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Noch ein Seminar für Assistenten, noch dazu für junge Assistenten! Was sollen die dort lernen, was sie nicht bei mir lernen können? Denkt man das als Chef- oder Oberarzt nicht häufig, wenn die nächste Einladung zu einer Fortbildung auf dem Schreibtisch liegt? Und ärgert man sich nicht schon am gleichen Tag über den Assistenten am Tisch, der schon wieder keine sichere Ligatur hinbekommen hat? Da kann man es ja gleich selbst machen! Am besten, man hat einen erfahrenen Facharzt am Tisch. Die Assistenten sollen die Knoten mal ein bisschen üben! Geht Ihnen das auch manchmal so?

Die praktischen Fähigkeiten der Assistenten kurz nach dem Studium sind naturgemäß schlecht entwickelt. Nur sehr wenige Studenten (< 5 Prozent) haben ein klassisches chirurgisches Fach (inkl. Orthopädie) als Ziel ihrer Facharztweiterbildung. Dementsprechend sind die in der Chirurgie beginnenden Assistenten häufig nicht mit dem Alltag in unserem Fach vertraut. Wenige Wochen Famulatur und das Praktische Jahr reichen dazu nicht aus.

Als kompakter Kurs zur Wissensvermittlung und Orientierung sowie zur theoretischen Vertiefung praktischer Fähigkeiten ist der Wochenkurs „Seminar Basischirurgie – Common Trunk“ geeignet, da den Assistenten in dieser Woche in einem Repetitorium der Umgang mit den auf der Station und in der Notaufnahme auftretenden Problemen nochmals nahe gebracht wird. Die Arbeit in den praktischen Workshops im Seminar Basischirurgie ist ebenfalls eine Auffrischung des Wissens und gibt Tipps und Tricks für die praktischen Tätigkeiten. Das Seminar eignet sich für alle Assistenten im Common Trunk, da die grundlegenden theoretischen Grundlagen wiederholt werden und eine breite Streuung der praktischen Workshops existiert. In Arnsberg werden zum Beispiel folgende Workshops durchgeführt: Knotentechniken, Darmnaht, Gefäßnaht, Osteosynthese, Verbände und Gipsverbände, Vakuumverbände, Beurteilung und Versorgung chronischer Wunden, Arthroskopie, Laparoskopie, Thoraxdrainage, Reanimation (2x).

Sollen und wollen die Assistenten ihre praktischen Fähigkeiten wirklich verbessern und erweitern, reicht das Seminar Basischirurgie nicht aus. Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung in der eigenen Klinik mit häufigen Wiederholungen ist meist notwendig. Aber die praktischen Tätigkeiten kommen in der täglichen Arbeit zu kurz. Vor allem das strukturierte Lernen und Üben dieser Tätigkeiten kann die Weiterbildung in der Klinik oft nicht leisten. Für das Üben unter Anleitung fehlt die Zeit zwischen Stationsbetreuung und Fortbildung, Dienst und Operationssaal. Eine Evaluation am Beginn jedes Seminars Praxischirurgie hat gezeigt, dass zwischen 35 Prozent und 80 Prozent der Assistenten keine korrekten Knoten beherrschen, dieser Wert ist unabhängig vom Weiterbildungsalter (1. bis 5. Weiterbildungsjahr). Das bedeutet, dass die Assistenten sich nicht theoretisch mit der Knotentechnik beschäftigt haben. Aber die theoretische und praktische Durchdringung der verschiedenen Knotentechniken oder die schrittweise Anleitung zur Naht von Darm oder Gefäßen können kaum in der täglichen Arbeit geleistet werden. Das gleiche gilt selbstverständlich für Osteosynthesetechniken und die Arthroskopie, um nur zwei Beispiele aus der Unfallchirurgie und Orthopädie zu nennen.

Für den BDC wurde im Mai in Wendisch-Rietz erstmals die logische Fortsetzung der Seminare Basischirurgie Common Trunk durchgeführt. Dieses Seminar basiert auf den von Professor Dommisch entwickelten Kursen, die mehrfach für Assistenten der HELIOS Kliniken durchgeführt wurden. Es wurde für den BDC modifiziert.

In dem dreitägigen Seminar (Donnerstag bis Sonnabend) dominieren die praktischen Tätigkeiten. Der theoretische Teil umfasst nur die absolut notwendigen Grundlagen, wie die Beschreibung der Modelle, mit denen gearbeitet wird, die Erklärung der verschiedenen Nahtmaterialien und die theoretischen Grundlagen der Knoten- und Nahttechniken.

Die praktische Arbeit beginnt noch am ersten Tag mit dem Erlernen und Wiederholen verschiedener Knotentechniken. Besonderer Wert wird auf das Begreifen und Automatisieren der sicheren Knotentechniken gelegt. Dabei sollen die Assistenten erfahren, dass ein sicherer Knoten bereits nach wenigen Schlägen sitzen muss. Ebenfalls an diesem Tag wird die konventionelle und die laparoskopische Naht geübt. Der Tag klingt mit einem „GetTogether“ aus, bei dem Gelegenheit ist, sich besser kennen zu lernen.

Am zweiten Tag wird über acht Stunden an Schweinedarm und Schweineleber konzentriert konventionell und laparoskopisch gearbeitet. Selbstverständlich wird die korrekte Knotentechnik nochmals wiederholt und im Lauf des Tages bei den Nahtübungen immer wieder korrigiert, wenn nötig. Ziel der Übungen ist nicht das Erlernen von speziellen viszeralchirurgischen Anastomosen, sondern der konzentrierte, technisch korrekte Umgang mit Nadelhalter und Faden am organischen Material (Schweinedarm). Die in immer neuen Variationen wiederholten Übungen erlauben eine gute Kontrolle und damit die Korrektur der von den Assistenten durchgeführten Arbeit. Als Highlight wird von den Teilnehmern die oft erste Cholezystektomie (Schweineleber) empfunden. Nach dem zweiten Tag können die Assistenten sicher knoten und sind auch in der Lage, einen laparoskopischen Knoten anzulegen. Für die weitere Stärkung des Teamgefühls sorgt das gemeinsame Abendessen der Teilnehmer und Tutoren.

Auch der dritte Tag ist arbeitsreich. Über drei Stunden werden Gefäßnähte geübt. Hier wird die korrekte Anlage der Naht (Nahtabstand, Stichrichtung) bei Gefäßanastomosen, Einnähen eines Patches und einfache Gefäßnaht trainiert. Weitere drei Stunden stehen im Zeichen der wirklichkeitsnahen Übung am perfundierten Oberbauchmodell (POP-Trainer, Schwein). An diesem Modell können die am Vortag erlernten Fähigkeiten gefestigt werden. Durch die Simulation von Durchblutung kann auch der Umgang mit Komplikationen erlernt werden. Insbesondere die Reaktion auf Blutungen wird geübt. Die fortgeschritteneren Teilnehmer können spezielle Techniken (Übernähung eines Magenulcus, Fundoplikation, Leberresektion) ausprobieren. Für die Teilnehmer mit wenig Übung stehen Cholezystektomie, Darmnaht und Splenektomie zur Verfügung.

Die Übungen erfolgen allein (Knoten), paarweise (Laparoskopie, Darmnaht, Gefäßnaht) oder zu dritt (POP-Trainer). Für jeweils sechs Teilnehmer steht ein Tutor zur Verfügung. Dadurch ist die sofortige Kontrolle und Hilfe für jeden Teilnehmer sichergestellt.

Am ersten Kurs nahmen 24 Assistenten, vorrangig aus dem 1. Weiterbildungsjahr, teil. Das Konzept der kurzen theoretischen Einweisung und der ausgiebigen Übung unter Anleitung wurde von den Teilnehmern sofort angenommen und gut bewertet. Die Module „POP-Trainer“ und „Laparoskopie“ waren am beliebtesten. Das verwundert nicht, 18 der 24 Teilnehmer wollen Allgemein-, Kinder- oder Viszeralchirurg/in werden. Die Kliniken (alle Versorgungsstufen waren vertreten) erkennen den Wert der zusätzlichen externen Angebote offenbar zunehmend an. Nur drei Teilnehmer haben den Kurs komplett selbst bezahlt. Alle anderen bekamen die Kosten vollständig oder teilweise erstattet. Die Lernziele – theoretisches und praktisches Beherrschen sicherer Knoten, Beherrschen eines laparoskopischen Knotens, Erkennen von Komplikationen bei laparoskopischen Operationen und Umgang damit – wurden am Ende des Seminars von einem großen Teil der Teilnehmer vollständig beherrscht.

Die Kombination aus Basisseminar und Praxisseminar ist für die Assistenten im Common Trunk nützlich, da die theoretischen und praktischen Grundlagen für die erste Zeit der Weiterbildung in komprimierter Form erlernt und wiederholt werden können. Obwohl alle Kliniken durch die Ärztekammern zu einer strukturierten Weiterbildung verpflichtet sind, ist die Wissensvermittlung in der Klinik teilweise schwierig zu realisieren. Hier können die Seminare des BDC helfen. Für die Allgemein-, Kinder- und Viszeralchirurgen, mit Einschränkung für die Gefäßchirurgen steht eine Kombination beider Kurse zur Verfügung. Für die Unfallchirurgie und Orthopädie sind die Basisseminare geeignet, das Praxisseminar ist in Vorbereitung.

In diesem Jahr werden noch vier Basisseminare (Arnsberg, München, Berlin, Hamburg) und ein Praxisseminar A & V stattfinden. Durch die laufende Evaluation ist das System lernend und wird ständig verändert und verbessert. Optimal wäre eine Rückmeldung der Weiterbilder, ob und wie ihre Assistenten vom Kurs profitiert haben und welche Vorschläge die Weiterbilder zur Gestaltung der Kurse haben.

Sauer J. Praxisseminar Common Trunk – A & V erweitert die Fortbildungsmöglichkeiten der Assistenten in den ersten Weiterbildungsjahren. Passion Chirurgie. 2011 Juli; 1(7): Artikel 02_06.

Autor des Artikels

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Dr. med. Jörg Sauer

ChefarztKlinik für Allgemein-, Viszeral- und Minimalinvasive ChirurgieKlinikum Arnsberg GmbHStolte Ley 559759Arnsberg kontaktieren

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