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Zertifizierung als Einzelklinik

Seit das Krankenhaus Köln-Merheim 2006 als erste Klinik vom TÜV für sein Qualitätsmanagement Akutschmerztherapie ausgezeichnet wurde, haben viele Kliniken diesen Zertifizierungsprozess durchlaufen, sodass in den ersten fünf Jahren Projektlaufzeit fast 50 Kliniken zertifiziert werden konnten [1]. Jede Klinik durchläuft diesen Prozess autonom, d. h. strukturiert ihr Qualitätsmanagement (QM) und steuert die Abläufe entsprechend der hausinternen Möglichkeiten und Anforderungen. Inhaltliche Anforderungen seitens des TÜV bezüglich der Art und Weise wie die Schmerztherapie durchzuführen ist, gibt es nicht. Ebenso finden keine Schulungen zur Schmerztherapie oder zum QM seitens des TÜV statt. Der TÜV beschränkt sich auf seine beratende Funktion im Rahmen des Zertifizierungsprozesses bzw. der jährlichen Audits sowie auf die Überprüfung der vorhandenen Strukturen und Prozesse und deren Übereinstimmung mit den Anforderungen an ein modernes QM-System. Jede Klinik ist bei diesem Zertifizierungsprozess daher auf sich selber gestellt, eine Vernetzung mit oder Unterstützung durch andere Kliniken aus der Gruppe der zertifizierten Häuser findet nicht statt.

Die Beziehung zwischen der zertifizierten Klinik und dem TÜV ist rein geschäftlich im Sinne einer Dienstleistung, nämlich der Auditierung mit dem Ziel der Zertifizierung. Voraussetzung hierfür ist die Offenlegung der Strukturen, Prozesse und Ergebnisse der selbst durchgeführten Qualitätskontrollen (Schmerzmessung, Zufriedenheitsanalyse) in einem QM-Bericht. Dieser ist Grundlage zur Vorbereitung der jährlichen externen Audits an dieser Klinik. Eine übergeordnete Auswertung der QM-Daten aller Kliniken zur Darstellung des Gesamtprojektes oder eine wissenschaftliche Analyse ist nicht Teil der Geschäftsbeziehung zwischen der einzelnen Klinik und dem TÜV und daher auch nicht zulässig. Zudem sind die im QM-Bericht enthaltenen Daten nicht einheitlich erhoben bzw. strukturiert und damit kaum vergleichbar. Somit ist jedoch eine Bewertung des Zertifizierungsprojektes immer nur in Bezug auf jede einzelne Klinik und nicht in seiner Gesamtheit möglich. Eine wissenschaftliche Begleitung des Zertifizierungsprozesses findet darüber hinaus nur in wenigen Fällen statt [2, 3].

Bestandsaufnahme des Gesamtprojektes

Der immer stärker werdende Wunsch verschiedener Kliniken nach einem Erfahrungsaustausch führte 2011 erstmals zu einem Treffen der Verantwortlichen zertifizierter Kliniken im Rahmen des Akutschmerzkongresses in Köln. Bis dato war nur die Zahl der zertifizierten Kliniken bekannt, weshalb zur Vorbereitung dieses Treffens eine schriftliche Befragung seitens des einladenden Qualitätszirkels am Krankenhaus Köln-Merheim stattfand. Dadurch konnte erstmals eine Darstellung des Gesamtprojektes erfolgen, welche folgende Kernaussagen zulässt [1]:

  • Bis Ende 2011 gab es 48 zertifizierte Krankenhäuser (s. Abb. 1), wobei es sich im Wesentlichen um Häuser mittlerer Größe mit 200 bis 600 Betten (64 %) handelt. Sie gehören zur Hälfte der Versorgungsstufe I, zu einem Drittel der Stufe II an. Der größte Anteil befindet sich in kirchlicher, die anderen zu gleichen Teilen in öffentlicher oder privater Trägerschaft. Zunehmend werden auch konservative Abteilungen und Kliniken primär in die Zertifizierung eingeschlossen (s. Abb. 1). Dies ist umso erfreulicher, als es sich historisch gesehen um ein Projekt zur Verbesserung der postoperativen Schmerztherapie handelt.
  • Die Pflege hat für die Durchführung der stationären Schmerztherapie eine zentrale Bedeutung, weshalb ein QM in diesem Bereich den Arbeitsalltag der Pflege unmittelbar beeinflusst. Dies spiegelt sich in der Akzeptanz des QM Akutschmerztherapie durch die Pflege wieder. Dagegen scheint das Bewusstsein in der Ärzteschaft für das QM Akutschmerztherapie weniger stark ausgeprägt zu sein, was u. a. daran liegen mag, dass das “Problem Schmerz” ohnehin weniger im Arbeitsalltag der Ärzteschaft präsent ist, ein Umstand, der durch die Etablierung einer strukturierten Schmerztherapie noch verstärkt wird. Umgekehrt sind Ärzte sehr stark in die administrativen Aufgaben z. B. im Rahmen des Qualitätszirkels (QZ) eingebunden. Diese betrachten in der Regel ihre zeitlichen Ressourcen für das QM Akutschmerztherapie als völlig ausgeschöpft und beklagen einen hohen Arbeitsaufwand, um den erreichten Stand zu halten.
  • Strukturen und Prozesse des QM Akutschmerztherapie, wie die Etablierung schriftlicher Therapiestandards, Schmerzmessung und –dokumentation, die Arbeit im QZ, etc., scheinen an den meisten Kliniken erfolgreich implementiert worden zu sein. Dagegen stellt die Messung der Ergebnisqualität für viele Kliniken ein ungelöstes Problem dar, da sie ein geeignetes Instrument vermissen, um diese Qualitätskontrolle durchzuführen.

Abb. 1: Kumulative Anzahl der zertifizierten Krankenhäuser bzw. der zertifizierten operativen und konservativen Abteilungen von 2006 bis 2011 modifiziert nach [1]

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Ein Netzwerk zertifizierter Kliniken

Viele Kliniken scheinen demnach mit ähnlichen Problemen konfrontiert zu sein. Mit aktuell mehr als 50 beteiligten Kliniken bundesweit hat die „Initiative schmerzfreie Klinik“ mittlerweile eine Größe erreicht, bei der es nun gilt, die gemeinsamen Entwicklungserfordernisse zu definieren, um die lokal jeweils nur begrenzt vorhandenen Ressourcen bündeln zu können und zur Weiterentwicklung des Zertifizierungsprojektes insgesamt und damit für alle zertifizierten Kliniken sinnvoll zu nutzen.

Grundlage einer solchen Zusammenarbeit wäre zunächst der Aufbau einer Netzwerkstruktur. Dabei gilt es behutsam auszuloten, in welchen Bereichen Strukturen, Prozesse oder beispielsweise auch Messinstrumente zur Überprüfung der Ergebnisqualität synchronisiert werden können, um eine Vergleichbarkeit herzustellen und gleichzeitig den Kliniken die größtmögliche Autonomie in der Ausgestaltung und Umsetzung ihres QM Akutschmerztherapie zu belassen. Da es sich bei der TÜV-Zertifizierung um eine Dienstleistung des TÜV handelt, die jede Klinik einzeln und unabhängig von allen anderen bereits zertifizierten Kliniken in Anspruch nehmen kann, wäre ein solcher Zusammenschluss der zertifizierten Kliniken nur auf freiwilliger Basis, getragen von gemeinsamen Interessen möglich. Dabei würde die einzelne zertifizierte oder sich im Zertifizierungsprozess befindliche Klinik von der Unterstützung durch ein solches Netzwerk in vielfältiger Weise profitieren (s. Abb. 2). Im Einzelnen wäre dies beispielsweise:

  • Beratungs- und Schulungsangebote für Kliniken in Vorbereitung auf die Erstzertifizierung durch Vertreter bereits zertifizierter Kliniken
  • Unterstützung bei der Überprüfung der Ergebnisqualität beispielsweise durch Entwicklung eines gemeinsamen Tools zur Erfassung der Ergebnisqualität.
  • Erfahrungsaustausch und Unterstützung bei der Integration von Intensivstationen, Notaufnahmen u. a. Sonderbereichen
  • Erfahrungsaustausch und Unterstützung bei der Integration konservativer Kliniken in das QM Akutschmerztherapie
  • Entwicklung gemeinsamer Strategien zum Umgang mit besonderen Patientenklientelen wie chronischen Schmerzpatienten, pädiatrischen oder dementen Patienten im Rahmen des QM Akutschmerztherapie
  • Evaluation des Arbeitsaufwandes für Pflege und Ärzte sowie Entwicklung von Kosten- und Finanzierungsmodellen für das QM Akutschmerztherapie

Abb. 2: Beziehungsstruktur zwischen TÜV, zertifiziertem Krankenhaus und einem möglichen Netzwerk zertifizierter Häuser

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Zudem würde die Gesamtheit der im Netzwerk zusammengeschlossenen Kliniken nicht nur vom Beitrag der einzelnen Kliniken bei den o. g. Inhalten profitieren, sondern auch durch die Analyse der durch alle Kliniken erhobenen Daten. Erstmals wären auf diese Weise Aussagen zur Ergebnisqualität des Gesamtprojektes oder einzelner Aspekte (z. B. Intensivstationen) möglich. Der Wert solcher Analysen im QM Schmerztherapie konnte bereits gezeigt werden [3, 4].

Nicht zuletzt würde das Auftreten als Interessengemeinschaft den Forderungen beispielsweise nach Berücksichtigung des Arbeitsaufwandes der Pflege oder einzelner Verantwortlicher größeres Gewicht verleihen.

In diesem Sinne scheint die Vernetzung und der Zusammenschluss der zertifizierten Kliniken auf freiwilliger Basis ein sinnvoller und notwendiger Schritt, um das Zertifizierungsprojekt QM Akutschmerztherapie weiter zu entwickeln und zukunftsfähig zu gestalten.

Interessenkonflikt: Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Literatur

[1] Böhmer AB, Poels M, Simanski C, Trojan S. et al. Qualitätsmanagement in der Akutschmerztherapie. Ergebnisse einer Befragung TÜV-zertifizierter Kliniken. Schmerz 2012;26:425-434

[2] Pilz M, Shamiyeh A, Hörmandinger K, Gombotz J, et al. Die Implementierung der S3-Leitlinie Akutschmerztherapie über die „Initiative Schmerzfreie Klinik“ – Verbesserung der Ergebnisqualität in einer Viszeralchirurgischen Klinik. Perioperative Medizin. 2010;2(1):50–6

[3] Lehmkuhl D, Meissner W, Neugebauer EAM. Evaluation of the “initiative pain-free clinic” for quality improvement in postoperative pain management. A prospective controlled study. Schmerz. 2011;25(5):508–15

[4] Maier C, Nestler N, Richter H, Hardinghaus W, et al. The quality of pain management in German hospitals. Dtsch Arztebl Int. 2010;107(36):607–14

Joppich R. Qualitätsmanagement Akutschmerztherapie – zukünftiger Entwicklungsbedarf des Zertifizierungsprojektes aus Sicht der Kliniken. Passion Chirurgie. 2013 Januar; 3(01): Artikel 02_05.

Autor des Artikels

Profilbild von Robin Joppich

Dr. med. Robin Joppich

Klinik für Anästhesiologie und operative IntensivmedizinKliniken der Stadt Köln gGmbHOstmerheimer Str. 20051109Köln

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