aufgrund des weit fortgeschrittenen Stadiums und auch Progress des Tumors in Segment 1 müsste eine eine erweiterte Hemihepatektomie rechts erfolgen, diese ist aber aufgrund der vorchemotherapierten Leber mit dem funktionell vorgeschädigten Gewebe nicht zu vertreten. Es ist ein „blue liver syndrome“ (mit Oxaliplatin chemotherapierte Leber).

Ein vierter Grund ist die portale Hypertension. Intraoperativ wird der portale Venendruck gemessen, dieser beträgt 16mm Hg (Normwert bis 12mm Hg). Die OP wird dann beendet. Anschließend gehen wir Mittagessen, danach erfolgt die Visite auf Station und Intensivstation.

Abb.1: CT-Abdomen Cholangiozelluläres Karzinom

3. und 4. Tag, Mittwoch und Donnerstag, 11./12. Januar 2012

Heute steht eine laparoskopische Lebermetastasenresektion auf dem Plan. Geplant ist es als ‚two stage’-Eingriff, jetzt der erster Eingriff. Normale Rückenlagerung mit V-Lagerung der unteren Extremitäten. Supraumbilical der Kameratrokar, im rechten und linken Mittelbauch zwei Arbeitstrokare (10 und 12), subxiphoidal ein 5er Trokar und bei Bedarf kann man noch einen 5er Trokar weiter lateral re als den Trokar im rechten Mittelbauch einführen (Abb. 2). Der Eingiff wird unter größter Sorgfalt durchgeführt, die Resektionsgrenzen werden nach intraoperativen, laparoskopischen Ultraschall gesetzt und ähnlich wie im offenen Verfahren mittels Cusa und bipolarer Koagulation durchgeführt. Reseziert wird in diesem Fall das Segment 3 wo sich die Metastase befindet, nach der Hypertrophiephase in einem Monat wird dann ebenfalls laparoskopisch eine Hemihepatektomie rechts durchgeführt.

Abb. 2: Position der vier Stardardtrokare bei laparoskopischer Leberresektion

Am Nachmittag visitieren wir die Normal- und Intensivstation. Eine notfallmäßig eingelieferte Patientin mit Lebergefäßarrosion bei Sepsis liegt auf der Intensivstation und steht als erste in nationaler Priorität zur Lebertransplantation an. Das bedeutet, das die nächste zu transplantierende Leber ihr zusteht. Abends dann findet sich ein Spender, 800 km südlicher in Marseille und das Abenteuer beginnt…

Wir werden von der Klinik in polizeilicher Begleitung und unter Blaulicht zum Pariser Flughafen im Eiltempo gefahren. Dort erwarten uns die Piloten eines Privatjets der uns in eineinhalb Stunden nach Marseille fliegt, es ist mittlerweile Nacht. Ankunft am Marseiller Flughafen 23:30 Uhr. Dort werden wir erwartet und werden wieder per Eiltempo mit PKW zur Uniklinik in Marseille gefahren, wo bereits das OP-Team der Urologen (es handelt sich um eine Leber und Nierenentnahme) das Abdomen eröffnet hat und auf das Leberteam zur Entnahme wartet (Abb. 3). Die Entnahmeprozedur beginnt, ich darf mit am Tisch sein und die Leber wird schließlich im hypothermen Zustand in die Box gebracht, wir nehmen sie mit und die Rückkehr beginnt (Abb. 4).

Abb. 3: Das Marseiller Urologen OP-Team welches bei Ankunft bereits am Tisch stand

Abb. 4: Das Leberpräparat reisefertig in der Box

In den frühen Morgenstunden angekommen, findet im Anschluss den gesamten Vormittag die Transplantation statt, nach vorheriger Präparation und Vorbereitung des Präparats, an der ich beteiligt bin. Das Team ist locker, das Arbeitsklima angenehm, nachmittags gegen 15:00 Uhr ist dann alles geschehen. Völlig erschöpft entscheide ich mich, mich ins Hotel zurückzuziehen. Meine Oberarztkollegin wird noch die Patienten in den Stationen versorgen und die Sprechstunde durchführen. Es ist bewundernswert, wie eine Frau in dieser Position ein derartiges Durchhaltevermögen hat und eine derartige Leistung erbringt.

5. Tag, Freitag, 13. Januar 2012

Letzter Tag. Auf dem OP-Plan steht eine Segment 1-Resektion, wo sich die Metastase eines kolorektalen Karzinoms befindet. Eine Hemihepatektomie rechts wurde bereits vor einem Jahr wegen Lebermetastasen durchgeführt. Der Eingriff wird konventionell durchgeführt. Ich darf mich mit einwaschen. Chefarzt Prof. Soubrane führt den Eingriff durch. Die Schnittführung ist wie ein rechter Türflügelschnitt, jedoch statt eckig rund. Die Präparation erfolgt sorgfältig, nach Einsatz des bekannten Tagasaku-Rahmens. Da die Patientin adipös ist, ist das Hochheben der bereits ordentlich hypertrophierten Leber nicht leicht. Eine große Hilfe ist dieser Tagasaku-Rahmen, ein japanisches Konstrukt mit Haken die an verstellbaren Drahtseilen befestigt sind.

Diese sind sowohl in der Platzierung als auch in der Lokalisation total variabel. Nun kann das Segement 1 geborgen werden und das Präparat wird aufgeschnitten, es findet sich eine Solitärmetastase. Auf dem Rückzug wird unter sorgfältiger Blutstillung mittels bipolarer Pinzette gearbeitet. Der Faszienerschluß mit fortlaufender Vicrylnaht durchgeführt, die Haut mit resorbierbarer fortlaufender Intrakutannaht verschlossen.

Abb. 5: von links: Patrick (PJ-Student), Fabiano (Funktionsoberarzt), Prof. Scatton (Ltd. Oberarzt), Dr. Kakazani (zu Gast), Prof. Soubrane (Chefarzt), WB-Assistent

Fazit

Das Arbeitsklima ist sehr locker, die Weiterbildungsassistenten und Medizinstudenten werden großzügig im OP eingeteilt. Man darf in Frankreich in der Weiterbildung sofort operieren, die Weiterbildung findet nur in Unikliniken statt und nicht in der Peripherie. Alle sechs Monate findet eine Rotation in anderen chirurgischen Disziplinen statt. Dort werden dann die speziellen Eingriffe erlernt und allen Assistenten ausnahmslos assistiert. Nach fünf Jahren steht der Facharzt an. Die Fachärzte werden dann sofort nach dieser Ausbildung immer als Funktionsoberärzte eingesetzt. Da sie bereits über operative Erfahrungen verfügen, werden sie auch so eingesetzt. Die problematische Situation der Fachärzte in den Abteilungen in Deutschland, die zwischen Oberärzten und Assistenzärzten stehen, entsteht erst gar nicht, da ein Facharzt automatisch Funktionsoberarzt ist. In der Uni machen dann die Leute weiter die eine akademische Laufbahn anstreben, sie publizieren und habilitieren sich.

Eine Verschwendung teuer ausgebildeter Chirurgen die in Ambulanzen eingesetzt werden findet hier nicht statt. Die Ambulanzen der Krankenhäuser werden durch Allgemeinärzte besetzt, nicht mit Chirurgen. Dies ist in Zeiten des Nachwuchsmangels in der Chirurgie auch hierzulande eine Überlegung wert. Es nützt nichts, Mediziner für die Chirurgie motivieren zu wollen, wenn bereits fertig ausgebildete und teuer ausgebildete Chirurgen in chirurgischen Ambulanzen abgestellt werden wie vielerorts in Deutschland.

Bei Interesse kann eine DVD mit der laparoskopischen Leberresektion unter einer Schutzgebühr von 10.- Euro bei der Verfasserin bestellt werden. Bestellung bei u. g. Adresse, E-Mail.

Kakazani A. Reisebericht über eine Hospitation im St. Antoine Hospital Paris. Passion Chirurgie. 2012 April; 2(04): Artikel 03_02.

Autor des Artikels

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Anna Kakazani

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