01.09.2025 INTERN DGCH
Nachruf auf Prof. Dr. med. Hans-Jürgen Peiper

in memoriam
Prof. Dr. med.
Hans-Jürgen Peiper
(*04.12.1925 † 02.03.2025)
Vorwort
Die medizinische Fakultät der Universitätsmedizin Göttingen (UMG) hatte am 22. August 2025 zu einer öffentlichen Gedenkfeier für den ehemaligen Direktor der Abteilung Allgemeinchirurgie der UMG, Herrn Professor em. Dr. Hans-Jürgen Peiper, eingeladen, der in seinem hundertsten Lebensjahr am 02. März 2025 in Göttingen verstorben war. Hineingeboren in eine bedeutende Medizinerfamilie am 04. Dezember 1925 in Frankfurt am Main hat er nach seinem Medizinstudium in Berlin und Mainz seine chirurgische Weiterbildung an der Universitätsklinik Marburg unter Professor Rudolf Zenker absolviert. H.-J. Peiper wechselte 1959 mit Professor Dr. Georg Heberer nach Köln und wurde 1969 auf den Lehrstuhl Chirurgie und damit als Direktor der Abteilung Allgemeinchirurgie der UMG berufen, wo er auch 1994 emeritiert wurde. Professor Peiper war in den 25 Jahren seiner klinischen Tätigkeit zum einen um die Wahrung der chirurgischen Tradition bemüht, zum anderen zeigte er sich den jeweiligen Neuerungen stets offen, was u. a. die Chirurgie des Pankreas und besonders auch die Etablierung minimal invasiver Operationsverfahren betraf. Für seine außerordentlichen Verdienste auf dem Gebiet der Chirurgie wurde Professor Peiper international und national mehrfach hochrangig ausgezeichnet, so z. B. 2002 mit der Wolfgang-Müller-Osten-Medaille des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgie oder 2008 mit dem Rudolf-Zenker-Preis der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. Professor H.-J. Peiper blieb dabei bis ins hohe Alter der Chirurgie stets eng verbunden und alle, die ihn als empathische und liebenswürdige Persönlichkeit kennenlernen durften, werden diese Momente mit Sicherheit nicht vergessen.
Professor Dr. med. Dr. h.c. Hans-Joachim Meyer
Gedenkfeier für Professor emeritus Dr. med. Hans- Jürgen Peiper
Spektabilität, sehr geehrte Ehrengäste, hohe Fakultät,
liebe Angehörige und Freunde der Familie Peiper,
die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie denkt heute in großer Verehrung und Dankbarkeit an Hans-Jürgen Peiper, sein langjähriges Wirken und seinen unermüdlichen Einsatz für die Gesellschaft.
Professor Hans- Jürgen Peiper lebte in der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie wie kaum ein anderer. Sie gehörte zu ihm und er zu ihr. Die jährlichen Kongressbesuche, die Teilnahme an der Senatorensitzung, die Herbst- und Frühjahrspräsidiumssitzungen waren ein fester Bestandteil seines Lebens. Er interessierte sich für alles und nahm an den neuesten Entwicklungen im Gebiet Chirurgie bis ins hohe Alter teil. Er besuchte auf den Kongressen die Vorträge – das war eine Selbstverständlichkeit für ihn. Er blieb – wie man so schön sagt – auf dem Laufenden. Und – er hatte die Gnade eines scharfen Verstandes bis in sein 100. Lebensjahr, bis zu seinem Tod.
Im Herbst 2024 besuchte er noch die Herbstpräsidiumssitzung der DGCH in Frankfurt. Da sah ich ihn das letzte Mal, wie immer in Begleitung seiner lieben Lebensgefährtin Gisela Wetzel-Willert, ohne die die Kongressbesuche in den letzten Jahren sicher nicht mehr möglich gewesen wären. Liebe Gisela, dafür war Dir Hans-Jürgen immer sehr dankbar und wir Dir auch. Kongresse ohne ihn konnte man sich nicht vorstellen. Er gehörte einfach dazu. Immer freute man sich, wenn man ihn traf und seine Beiträge waren stets bereichernd und gern gehört. Ich glaube, sagen zu dürfen: Hier spreche ich für alle.
Schon in den frühen Jahren seiner chirurgischen Facharztausbildung wurde Hans-Jürgen Peiper Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie. Ein Mitgliedsantrag findet sich im LVH, der auf den 18.11.1960 zurückgeht. Seine Bürgen waren Professor Heberer, Köln, Professor Zenker, München und Professor Hegemann, Erlangen. Am 01.01.1961 wurde er als Mitglied aufgenommen. In seinen Erinnerungen berichtet Hans-Jürgen Peiper, dass damals die Kongresse der DGCH im Deutschen Museum in München stattfanden und noch sehr bescheiden waren. Das Kongressprogramm umfasste nur wenige Seiten mit kaum 100 Vorträgen. Er selbst hielt sein erstes Hauptreferat über die Behandlung des Ulcus duodeni.
Hans-Jürgen Peiper ist Zeitzeuge der Entwicklung der Deutschen Chirurgischen Gesellschaft über 65 Jahre. Er sah, wie die Gesellschaft kontinuierlich wuchs, sich Berlin und München als Kongressstandorte abwechselten. Aber er erlebte auch das Selbstständigwerden und die Abspaltung der verschiedenen chirurgischen Disziplinen, wie z. B. der Kinderchirurgie, der Unfallchirurgie, der Orthopädie, der Herz- und Thoraxchirurgie oder der Neurochirurgie aus der Muttergesellschaft. Er war dabei, als nach der Wiedervereinigung 1990 der Kongress im Plenarsaal des Reichstags abgehalten wurde. Und er erlebte auch, dass sich unter der Initiative der Einheit der Chirurgie die verschiedenen chirurgischen Fachgesellschaften wieder unter dem Dach der DGCH zusammenfanden und teilweise ihre Kongresse sogar wieder zusammen mit der DGCH durchführten. Die Programme wuchsen. Hans-Jürgen Peiper nennt es ein „Mammutunternehmen“ mit ca. 15 parallelen Vortragssälen, Sondersitzungen, chirurgischen Trainingslabors, Workshops sowie Fortbildungsveranstaltungen für die Pflegeberufe im OP-Saal und ein Studentenforum.
Professor Peiper war Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie 1987/88. Der von ihm organisierte Kongress fand in München statt. Er schildert diese Zeit als sehr arbeitsintensiv. Besonders hervor hebt er seinen damaligen Oberarzt Professor Anton Schafmayer, der ihm bei der Ausgestaltung des wissenschaftlichen Programms und der Organisation der Redner und Vorsitzenden maßgeblich zur Seite stand. Seine Frau Mense unterstütze ihn dann bei der Gestaltung des Rahmenprogramms. Für die Eröffnung konnte er dank seiner Verbindungen Frau Professor Süssmuth als Rednerin gewinnen, die damalige Bundestagspräsidentin.
Seine nationalen und internationalen Aktivitäten waren für die DGCH von großer Bedeutung. Sie belegen die notwendige Präsenz der deutschen Chirurgen im In- und Ausland. Erwähnt findet man in seiner Biographie die Mitgliedschaften in den nationalen Chirurgenvereinigungen, wie der Mittelrheinischen, der Niederrheinisch-Westfälischen und der Nordwestdeutschen, die sich nach der Wiedervereinigung in Norddeutsche Chirurgenvereinigung umbenannte. Besonders freute ihn die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft der Norddeutschen Chirurgenvereinigung und der Thüringer Chirurgen, die er in Erfurt zusammen mit Professor Helmut Wolff, ehemaliger Direktor der Charité, erhielt.
Seit den 80iger Jahren besuchte Hans-Jürgen Peiper regelmäßig als einer der Vertreter der DGCH die Kongresse des American College of Surgeons. Seinem Einsatz ist es zu verdanken, dass ein German Chapter im American College 1989 gegründet wurde, dessen erster Governor er war. Durch die Kontaktaufnahme mit vielen namhaften amerikanischen Chirurgen konnte er seinen Mitarbeitern den Weg für ein praktisches Jahr in den USA ebnen und hatte seine Hand am Puls der neusten Entwicklungen in der Chirurgie. Im Laufe der Jahre ergab sich ein reger Austausch auf internationaler Bühne mit vielen eingeladenen Vorträgen, die ihn durch die ganze Welt trugen. Besonders seine Kontakte zu Japan, der Deutschen Demokratischen Republik und Saudi-Arabien werden von ihm hervorgehoben, wobei die Einladung von Professor Helmut Wolff, seinem Kollegen an der Charité und späteren Freund zur 100 Jahrfeier der Berliner Chirurgischen Gesellschaft im Langenbeck-Virchow-Haus für Peiper eine besondere Bedeutung hatte. Sehr nachhaltig müssen auch die Kontakte nach Saudi-Arabien gewesen sein, wo er als Operateur vor Ort die saudischen Chirurgen in die minimalinvasiven Eingriffe einführte.
2008 erhielt Hans-Jürgen Peiper von der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie die Rudolf-Zenker-Medaille in Anerkennung seiner maßgeblichen Beiträge zur Weiterentwicklung der Deutschen Chirurgie.
Professor Peiper war auch Mitglied des Berufsverbands der Deutschen Chirurgen, des BDC. Hier engagierte er sich über mehrere Jahre im Vorstand, wo er als Vertreter der Ordinarien fungierte. 2002 erhielt er die Wolfgang-Müller-Osten-Medaille in Anerkennung seiner Verdienste um den Verband.
Als Mitglied in der Gründungskommission nahm Hans Jürgen Peiper an der Neugründung von zwei medizinischen Fakultäten teil: Regensburg und Dresden. 1992 begegnete ich Professor Peiper zum ersten Mal. Er war Mitglied der Berufungskommission der noch zu gründenden Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus in Dresden. Die damalige Kommission wurde von dem Neurochirurgen Professor Bushe, früherer Ordinarius in Würzburg, geleitet. Dieser Kommission habe ich meine Berufung nach Dresden zu verdanken. Von Hans-Jürgen Peiper hörte man immer, dass diese Zeit für ihn von besonderer Bedeutung war, da er an einer neu zu berufenden Fakultät mitwirken konnte.
Der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie blieb Peiper, wie bereits oben erwähnt, zeitlebens verbunden. Nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Berufsleben hat er seine Aufgabe vor allem in der Traditionspflege der Chirurgie gesehen. Zusammen mit seinem Freund Professor Wilhelm Hartel, dem früheren Generalsekretär und Präsidenten der Gesellschaft konzipierte er die geschichtswissenschaftlichen Sitzungen an den Jahreskongressen unter dem Titel: „Tradition und Innovation“. Fester Bestandteil dieser Sitzung war die Würdigung eines großen Vorfahren, gefolgt von aktuellen Themen. Glücklich war er, dass nach ihm Professor Hartwig Bauer, der ebenfalls Generalsekretär und Präsident der Gesellschaft war, die Funktion des Sprechers der Projektgruppe übernahm. Peipers Interesse an der Geschichte der Chirurgie zeigt sich in einem von ihm veröffentlichten Buch über das Langenbeck-Virchow-Haus mit dem Titel: „Das Langenbeck-Virchow-Haus im Spiegel der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie“, das 2001 erschien. Besonders fasziniert hat ihn das Gründerbild der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie aus dem Jahr 1872. Mit viel persönlichem Engagement gelang es ihm, eine Kopie des Gemäldes bereits auf seinem Kongress 1988 aufzustellen. Inzwischen hängt das Original wieder im Langenbeck-Virchow-Haus. Dieses Gebäude versinnbildlichte für Peiper den Aufstieg einer naturwissenschaftlich begründeten Medizin im 19. Jahrhundert und zeigte die Bedeutung Berlins als Zentrum der Medizin mit internationaler Ausstrahlung. Wichtig ist in diesem Zusammenhang das Zusammenwirken der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie und der Berliner Medizinischen Gesellschaft.
Auch das Theodor-Billroth-Haus, das Geburtshaus Billroths, eines der Gründer der DGCH, auf Rügen in Bergen, hatte für Peiper eine große Bedeutung. Auch hierzu veröffentlichte er ein Buch zusammen mit Wilhelm Hartel, dem die Vorträge anlässlich der Einweihungsfeier 2001 zugrunde lagen. Als das Haus von der DGCH wiedererworben wurde, gehörte Peiper zu den Unterzeichnern des Kaufvertrages.
Der Wunsch Hans-Jürgen Peipers war, die Pflege der Geschichte der Deutschen Chirurgie zu intensivieren und das Archiv im Langenbeck-Virchow-Haus auszubauen. Er hat mir Unterlagen zukommen lassen, die seine Initiative schon 2012 belegen. Mein Angebot, mich für den Ausbau des Archivs einzusetzen, hat er stets unterstützt. Das Andenken an große deutsche Chirurgen sollte aufrechterhalten werden und in einem Archiv zugänglich sein. Zudem stand er mir mit Rat und Tat zur Seite, wenn es um die Konzeption der Geschichtssitzungen auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie ging. Gespräche mit ihm waren immer fruchtbar.
So wird er der Nachwelt in Erinnerung bleiben als einer der herausragenden großen deutschen Chirurgen des 20. Jahrhunderts.
Wir alle hätten gerne seinen 100. Geburtstag mit ihm gefeiert.
Professor Dr. med. Gabriele Schackert
Präsidentin der DGCH 2015/16
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Medizinische Fakultät und die Klinik für Allgemein-, Viszeral und Kinderchirurgie der Universitätsmedizin Göttingen freuen sich, dass Sie alle zu der Gedenkfeier für Herrn Prof. Hans-Jürgen Peiper gekommen sind.
Ich darf Familie Peiper begrüßen, wie auch Gisela Wetzel-Willert, einige ehemalige Mitarbeiter und viele Schüler von ihm, die gekommen sind. Dies hätte ihm viel bedeutet. Lieber Herr Prof. Kroemer, als Vorstandsvorsitzender der Charité und guter Bekannter von H.-J. Peiper, liebe Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie und Fachvertreter der Viszeralchirurgie:
Liebe Gäste, es freut mich sehr, dass Sie alle heute hier erschienen sind!
Vor wenigen Monaten haben sich Familie Peiper und Gisela Wetzel-Willert mit vielen Freunden und geladenen Gästen im Rahmen eines sehr bewegenden Gottesdienstes in der Albanikirche von Prof. Hans-Jürgen Peiper verabschiedet.
Bei der heutigen Feier hier im Hörsaal der Universitätsmedizin Göttingen verabschiedet und gedenkt die Medizinische Fakultät der Universität Göttingen Prof. Hans-Jürgen Peiper, einem der vornehmsten Vertreter der operativen Medizin Deutschlands.
Vor 10 Jahren haben wir uns ebenfalls hier getroffen, um seinen 90. Geburtstag mit einer Reihe von Referaten zu feiern. Damals hatten wir die gute und berechtigte Hoffnung, bei seiner legendären Vitalität und geistigen Frische, auch den 100jährigen Geburtstag gemeinsam zu begehen. Die Aula war schon für diesen Dezember reserviert. Leider ist es anders gekommen.
Alle, die hier in diesem Hörsaal sind, werden das gleiche fühlen, nämlich Dankbarkeit, einen solchen besonderen Menschen gekannt zu haben, der viele von uns tief beeindruckt hat.
Was machte H.-J. Peiper so besonders, warum besitzt sein Name noch heute eine solche Strahlkraft in der Deutschen Chirurgie, was können wir von ihm lernen und was gilt es zu bewahren?
Ich glaube, man kann es unter anderem an folgenden Schlagworten festmachen:
- Neugier und Hunger nach Neuem
- Menschenliebe und Freundlichkeit
- Professionalität und Innovationsfreude
Neugier und Hunger nach Neuem
Ich habe selten einen Menschen getroffen, der immer an Neuem, am Anderen, an Veränderung, so interessiert war wie H.-J. Peiper. Seine weltweiten Reisen waren Ausdruck für sein aufrichtiges Interesse an der Welt, an anderen Gesellschaftsformen, Kunst und Musik. Mir ist ganz schwindelig geworden beim Lesen seiner fantastischen Autobiographie, in der er all diese Reisen beschreibt und auch die sorgfältigen Vorbereitungen darauf. Wer von Ihnen kennt einen Menschen, der mit 85 Jahren einen Golflehrer engagiert, um noch mit dem Golfen anzufangen? Sie werden es erraten. Es war Hans Jürgen Peiper – und er hat es mit großem Interesse und Freude gemacht.
Eine Woche vor seinem Tod hat er noch Bücher in einer Göttinger Buchhandlung bestellt. Er war ein Mensch, der wissbegierig und hungrig blieb, diese schöne Welt zu erleben. Er war zutiefst interessiert an anderen Kulturen, anderen Formen des gesellschaftlichen Lebens. Hans-Jürgen Peiper war offen und liberal.
Hans-Jürgen Peiper fragte immer nach Neuigkeiten aus der UMG, nach Weiterentwicklungen in der Chirurgie. Er wollte sich unbedingt selbst an die Roboter-Konsole setzen, um zu sehen, wie diese Technik funktioniert und in welche neuen Sphären sich die Viszeralchirurgie hin entwickelt.
Wenige Stunden vor seinem Tod, es war ein sonniger Sonntag, was auch sonst, liebe Gisela und Anna, lieber Herr von Hahn, Sie werden sich gut erinnern, erkundigte er sich noch nach den Neubau-Aktivitäten hier am Campus. Er war der UMG immer verbunden und hat trotz Avancen anderer Universitätsklinika diesem Standort immer die Treue gehalten.
Menschenliebe und Freundlichkeit
Einer der grundlegenden Wesenszüge des Arzttums ist Menschenliebe und Empathie gegenüber kranken und auch schwerstkranken Menschen, denen wir Ärzte versuchen, Genesung zu bringen oder deren Leiden zu lindern. Jeder der H.-J. Peiper kennengelernt hat, weiß, dass das Arzttum tief in ihm drinnen war, tief in seiner genetischen Signatur verankert und wesentlicher Teil seines Charakters und seiner Persönlichkeit.
Unendlich viele Patienten haben ihn dafür verehrt und ihm viel zu verdanken. Dies war auch durch seinen Nachfolger Heinz Becker gelebte Realität und prägend für dessen Schüler. Ich halte dies für essentiell für unser Fach der Chirurgie und eine Conditio sine qua non, eine unabdingbare Voraussetzung also, für die Ausübung unseres Berufs.
Menschenliebe und Freundlichkeit haben sich bei H.-J. Peiper auch ganz besonders im Verhältnis zu seinem ärztlichen Team gezeigt. Es war geprägt von Vertrauen und väterlicher Zuneigung. H.-J. Peiper hat von seinen Chirurgen viel Engagement in klinischer Versorgung und starkes Engagement in der Forschung erwartet und bekommen. Und er hat vieles zurückgegeben. Dies zeigt sich zum Beispiel darin, dass aus diesem engen Lehrer-Schüler Verhältnis echte Freundschaften erwachsen sind, exemplarisch erwähne ich Jörg Rüdiger Siewert und Anton Schafmayer. Die vielen, die ich jetzt nicht genannt habe, mögen mir verzeihen.
Hans-Jürgen Peiper war ein durch und durch freundlicher und höflicher Mensch, ruhig, zurückhaltend und immer kristallklar. In einer immer schrilleren, kurzlebigeren, irrationalen und lauter werdenden Welt war er so wohltuend ruhig und gelassen. Das Gegenteil von Provokation und Polarisierung. Wir sollten uns gerade heutzutage dies zum Vorbild nehmen und in die Gesellschaft hineinwirken.
Professionalität und Innovationsfreude
Nun zur Professionalität und Innovationsfreude und zum Thema Vater der Viszeralmedizin in Deutschland, zusammen mit Werner Creutzfeldt.
H.-J. Peiper hat eine Reihe von Innovationen und Strukturen in die Göttinger Klinik gebracht, die heute noch Bestand haben, wie zum Beispiel eine eigene chirurgische Intensivstation. Diese hatte damals wie heute einen unschätzbaren Wert für die Entwicklung und Qualität der chirurgischen Versorgung. Andere Klinika, wie z. B. die Charité, die Medizinische Hochschule Hannover, München-Großhadern, Würzburg und Freiburg sind den gleichen Weg gegangen.
H.-J. Peiper – als versierter Gefäßchirurg aus der Zenker/Heberer Schule aus Marburg und Köln kommend – hat damals die Nierentransplantation hier am Standort eingeführt, und ich bin sehr froh, dass wir seit einem Jahr wieder Nieren transplantieren. Ich bedanke mich bei allen Beteiligten, auch bei den Freunden der MHH.
Ein Beispiel technischer Innovation ist die minimal-invasive Chirurgie, die in Deutschland – vor allem in den Anfangsjahren – wenig an Universitätskliniken praktiziert wurde. Dies verhielt sich in Göttingen anders – und das verdanken wir maßgeblich dem Engagement H.-J. Peipers. Dank seiner Vision wurde die minimal-invasive Chirurgie frühzeitig in unserer Klinik etabliert: Praktiziert und getragen von seinen Oberärzten, die er stets zu motivieren wusste und gezielt in erfolgreiche Projekte einband. So schuf er eine lebendige Kultur des Fortschritts.
Ein weiteres eindrucksvolles Beispiel seines nachhaltigen Wirkens ist die Ösophaguschirurgie: durch seinen Schüler Jörg Rüdiger Siewert in München erlangte sie internationale Sichtbarkeit und wurde – dank der Arbeit seines weiteren Schülers Arnulf Hölscher – in Köln zum größten Europäischen Zentrum für diese anspruchsvolle chirurgische Disziplin weiterentwickelt.
Das nächste Beispiel für seinen visionären Einfluss ist die Einführung der flexiblen Endoskopie in Göttingen. Ein japanischer Hospitant hatte eines der ersten Geräte mit nach Göttingen gebracht und H.-J. Peiper vorgestellt. Dieser erkannte das große Potenzial sofort und setzte das Verfahren persönlich mehrfach ein. Gemeinsam mit seinem Partner Werner Creutzfeldt, der die Bedeutung dieser technischen Innovation ebenso früh erfasste, wurde die flexible Endoskopie erfolgreich in die interdisziplinäre Endoskopie hier am Standort integriert – eine Einrichtung, die bis heute besteht.
Ich könnte an dieser Stelle viele weitere Beispiele anführen, doch möchte ich nun auf etwas ganz Entscheidendes zu sprechen kommen – etwas, das hier in Göttingen vor vielen Jahren Großes bewirkte. Es war die Geburtsstunde der Viszeralmedizin, die maßgeblich von Hans-Jürgen Peiper und seinem starken Partner Werner Creutzfeldt, dem damaligen Chef der Gastroenterologie, getragen wurde. Beide haben gemeinsam ein Fachgebiet aus der Taufe gehoben, das es in dieser Form noch gar nicht gab.
Dies gelang durch die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zweier großer Persönlichkeiten, die durch tiefe Freundschaft, gegenseitigen Respekt und ein gemeinsames Ziel verbunden waren. So formten sie aus ihrer Partnerschaft die Grundlage für ein neues Kapitel in der Medizin – die Viszeralmedizin. Diese Zusammenarbeit wurde auf die Teams der Chirurgie und Gastroenterologie übertragen, die sich gemeinsam daran machten, die starren Fächergrenzen durchlässig zu machen, neue Interaktionen zu entwickeln, die zuvor undenkbar waren und die Grenzflächen zwischen diesen Fächer neu zu definieren. Für die damalige Zeit war dies eine geradezu geniale Leistung, die die Viszeralmedizin grundlegend neu gestaltete. Die Interaktionen erstreckten sich dabei über ein breites Spektrum: Von den klassischen Themen der Onkologie über die Pankreatitis bis hin zu den gastrointestinalen Hormonen, als Schwerpunkt von Werner Creutzfeldt, sowie der Endokrinologie. Auch hier wurden Maßstäbe gesetzt, die national und international sichtbar waren und bis heute nachwirken.
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
Im Verlauf dieser Gedenkfeier haben Sie in den Vorträgen verschiedene Facetten von Hans-Jürgen Peiper erfahren, allen gemein ist die außergewöhnliche nahbare Persönlichkeit. Ich persönlich werde immer dankbar sein, ihm verbunden und nah gewesen zu sein. Nah in unserer Leidenschaft zu dem Fach der Chirurgie und der Essenz von Medizin und nah in vielen Ansichten über das Leben und die Welt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, heute gedenken wir Hans-Jürgen Peiper, einer außergewöhnlichen Persönlichkeit, Zeitzeuge der deutschen Geschichte, der prägend für das Fach Chirurgie wirkte, prägend für die Medizinische Fakultät und prägend für viele von uns, ein großer Mensch und ein vornehmer Repräsentant des Faches Chirurgie.
Prof. Michael Ghadimi
Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Kinderchirurgie
Universitätsmedizin Göttingen
Autor:in des Artikels
Weitere aktuelle Artikel
01.04.2023 INTERN DGCH
Sehr persönlich nachgefragt bei Jörg Heckenkamp
Die Fragen stellte Univ.-Prof. Dr. med. Thomas Schmitz-Rixen. T. Schmitz-Rixen: Was ist das Schönste an Ihrem Beruf? Jörg Heckenkamp: Die Vielschichtigkeit. Man ist mit medizinischen, wissenschaftlichen, sozialen, wirtschaftlichen und politischen Fragen beschäftigt. Dabei steht für mich immer im Mittelpunkt, Menschen durch eine gute Behandlung zu helfen.
01.03.2023 INTERN DGCH
Sehr persönlich nachgefragt bei Professorin C. Bruns
Die Fragen stellte Univ.-Prof. Dr. med. Thomas Schmitz-Rixen. TSR: Was ist das Schönste an Ihrem Beruf? CB: Schichtgerechtes Präparieren, glückliche Patienten, erfolgreiche Personalentwicklung.
01.08.2022 BDC|News
Grußwort zur 150 Jahre-Feier der DGCH
Es ist mir eine große Ehre und besondere Freude, der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie die Glückwünsche und Grüße unseres Berufsverbandes zum 150-jährigen Jubiläum zu überbringen. Die Chirurgie hat in dieser Zeit ungeahnte und außergewöhnliche Fortschritte zum Wohle der uns anvertrauten Patientinnen und Patienten erlebt. Operationen, die zu Gründerzeiten unvorstellbar waren und sogar als unverantwortlich abgelehnt wurden, sind heute weit verbreitete Praxis.
12.06.2022 BDC|News
Editorial 06/2022: Nachlese DCK Kongress 2022
zur diesjährigen Kongressausgabe unserer Mitgliederzeitschrift „Passion Chirurgie“ seien Sie herzlich willkommen! Wie jedes Jahr im Juni ist diese schwerpunktmäßig dem Deutschen Chirurgenkongress gewidmet, der nun zum 139. Mal vom 6. bis 8. April in Leipzig stattgefunden hat und dem erneut ein Präkongress (28. bis 30. März, online) vorausgegangen ist.
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.