01.03.2014 Datenschutz
Internetbewertungsportale
Arzt-Bewertungsportale erfreuen sich seit geraumer Zeit immer größerer Beliebtheit. Gerade, wenn die Inhalte allerdings negativ sind, stellt sich die Frage, welche Bewertungen der bewertete Arzt hinnehmen muss und inwieweit er gegen den Bewertenden bzw. den Portalbetreiber einen Unterlassungsanspruch hat, diese Bewertung weiter zu verbreiten.
Vorab ist zu betonen, dass die Zulässigkeit von Internetportalen zur Bewertung von Ärzten zu bejahen ist. Sogar die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Bundesvereinigung haben mit Stand Dezember 2009 ein Schriftstück publiziert, welches von der grundsätzlichen Zulässigkeit ausgeht und Qualitätsanforderungen für Arztbewertungsportale aufstellt. Ein Verstoß gegen diese Richtlinie zur Qualitätsanforderung stellt jedoch keinen justitiablen Aspekt dar.
Grundrecht der Meinungsfreiheit – Rechtsprechung
Für die Zulässigkeit der einzelnen Bewertung kommt es aber in jedem Einzelfall darauf an, ob die Bewertung als Meinungsäußerung von der durch das Grundgesetz geschützten Meinungsfreiheit in Art. 5 Abs. 1 GG juristisch gedeckt ist. Das Bundesverfassungsgericht urteilte, dass eine Äußerung, die durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sei, als Meinung von Art. 5 Abs. 1 GG geschützt sei (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.05.2007 – 1 BvR 193/05). Dementsprechend geht ebenso der BGH in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG sich auch auf Äußerungen von Tatsachen erstreckt, soweit sie Dritten zur Meinungsbildung dienen können, sowie auf Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermischen und die insgesamt durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt werden (vgl. BGH, Urteil vom 03.02.2009 – VI ZR 36/07).
Persönliche Wertungen und Einschätzungen des Patienten sind damit vom Recht der freien Meinungsäußerung grundsätzlich gedeckt.
Fällt eine Äußerung in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit, so steht diesem Grundrecht des Patienten aber das Recht der informationellen Selbstbestimmung des bewerteten Arztes gegenüber. Deshalb muss sodann eine Abwägung dieser betroffenen Interessen stattfinden, um die Zulässigkeit der Äußerung beurteilen zu können.
Den Entscheidungen der Rechtsprechung kann man nach Ansicht des Verfassers entnehmen, dass der Arzt grundsätzliche Einschränkungen seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung hinnehmen muss, insbesondere wenn nur die Sozialsphäre durch die Bewertung betroffen ist und nicht auch die Privat-, Intim- oder Geheimsphäre. Die Bewertung der beruflichen Tätigkeit zählt zur Sozialsphäre, also zu einem Bereich, in dem sich aus Sicht der Rechtsprechung die persönliche Entfaltung von vornherein in Kontakt mit der Umwelt vollzieht (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 03.08.2011 – I-3 U 196/10). Das OLG Hamm ging in seinem Beschluss in dem zu Grunde liegenden Fall zudem davon aus, dass soweit die Bewertung auch persönliche Eigenschaften des Arztes betraf, diese dem Arzt offenkundig allein aufgrund seines Auftretens innerhalb seines beruflichen Wirkungskreises beigelegt werden und somit auch diese Bewertung ausschließlich der Sozialsphäre beizuordnen sei. Solange hierdurch für den Arzt keine gravierenden Folgen wie Stigmatisierung, soziale Ausgrenzung oder eine Prangerwirkung zu befürchten seien, seien negative Sanktionen bei allein die Sozialsphäre betreffenden Äußerungen nicht zulässig, so das Gericht.
Insbesondere folgende Entscheidungen verdeutlichen, dass die Abwägung der Gerichte zwischen der Meinungsfreiheit und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung in Fällen der Bewertungen in Arztbewertungsportalen bisher eher zu Gunsten der Patienten, also der Meinungsfreiheit, ausfiel:
Das OLG Frankfurt am Main urteilte, dass Ärzte eine anonyme Bewertung auf solchen Portalen grundsätzlich hinnehmen müssen. Nach Auffassung des Gerichts seien die Bewertungen vom Recht der freien Meinungsäußerung grundsätzlich gedeckt. Insbesondere ließen die Richter hier das Argument nicht gelten, die Bewertung sei von einem medizinischen Laien abgegeben worden. Denn nach Ansicht des Gerichts sei das Recht der freien Meinungsäußerung nicht auf allgemeingültige Werturteile beschränkt und jeder Leser wisse zudem, dass es sich in diesen Fällen nicht um eine wissenschaftlich fundierte Bewertung handele. Ferner äußerten sich die Richter dahingehend, dass sich Ärzte im Hinblick auf das Recht der freien Arztwahl dem ärztlichen Wettbewerb stellen müssen und insoweit den Marktmechanismen, zu denen eben auch solch öffentlich zugängliche Internetbewertungsportale gehören, ausgesetzt seien. Der Antrag der betroffenen Ärztin auf Löschung der Bewertung wurde deshalb abgelehnt (vgl. OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 08.03.2012 – 16 U 125/11).
Ebenso hat das OLG Hamm, wie oben dargestellt, befunden, dass Ärzte die Bewertung ihrer Arbeit auf solchen Internetbewertungsportalen grundsätzlich akzeptieren müssen. Denn nachdem sich das Angebot der beruflichen, ärztlichen Dienstleistungen an jedermann richte, sei ein generelles öffentliches Interesse der Patienten anzunehmen, die Bewertung durch Dritte zu erfahren, (vgl. OLG Hamm, a. a. O.). Sofern solch ein besonderes öffentliches Interesse besteht, muss sogar eine möglicherweise polemische und überspitzte Kritik hingenommen werden (vgl. BGH, Urteil vom 03.02.2009 – VI ZR 36/07).
Das Grundrecht der freien Meinungsäußerung umfasst jedoch nicht unzutreffende Tatsachenbehauptungen. Die Rechtsprechung geht bei der Beurteilung solcher Bewertungen grundsätzlich sehr großzügig vor und nimmt immer dann eine Meinungsäußerung an, wenn die Äußerung nicht objektiv überprüfbar ist (so beispielsweise LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 13.01.2010, Az. 3 O 3692/09; so auch LG Hannover, Urteil vom 13.05.2009, Az. 6 O 102/08). Beurteilt werden muss jedoch stets der vollständige Aussagegehalt in seinem Gesamtzusammenhang. Wie bereits erläutert, sind deshalb auch Äußerungen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermengen, von der Meinungsfreiheit umfasst, wenn sie nach ihrem Gesamtzusammenhang durch Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt sind.
Außerdem findet die Meinungsäußerungsfreiheit dann ihre Grenze, wenn es sich um Formalbeleidigungen oder einen Angriff auf die Menschenwürde handelt, was hauptsächlich bei unsachlicher Schmähkritik angenommen wird (vgl. BGH, Versicherungsrecht 2007, 249).
So hat beispielsweise das Amtsgericht Oldenburg entschieden, dass ein Widerrufsanspruch wegen einer eingestellten Bewertung dann nicht besteht, wenn die Bewertung bei objektiver Betrachtungsweise nicht als Schmähkritik angesehen werden kann, sondern vielmehr einen sachlichen Bezug aufweist und im Übrigen weitgehend persönliche Wertungen und Einschätzungen des Bewertenden wiedergegeben werden (vgl. AG Oldenburg, Beschluss vom 26.09.2007 – 23 (22) C 678/07).
Die höchstrichterliche Rechtsprechung legt für die Bewertung einer Äußerung als Schmähkritik jedoch strenge Maßstäbe an. Danach nimmt eine Äußerung den Charakter einer unzulässigen Schmähkritik an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person, ihre Diffamierung im Vordergrund steht, jenseits polemischer und überspitzter Kritik die Person herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll (vgl. BGH, Urteil vom 03.02.2009 – VI ZR 36/07).
Zusammenfassend gilt das Grundrecht der freien Meinungsäußerung nicht für unzutreffende, objektiv überprüfbare Tatsachenbehauptungen, Formalbeleidigungen sowie bei Angriffen auf die Menschenwürde.
Rechtsschutzmöglichkeiten, abschließende Empfehlung
Sollten in der Bewertung somit Tatsachen behauptet werden, die grundsätzlich objektiv überprüfbar sind und auch als unzutreffend nachgewiesen werden können bzw. sollte eine unsachliche Schmähkritik vorliegen, bestehen natürlich Möglichkeiten, die Bewertung anzugreifen. Sowohl gegen den Bewertenden, als auch gegen den Portalbetreiber können in solchen Fällen u. a. Unterlassungs-, Löschungs-, Gegendarstellungs- oder auch Schadensersatzansprüche bestehen.
In diesem Zusammenhang hat das LG Nürnberg-Fürth mit Urteil vom 08.05.2012 – 11 O 2608/12 dem Antrag eines Zahnarztes auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung gegen die Internetportalbetreiberfirma aufgrund der sog. Störerhaftung stattgegeben. Dies deshalb, da das Gericht einen Sorgfaltsverstoß der Betreiberfirma gegen deren Prüfpflichten annahm. Denn die Betreiberfirma hätte sich nach dem Löschungsantrag des Zahnarztes von seinem Kunden (Patienten) einen Nachweis dafür vorlegen lassen müssen, dass die Behandlung tatsächlich stattgefunden habe. Weil dies nicht geschehen sei und eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten des Zahnarztes gegeben sein könnte, hafte nach Ansicht des Gerichts der Betreiber auf Unterlassung, ungeachtet der Frage, ob die Bewertung zutreffend sei. Allerdings wurde in diesem Verfahren nicht beurteilt, ob die vorgenommene Bewertung im Rahmen der Meinungsfreiheit lag und damit zulässig war.
Die Störerhaftung beruht auf dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jeder, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft oder andauern lässt, die ihm zumutbare Maßnahmen und Vorkehrungen treffen muss, die zur Abwendung der daraus Dritten drohenden Gefahr notwendig sind (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2007, Az.: I ZR 18/04). Als Störer kann dabei grundsätzlich jeder haften, der – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Art und Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung einer rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat. Auf eine Kenntnis oder gar ein Verschulden des Dritten kommt es dabei nicht an.
Indem das in diesem Fall verklagte Bewertungsportal eine Website betreibe, dabei den Speicherplatz für die von den Nutzern verfassten Beiträge bzw. Bewertungen bereitstelle und den Abruf dieser Website über das Internet ermögliche, trage es nach Auffassung des Gerichts willentlich und adäquat kausal zur Verbreitung von Äußerungen bei, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht Dritter beeinträchtigen können.
Die Störerhaftung darf jedoch nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden, welche die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben. Sie setzt nach Meinung der Gerichte die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfpflichten voraus. Insofern sind nach der Rechtsprechung Internetportale gehalten, von den Patienten, die eine negative Bewertung über einen Arzt abgeben, sich hierfür einen Nachweis vorlegen zu lassen. Dies spätestens dann, wenn das Bewertungsportal vom betroffenen Arzt von Beanstandungen Kenntnis erlangt. Dann muss das Portal nach Auffassung der Rechtsprechung Ermittlungen anstellen und eine Bewertung des gesamten Sachverhaltes vornehmen (vgl. LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 08.05.2012, Az.: 11 O 2608/12). Folglich muss nach Ansicht des Verfassers dem Portal aber auch eine Prüfpflicht durch den Arzt eingeräumt werden.
Aus diesen Gründen bestehen aus Sicht des Verfassers insbesondere die beiden nachfolgenden Möglichkeiten, um gegen eine unrichtige oder der Schmähkritik unterfallende Bewertung schnellstmöglich vorzugehen, vor allem wenn die Bewertung anonym vorgenommen wurde.
Zum einen kann der betroffene Arzt selbst eine in der Regel kostenlose Überprüfung durch den Portalbetreiber beantragen. Hierzu gibt es meistens nach der Bewertung Buttons wie beispielsweise „Missbrauch melden“ oder „Gegendarstellung“, worin sodann der Sachverhalt aus Sicht des Arztes dargelegt werden kann. Hierbei sollte geschildert werden, inwiefern die Behauptungen des Patienten falsch sind und den tatsächlichen Gegebenheiten objektiv nachprüfbar widersprechen. Zudem sollte beantragt werden, die Bewertung deshalb vollständig zu löschen.
Zum anderen bestünde natürlich auch die Möglichkeit, dass der Betreiber durch eine Anwaltskanzlei zur Entfernung der Bewertung aufgefordert wird bzw. eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung der Veröffentlichung der Bewertung bzw. auf Löschung der Bewertung bei Gericht eingereicht wird. Dies löst jedoch nicht ganz unerhebliche Anwalts- und Gerichtskosten aus, denn die Gegenstandswerte in solchen Verfahren liegen regelmäßig sehr hoch.
Aus diesen Gründen empfiehlt der Verfassers in derartigen Angelegenheiten regelmäßig, damit der Portalbetreiber auch den von der Rechtsprechung geforderten Prüfplichten nachkommen kann, zunächst selbst das Problem auf dem Portal zu melden und die Überprüfung sowie Entfernung – ggf. unter Fristsetzung – zu beantragen. Der Erfahrung nach wird so eine Überprüfung von den Betreibern auch vorgenommen. Wird hierdurch nicht der gewünschte Erfolg erreicht, sollte man sich anwaltlich beraten und das Bestehen weiterer Ansprüche im konkreten Fall, insbesondere auch gegenüber dem Bewertenden, sowie etwaige Erfolgsaussichten einer gerichtlichen Geltendmachung prüfen lassen.