Zurück zur Übersicht

Der demographische Wandel wird in Deutschland wie in den meisten anderen europäischen Ländern zu einer leichten Abnahme der Bevölkerungszahl bei gleichzeitiger deutlicher Zunahme der Anzahl der älteren Bevölkerung führen. Innerhalb Deutschlands gibt es jedoch deutliche regionale Unterschiede hinsichtlich der Geschwindigkeit des Fortschreitens des demographischen Wandels. So wird in allen ostdeutschen Bundesländern mit Ausnahme Berlins und des Berliner Umlands, aber auch in ländlichen Gebieten westlicher Bundesländer sowie im zentralen Ruhrgebiet die Bevölkerungszahl bis 2025 deutlich sinken. Die absolute Anzahl über 80-Jähriger wird hingegen zwischen 2005 und 2025 rasch ansteigen, in nordostdeutschen Regionen kommt es während dieses Zeitraumes annähernd flächendeckend zu einer Verdoppelung der Anzahl über 80-Jähriger. In den weiteren Regionen Deutschlands verläuft die Zunahme weniger dynamisch, liegt jedoch auch dort mehrheitlich zwischen 50 und 80 Prozent [1].

Die Ursachen des demographischen Wandels liegen

  • in der konstant niedrigen Geburtenrate, die nicht das für eine stabile Bevölkerungszahl notwendige Ersatzniveau erreicht,
  • der Zunahme der Lebenserwartung,
  • dem regionalen Wegzug von insbesondere jungen Menschen aus ländlichen Regionen Deutschlands und
  • in geringerem Umfang in einem positiven Wanderungssaldo älterer Menschen in ausgewählte ländliche Regionen.

Die Faktoren 1 bis 3 betreffen in besonderem Ausmaß die ostdeutschen Bundesländer.

Durch die Trägheit der demographischen Prozesse ist dem demographischen Wandel weder schnell noch einfach gegenzusteuern. Daher müssen dringend die Auswirkungen der Alterung der Bevölkerung auf die medizinische Versorgung analysiert werden. Besonders geeignete Regionen mit Modellcharakter sind dabei die ostdeutschen Bundesländer, da sich dort bereits heute die Bevölkerungsstruktur abzeichnet, die in vielen westdeutschen Regionen erst in 10 bis 20 Jahren erreicht werden wird. Insbesondere Mecklenburg-Vorpommern ist eine demographische und versorgungsepidemiologische Modellregion. Ziel dieses Beitrages ist es, ausgewählte Ergebnisse von Analysen zu den Auswirkungen des demographischen Wandels in Mecklenburg-Vorpommern darzustellen und exemplarisch Lösungsansätze aufzuzeigen.

Anstieg von Fallzahlen altersassoziierter Erkrankungen und der Inanspruchnahme medizinischer Leistungen

Eine Folge der Zunahme der Anzahl älterer Menschen in der Bevölkerung ist der Anstieg von Patientenzahlen mit altersassoziierten Erkrankungen. Für Mecklenburg-Vorpommern wurden Prognosen der Fallzahlen auf Basis des Jahres 2005 bis zum Jahr 2020 erstellt. Dabei wurden als Datenquellen regionale Bevölkerungsprognosen sowie bevölkerungsbezogene Prävalenz- und Inzidenzdaten der Study of Health in Pomerania (SHIP) [2, 3], des Gemeinsamen Krebsregisters der Neuen Bundesländer [4] sowie einer Studie von Bickel [5] zur Häufigkeit von Demenzerkrankungen in der Bevölkerung genutzt.

Die Ergebnisse der Prognosen zeigen, dass im Jahr 2020 in Mecklenburg-Vorpommern beispielsweise die prävalenten Fallzahlen für überlebte Myokardinfarkte gegenüber 2005 um 28,3 Prozent, für Diabetes um 21,4 Prozent, für Osteoporose um 19,5 Prozent und für Schlaganfälle um 18,0 Prozent zugenommen haben werden. Eine besonders ausgeprägte Zunahme ist für die Anzahl Demenzerkrankter zu verzeichnen, deren prävalente Fallzahl um 91,1 Prozent ansteigen wird.

Ein gleichartiger Effekt zeigt sich für Neuerkrankungszahlen, diese werden beispielsweise für Krebserkrankungen insgesamt um 22,6 Prozent höher liegen als im Jahr 2005, die Fallzahl für Kolonkarzinome wird um 31,0 Prozent zunehmen. Diese Zunahme verteilt sich jedoch nicht gleichmäßig über alle Altersgruppen der Patienten. In allen Analysen war für oben genannte Erkrankungen der Anstieg der Fallzahlen bei 75-jährigen und älteren Patienten besonders prägnant [6].

Die Fallzahlberechnung bezieht sich dabei allein auf den Effekt der Alterung der Bevölkerung. Mögliche Änderungen der Risikofaktorenstruktur bleiben unberücksichtigt. Erkrankungsspezifische Analysen, die unter Einbeziehung der komplexen Änderungen der Risikofaktorenstruktur durchgeführt worden sind, lassen vermuten, dass auch die Zunahme der Risikofaktoren die erwartete Fallzahl erhöht. Insgesamt hat jedoch bis 2020 der demographische Wandel den wesentlich größeren Effekt auf die dann zu erwartenden Fallzahlen.

Die Zunahme der Fallzahlen für einzelne Erkrankungen, insbesondere bei älteren Personen, hat gleichzeitig Auswirkungen auf die Anzahl multimorbider Patienten, die im medizinischen System versorgt werden müssen. Für die Therapie dieser Patienten existieren derzeit jedoch keine ausreichenden Versorgungskonzepte oder Diagnose- und Therapieleitlinien, die der Vielfalt der Erkrankungskombinationen gerecht werden könnten. Hier sind neue Ansätze, beispielsweise aus der Individualisierten Medizin, notwendig, die u. a. auch die Patientensichtweise zu Behandlungszielen, Ressourcen und Bedarfen stärker mit berücksichtigen.

Ein weiterer Effekt der Zunahme der Patientenzahlen lässt sich in Hochrechnungen der stationären und ambulanten Inanspruchnahme abbilden. Diese wird ebenfalls, trotz der 8-prozentigen Abnahme der Bevölkerungszahl in Mecklenburg-Vorpommern bis 2020 deutlich ansteigen. Dies betrifft die Anzahl von Betten in internistischen, chirurgischen und neurologischen Fachabteilungen [7] ebenso wie steigende Kontaktzahlen zu niedergelassenen Hausärzten und ausgewählten Facharztgruppen. Für die Gruppe der niedergelassenen Chirurgen ergaben die Hochrechnungen für Mecklenburg-Vorpommern, dass als Folge der tendenziell etwas jüngeren Patienten in diesem Fachgebiet im Jahr 2020 verglichen zu 2005 die Kontaktzahl von Patienten voraussichtlich leicht sinken wird, jedoch nicht proportional zur sinkenden Einwohneranzahl [8].

Die dargestellten Prognosen bilden eine gute Datengrundlage für die Planung einer adäquaten flächendeckenden Versorgung mit Haus- und Fachärzten sowie stationären Einrichtungen. Besondere Berücksichtigung sollte dabei insbesondere in dünn besiedelten Gebieten die Komponente der Erreichbarkeit medizinischer Versorgung finden. Ältere, multimorbide Personen sind häufig nur noch eingeschränkt mobil und damit entweder auf eine möglichst wohnortnahe Versorgung, den öffentlichen Nahverkehr oder Verwandte/Nachbarn angewiesen, die den Transport übernehmen können. Vor dem Hintergrund des Wegzugs junger Menschen aus den ländlichen Gebieten wird die Möglichkeit familiärer Unterstützung bei Transportfragen eingeschränkt. Der öffentliche Nahverkehr in ländlichen Räumen ist häufig an den Schülerverkehr gebunden, so dass nicht zu allen Tageszeiten und Perioden (Schulferien) eine Erreichbarkeit medizinischer Leistungen gewährleistet ist. Zudem werden nicht alle Siedlungsflächen und Ortsteile durch den öffentlichen Nahverkehr angefahren. Deshalb müssen flexible Versorgungs- und Transportkonzepte entwickelt werden, die gezielt die Herausforderungen in Flächenländern mit dünner Besiedlung adressieren.

Abb. 1: Hochrechnung des Wiederbesetzungsbedarfes von chirurgischen Praxen in Mecklenburg-Vorpommern

Den steigenden Patientenzahlen steht ein insbesondere in ländlichen Regionen ausgeprägter Wiederbesetzungsbedarf von Arztpraxen gegenüber. Eine Analyse für Mecklenburg-Vorpommern ergab beispielsweise für den Bereich der niedergelassenen Chirurgen, dass ungefähr 35 Prozent der Arztpraxen zwischen 2006 und 2020 einen Nachfolger suchen werden. Dabei ist anzunehmen, dass es zu einer weiteren Zentralisierung der chirurgischen Arztpraxen in städtischen Gebieten kommen wird, die die Erreichbarkeitsprobleme für multimorbide, ältere Patienten weiter verstärken wird [8].

Sicherstellung der Versorgung mit Blut und Blutprodukten

Eine weitere durch den demographischen Wandel bedingte Herausforderung besteht in der zukünftigen Sicherstellung der Versorgung mit Blut und Blutprodukten. Wie bereits gezeigt führt der demographische Wandel zu einer Zunahme der Anzahl von Patienten mit malignen und anderen chronischen Erkrankungen, die Bluttransfusionen benötigen. Gleichzeitig kommt es in Deutschland wie in vielen europäischen Ländern zu einer Abnahme der jüngeren Bevölkerung, aus der sich die Blutspender mehrheitlich rekrutieren.

In Deutschland sind auf Bundeslandebene nur wenige Daten zu Bluttransfusionen vorhanden, die zudem nicht mit Daten zu Blutspenden auf regionaler Ebene verbunden sind. In einer Studie in Mecklenburg-Vorpommern wurden deshalb alle 34 Krankenhäuser und 4 Blutspendedienste des Bundeslandes angeschrieben und um Übermittlung der Daten zur Anzahl der Bluttransfusionen bzw. -spenden für das Jahr 2005 gebeten. Auf Basis dieser Daten wurden erstmals Prognosen über das Transfusions- und Spendenaufkommen bis zum Jahr 2020 für Mecklenburg-Vorpommern erstellt.

Für alle Blutspenden und -transfusionen (Verbrauch stationärer Bereich: 80,6 Prozent der Spenden) des Jahres 2005 wurden innerhalb der Studie Geburtsdatum und Geschlecht des Spenders bzw. des Empfängers sowie das Datum der Blutspende bzw. Bluttransfusion erhoben. Zusätzlich wurde bei Transfusionen die anfordernde Fachabteilung des jeweiligen Krankenhauses kodiert. Jede gespendete und transfundierte Konserve wurde dabei als eine Einheit gezählt. Diese Daten wurden mit Daten der Bevölkerungsprognose für Mecklenburg-Vorpommern bis 2020 kombiniert. Der Hochrechnung des Blutbedarfs und des Aufkommens von Blutspenden wurde die Annahme zugrunde gelegt, dass die alters- und geschlechtsspezifischen Transfusions- und Spendenraten auf der Basis des Jahres 2005 bis zum Jahr 2020 konstant bleiben.

Insgesamt wurden in Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2005 118.406 Blutkonserven aus Blutspenden der Bevölkerung im spendefähigen Alter (18-68 Jahre) gewonnen. Gleichzeitig wurden 95.477 Blutkonserven in den 34 Krankenhäusern des Bundeslandes transfundiert. Das Medianalter der Patienten lag bei 68,9 Jahren, wobei 62,1 Prozent aller Blutkonserven für Patienten ≥65 Jahre verbraucht worden sind. 35 Prozent der verbrauchten Blutkonserven wurden durch chirurgische Fachabteilungen angefordert, 25 Prozent durch Notfall- und intensivmedizinische, 37 Prozent durch internistische Abteilungen. Die verbleibenden drei Prozent der Blutkonserven wurden im pädiatrischen Bereich angefordert oder waren keiner konkreten Abteilung zuzuordnen. Trotz der weiteren Abnahme der Bevölkerungszahl in Mecklenburg-Vorpommern bis zum Jahr 2020 wird die Zunahme der ≥65-jährigen Bevölkerung zu einem deutlichen Anstieg des Bedarfes für Bluttransfusionen führen (+25,2 Prozent; entspricht +24.000 Konserven). Durch eine starke Abnahme der jungen Altersgruppen (18-30 Jahre) werden gleichzeitig die Blutspenden um 27,0 Prozent (32.000 Konserven) abnehmen. Unter der Voraussetzung, dass alle übrigen Randbedingungen konstant bleiben, ergibt sich aus dem demografischen Wandel für beide Effekte kombiniert für 2020 im stationären Bereich ein Fehlbedarf von 47 Prozent der benötigten Blutkonserven in Mecklenburg-Vorpommern.

Dem aufgrund des demographischen Wandels zukünftig steigenden Blutbedarf steht damit eine deutlich sinkende Anzahl Blutspenden gegenüber. Es ist daher dringend notwendig, Strategien zur Sicherstellung der Versorgung mit Blutkonserven zu entwickeln und umzusetzen. Diese Strategien müssen sowohl bei der Gewinnung von weiteren Blutspendern als auch im Bereich der weiteren Reduktion des Verbrauchs an Blutkonserven ansetzen [9].

Lösungsansätze

Die demografischen Prozesse erfordern, insbesondere in ländlichen Regionen, innovative, integrative, regionalbezogene Modelle um die medizinische Versorgung auf einem qualitativ hohen Niveau zu sichern. Es gibt hier nicht eine einzige Lösung, vielmehr müssen die Möglichkeiten und Potentiale in der Region analysiert und mit allen beteiligten Akteuren abgestimmt werden. Eine Grundlage für erfolgreiche Konzepte ist die sinnvolle Verteilung von Aufgaben und Kompetenzen der verschiedenen Gesundheitsberufe. In den folgenden Abschnitten werden beispielhaft zwei Modelle vorgestellt, die am Institut für Community Medicine entwickelt und erprobt wurden und werden.

Hausärztliche Delegationsmodelle

Das AGnES Konzept (AGnES: Arztentlastende, Gemeindenahe, E-Healthgestützte, Systemische Intervention) wurde für die Delegation hausärztlicher Hausbesuche an qualifizierte Praxismitarbeiter entwickelt. Ziel ist eine Unterstützung der Hausärzte in unterversorgten oder von Unterversorgung bedrohten Regionen.

Das Konzept wurde in mehreren Modellprojekten in vier Bundesländern erfolgreich implementiert und evaluiert. Insgesamt wurden 11.228 Hausbesuche bei 1.430 vorwiegend immobilen oder eingeschränkt mobilen Patienten durchgeführt. Die teilnehmenden Patienten waren zu 95 Prozent multimorbide, das Durchschnittsalter betrug 78,6 Jahre.

Die für das Projekt geeigneten Patienten wurden vom behandelnden Hausarzt ausgewählt, von dem auch die notwendigen delegierten Tätigkeiten festgelegt wurden. Insgesamt wurden in den Projekten etwa 300 unterschiedliche delegierte Tätigkeiten dokumentiert.

Die Akzeptanz des Konzeptes bei den teilnehmenden Patienten war gut. Die beteiligten Ärzte beurteilten die Qualität der medizinischen Versorgung durch die qualifizierten Praxismitarbeiter als hoch.

Auf der Basis der Ergebnisse der AGnES-Projekte wurde im Rahmen des Pflegeweiterentwicklungsgesetzes Delegation in der Häuslichkeit gesetzlich erlaubt (§87 Absatz 2b SGB V, verabschiedet am 1.7.2008). Seit dem 1.4.2009 können Hausärzte in unterversorgten oder von Unterversorgung bedrohten Regionen AGnES-Leistungen über zwei neu eingerichtete EBM-Ziffern abrechnen [10, 11].

Versorgungskonzepte mit telemedizinischem Anteil

Die Mehrzahl der telemedizinischen Versorgungskonzepte fokussiert auf einzelne Indikationen oder ist nur für ausgewählte Patientengruppen bestimmt und wird damit nicht flächendeckend versorgungswirksam. Zur Erforschung der Möglichkeiten der Telemedizin für die Flächenversorgung wurde im September 2008 vom Institut für Community Medicine der Integrierte Funktionsbereich Telemedizin (IFT) gegründet, der im Universitätsklinikum Greifswald integriert ist. Primäres Ziel des IFT ist die Entwicklung und Implementation innovativer Versorgungsmodelle mit telemedizinischem Anteil. Innerhalb der Konzepte wird in enger Kooperation mit den behandelnden Haus- und Fachärzten ein telemedizinisches Monitoring von Patienten mit verschiedenen Indikationen (z. B. Herzinsuffizienz, psychiatrischen Diagnosen, Palliativpatienten, Patienten mit einer Leberinsuffizienz, Patienten mit Mangelernährung) in Kombination mit Hausbesuchen und telefonischen Kontakten durchgeführt.

Speziell weitergebildete Pflegekräfte schulen die Patienten in der Häuslichkeit, schließen ggf. die telemedizinischen Geräte an und prüfen die übermittelten Werte auf Vollständigkeit, Integrität und Plausibilität. In einem für jeden Patienten individuell erstellten abgestuften Interventionsschema werden durch die behandelnden Ärzte die notwendigen Interventionsmaßnahmen bei Über- oder Unterschreitungen vorab bestimmter Werte festgelegt [12].

Ausblick – individualisierte Medizin

Individualisierte Medizin ist ein Schlüsselthema für die künftige Entwicklung der Gesundheitsversorgung. Ziel einer individualisierten Medizin ist es, durch modernste Diagnostik individuelle Risikoprofile und (sub)klinische Veränderungen frühzeitig zu erkennen und in der Folge therapeutische Verfahren einzusetzen, die besser auf die Bedürfnisse des einzelnen Patienten ausgerichtet sind. Durch Individualisierung soll die Effektivität der medizinischen Behandlung gesteigert werden. Voraussetzung hierfür ist die möglichst umfassende Kenntnis aller relevanten Krankheitsfaktoren und ein Verständnis ihres Zusammenwirkens.

Eine allgemein anerkannte Definition für „individualisierte Medizin“ gibt es bisher nicht. In einem Definitionsvorschlag des Instituts für Community Medicine der Universität Greifswald wird „individualisierte Medizin“ als ein ganzheitlicher, integrativer, systematischer Ansatz definiert, in dem der aktuelle Krankheits- bzw. Gesundheitszustand sowie das Krankheitsrisiko des Patienten über ein umfassendes, interdisziplinäres Assessment unter Nutzung moderner Analyse- und Diagnostikmethoden frühzeitig erfasst wird. Unter Berücksichtigung der individuellen genetischen, physiologischen, psychologischen und sozioökonomischen Einflussfaktoren und Ressourcen sollen in einem gemeinsamen Entscheidungsprozess mit dem Patienten maßgeschneiderte, transsektorale Therapien und Gesundheitsförderungsprogramme entwickelt und an die individuelle Situation angepasst werden. Die Erreichung gemeinsam vereinbarter, priorisierter Therapieziele soll begleitend qualitätssichernd überwacht und ergebnisbezogen evaluiert werden.

Damit stellt die individualisierte Medizin einen zukunftsweisenden Ansatz dar. Individualisierte Medizin kann dazu beitragen, durch die Entwicklung von mehrdimensionalen Diagnose- und Behandlungsleitlinien nicht nur die Therapie des einzelnen Patienten zu optimieren, sondern auch eine adäquate evidenzbasierte Therapie multimorbider Patienten zu ermöglichen.

Fazit

Die vielfältigen Herausforderungen des demographischen Wandels erfordern die Entwicklung von innovativen, flexiblen regionalen Versorgungsmodellen, damit auch zukünftig die Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen medizinischen Versorgung, insbesondere in ländlichen Regionen, gewährleistet werden kann.

Zu den Kernpunkten einer nachhaltigen Versorgung gehören:

  • (noch) bessere Verzahnung ambulant – stationär
  • Entwicklung regionaler Behandlungspfade für einzelne Indikationen
  • systematische Einbeziehung von primärer und sekundärer Prävention
  • Entwicklung von innovativen Vergütungsmodellen bis hin zu Regionalbudgets und Capitationmodellen.

Die Einführung neuer Versorgungsmodelle muss durch eine versorgungsepidemiologische Evaluation kurz-, mittel- und langfristig begleitet werden. Zur Messung von Effektivität und Effizienz sind ergebnisbezogen relevante quantitative Endpunkte (medizinisch, patientenzentriert, gesundheitsökonomisch) zu wählen. Erst dadurch kann die Wirksamkeit der neuen Versorgungsstruktur valide und differenziert abgebildet werden.

Literatur:

[1] Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBSR). Raumordnungsprognose 2020/2050. 2006.

[2] John U, Greiner B, Hensel E, Lüdemann J, Piek M, Sauer S, Adam C, Born G, Alte D, Greiser E, Haertel U, Hense H-W, Haerting J, Willich S, Kessler C. Study of health in Pomerania (SHIP): a health examination survey in an east German region: objectives and design. Soz.- Präventivmed. 2001; 46: 186-194

[3] Völzke H, Alte D, Schmidt CO, Radke D, Lorbeer R, Friedrich N, Aumann N, Lau K, Piontek M, Born G, Havemann C, Ittermann T, Schipf S, Haring R, Baumeister SE, Wallaschofski H, Nauck M, Frick S, Arnold A, Junger M, Mayerle J, Kraft M, Lerch MM, Dorr M, Reffelmann T, Empen K, Felix SB, Obst A, Koch B, Glaser S, Ewert R, Fietze I, Penzel T, Doren M, Rathmann W, Haerting J, Hannemann M, Ropcke J, Schminke U, Jurgens C, Tost F, Rettig R, Kors JA, Ungerer S, Hegenscheid K, Kuhn JP, Kuhn J, Hosten N, Puls R, Henke J, Gloger O, Teumer A, Homuth G, Volker U, Schwahn C, Holtfreter B, Polzer I, Kohlmann T, Grabe HJ, Rosskopf D, Kroemer HK, Kocher T, Biffar R, John U, Hoffmann W. Cohort Profile: The Study of Health in Pomerania. Int J Epidemiol. 2010 (in press).

[4] Gemeinsames Krebsregister (Hrsg.) (2008) Krebsinzidenz 2003-2004 (Jahresbericht). Berlin

[5] Bickel H. Demenzsyndrom und Alzheimer Krankheit: Eine Schätzung des Krankenbestandes und der jährlichen Neuerkrankungen in Deutschland. Gesundheitswesen. 2000; 62: 211-218

[6] Siewert U, Fendrich K, Doblhammer-Reiter G, Scholz RD, Schuff-Werner P, Hoffmann W. Versorgungsepidemiologische Auswirkungen des demografischen Wandels in Mecklenburg-Vorpommern: Hochrechnung der Fallzahlen altersassoziierter Erkrankungen bis 2020 auf der Basis der Study of Health in Pomerania (SHIP). Deutsches Ärzteblatt. 2010; 107: 328-334

[7] Schuff-Werner P, Stab M, Grabowski M, Dorst S, Dahmen K: Stationäre Versorgung und Krankenhausbedarfsplanung für Mecklenburg-Vorpommern, Forschungsbericht der Universität Rostock, Rostock. 2008

[8] Siewert U, Fendrich K, Hoffmann W: Analyse und Prognose der ambulanten Versorgungssituation sowie von Patientenzahlen in Mecklenburg-Vorpommern bis zum Jahr 2020. Forschungsbericht Universität Greifswald, Greifswald. 2008

[9] Greinacher A, Fendrich K, Brzenska R, Kiefel V, Hoffmann W. Implications of demographics on future blood supply: a population-based cross-sectional study. Transfusion. 2010 (in press)

[10] van den Berg N, Meinke C, Heymann R, Fiss T, Suckert E, Pöller C, Dreier A, Rogalski H, Karopka T, Oppermann R, Hoffmann W. AGnES: Hausarztunterstützung durch qualifizierte Praxismitarbeiter – Evaluation der Modellprojekte: Qualität und Akzeptanz. Deutsches Ärzteblatt 2009; 106: 3-9

[11] van den Berg N, Kleinke S, Heymann R, Oppermann RF, Jakobi B, Hoffmann W. Überführung des AGnES-Konzeptes in die Regelversorgung: Juristische Bewertung, Vergütung, Qualifizierung. Das Gesundheitswesen. 2010; 285-292

[12] Bobrowski C, Kroos K, van den Berg N, Fleßa S, Hoffmann W. Gesundheitsökonomische Evaluation telemedizinischer Projekte in Vorpommern. In: Duesberg F (Hrsg.). e-Health 2010. Informationstechnologien und Telematik im Gesundheitswesen. 1. Aufl., Solingen: medical future verlag 2009, 42-46.

Erweiterte und aktualisierte Textfassung eines eingeladenen Vortrages am 26.6.2010 in der Akademie für medizinische Fort- und Weiterbildung Schleswig-Holstein

Hoffmann W, van den Berg N, Greinacher A, Krafczyk-Korth J, Siewert U, Fendrich K. Regionale Unterschiede des demographischen Wandels. Passion Chirurgie. 2011 April; 1(4): Artikel 02_05.

Autor des Artikels

Profilbild von Wolfgang Hoffmann

Prof. Dr. med. Wolfgang Hoffmann

Ernst-Moritz-Arndt Universität GreifswaldInstitut für Community MedicineAbt. Versorgungsepidemiologie und Community HealthEllernholzstr. 1-217487Greifswald

Weitere Artikel zum Thema

PASSION CHIRURGIE

Passion Chirurgie 04/2011

Quo vadis Sozialstaat? In der vierten Ausgabe der Passion Chirurgie

Passion Chirurgie

Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!

Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.