„Da ist etwas.“ Dieser Satz fällt so oder so ähnlich jedes Jahr etwa 500.000 Mal in Deutschland. Es ist nicht leicht, diesen Satz zu sagen. Schock, Angst, Sorge, tausend Gedanken und ein Gefühl des Kontrollverlustes sind oft die Reaktion des Gegenübers. Ohne dass das Wort überhaupt gefallen ist, wird fast jeder bereits jetzt wissen, worum es hier geht: Krebs. So groß die medizinischen Fortschritte in der Therapie auch sind und in der Zukunft noch sein werden, diese Krankheit mobilisiert eine Vielzahl herausfordernder Gefühle.
Diesen Faden nimmt die Ausstellung auf und leuchtet die Hintergründe und komplexen Zusammenhänge des Verhältnisses von Krebs und Emotionen aus. Die gegenwärtige Dimension steht im zweiten Teil der Ausstellung im Zentrum. Hier geben an Krebs erkrankte Menschen und deren Angehörige, Pflegende und Psychoonkologen ebenso wie namhafte Onkologen darüber Auskunft, was für sie die Heilung von Krebs bedeutet und was es heißt, mit Krebs zu leben oder an Krebs zu sterben.
Die Gegenwart trägt das „Gepäck“ der Vergangenheit mit sich. Darum beleuchtet die Ausstellung auch die Krebsgeschichte im 20. Jahrhundert. Hier ging es immer wieder um Grenzen und Grenzüberschreitungen – Grenzen des Lebens, Grenzen der Medizin, Grenzen der Leidensfähigkeit, Grenzen des Sagbaren, aber auch um vermeintliche oder tatsächliche Grenzen von Ressourcen. Ausgrenzungen, Tabuisierungen, Stigmatisierungen und moralische Schuldzuweisungen waren die Folge. Gefühle treten hier kaum jemals allein auf. Sie verweisen aufeinander, sind eingewoben in komplexe Netze aus moralischen Bewertungen, wissenschaftlichen Annahmen und politischen wie wirtschaftlichen Interessen.
Dazu ein Beispiel: Bis vor etwa vierzig Jahren war die Krebskrankheit weitgehend tabuisiert. Das Schweigen über die Krankheit und die mit ihr verbundenen Gefühle prägte die Beziehung zwischen Ärzt:innen und Patient:innen und stellte oft eine enorme Belastung dar. Dieses Schweigen zog Kreise und veränderte Beziehungen und Gefühle der Patient:innen, ihrer Angehörigen und Freund:innen. Diese Tabuisierung wurde seit den 1960er Jahren zunehmend aus einer psychotherapeutisch geprägten Perspektive kritisiert, vor allem mit Verweis auf ihre fatalen Gefühlswirkungen.
Wenn man weiter in der Geschichte zurückschreitet, stellt man fest, dass es bereits in den 1930er Jahren eine deutliche Kritik daran gab, die Diagnose nicht mitzuteilen. Dahinter standen aber völlig andere Annahmen über Gefühle und über die Bedeutung von Krankheit. Angst wurde im Nationalsozialismus entdramatisiert und zugleich zur Bewährungsprobe erklärt. Etwas vereinfacht ausgedrückt: Jeder Mensch erlebt Angst, weil er sich gefährlichen Situationen aussetzt. Die Gefahr darf nicht verschleiert, Angst muss überwunden werden, wenn sie nicht zur Feigheit werden soll. Das – so die nationalsozialistische Ideologie – ist die notwendige Bewährungsprobe für den „tapferen“, den „deutschen“ Menschen. Das sollte für Soldaten ebenso wie für todkranke Menschen gelten.
Mit dieser Umdeutung der Angst einher ging die Abwertung, die Ausgrenzung, die Ermordung von unheilbar erkrankten Menschen. In diesem Kontext erhoben Psycholog:innen, Seelsorger:innen und Mediziner:innen die Forderung, an Krebs erkrankte Menschen nicht länger zu schonen, sondern ihnen die Diagnose offen mitzuteilen. Auch das Reichsgericht bestätigte in den 1940er Jahren diese Auffassung mit dem Verweis darauf, dass die Gefühlswirkungen so dramatisch nicht seien. Die gleiche Entscheidung – offene Diagnosemitteilung – aber eine völlig andere Begründung, die sehr viel mit Vorstellungen über und moralischen Bewertungen von Gefühlen, Krankheit und Leben zu tun hat.
Diesen Zusammenhängen widmet sich der erste Teil der Ausstellung in insgesamt sechs Modulen, die kulturhistorische Exponate, wissenschaftliche Präparate und interaktive Medienstationen präsentieren. Der Rundgang durch die Ausstellung führt Besucherinnen und Besucher auf einen Weg, wie ihn viele Patientinnen und Patienten durchschreiten: Von den Aufklärungskampagnen über das Diagnosegespräch und den „Übergang“ in die Klinik bis zu den drei im 20. Jahrhundert dominierenden Therapien: Operation, Bestrahlung und zuletzt Chemotherapie. Etwas außer dieser Reihe informiert eines der Module darüber, wie das immer noch in vielen Köpfen verbreitete, medizinisch als überholt geltende Modell der Krebspersönlichkeit historisch entstanden ist.
Die Ausstellung möchte Besucherinnen und Besucher anregen, über ihre eigenen Gefühle angesichts der Krebskrankheit nachzudenken und sie im Resonanzraum der Geschichte kritisch zu reflektieren. Zugleich führt die Ausstellung konkret vor Augen, welche weitreichenden Wirkungen Gefühle auf gesellschaftliche, (gesundheits-)politische ebenso wie medizinische Entscheidungen und Umgangsweisen nehmen konnten und können.
Autorin Dr. Bettina Hitzer
Die Ausstellung wird von der Deutschen Krebshilfe und der Deutschen Krebsstiftung gefördert. Parallel zur physischen Ausstellung gibt es eine virtuelle Ausstellung (auf Deutsch und auf Englisch) sowie ab September 2023 eine begleitende Ringvorlesung.
Ort: Berliner Medizinhistorisches Museum, Virchowweg 17, 10117 Berlin
Dauer: Bis einschließlich 28. Januar 2023, Di, Do, Fr und So jeweils 10-17 Uhr; Mi und Sa 10-19 Uhr
In diesem Jahr bekommen 442 BDC-Mitglieder eine Silbernadel anlässlich ihrer 25-jährigen Mitgliedschaft. Der BDC bedankt sich für das langjährig entgegengebrachte Vertrauen!
Im Oktober 2020 hat das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland (Zi) das neue Informationsportal „kvappradar.de“ öffentlich gemacht. Das Zi ist ein Forschungsinstitut in der Rechtsform einer Stiftung des bürgerlichen Rechts. Träger der Stiftung sind die Kassenärztlichen Vereinigungen der Länder und die Kassenärztliche Bundesvereinigung.
Der Sachverständigenrat Gesundheit (SVR) hat im März 2021 sein Gutachten "Digitalisierung für Gesundheit" dem BMG übergeben und in der Bundespressekonferenz vorgestellt.
Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen formuliert der Rat in seinem Gutachten konkrete Empfehlungen zur patientenwohldienlichen Ausgestaltung der elektronischen Patientenakte (ePA) ebenso wie zur treuhänderisch kontrollierten Nutzung von Gesundheitsdaten für die Forschung.
Ein wenig nervös, aber voller Vorfreude machte ich mich im Herbst 2017 zum ersten Mal auf den Weg nach Madagaskar, um dort mit meiner Kollegin Fr. Dr. Gie Vandehult im Rahmen eines medizinischen Hilfsprojektes plastisch-chirurgische Patienten zu operieren. Das Projekt wurde bereits 2006 in Zusammenarbeit mit dem Verein Pro-Interplast e. V. [1] ins Leben gerufen und seitdem fliegt mindestens einmal pro Jahr ein Team unserer Praxis dorthin. Nach meinem Einstieg in die Gemeinschaftspraxis 2015 war es mein großer Wunsch, ebenfalls an diesem Hilfsprojekt mitzuwirken.
Spätestens seit der Neuregelung für klinisches Risikomanagement, die seit Anfang diesen Jahres gewisse Mindeststandards für Krankenhäuser und ambulante Einrichtungen festlegt, ist es Zeit, die „Operation Patientensicherheit” in Angriff zu nehmen. Dies ist ein langer, komplexer Prozess mit weitreichenden Folgen für alle Fachdisziplinen, besonders aber für das „High-Risk”-Fachgebiet Chirurgie.
In dieser Ausgabe legen unsere Autoren im Detail dar, wie wir als Chirurginnen und Chirurgen die Sicherheit für unsere Patienten verbessern können, um tragische Schicksale zu vermeiden, Kosten zu senken und nicht zuletzt auch den verschärften Anforderungen der Versicherungswirtschaft entsprechen zu können.
Wir präsentieren Ihnen mit „Operation Patientensicherheit” einen Leitfaden, um die richtigen Instrumente, Methoden und Verfahren zur Förderung der Patientensicherheit richtig, bedarfs- und zielgerecht einzusetzen. Besonderer Dank gilt Herrn Kollege Gausmann von der Firma GRB, der als Herausgeber großen Anteil am Gelingen dieser Ausgabe hat.
Die April-Ausgabe der Passion Chirurgie befasst sich dieses Mal ausführlich mit dem Thema Hernienchirurgie. Als eine der am häufigsten durchgeführten Operationen zeichnet sich die Hernienchirurgie durch eine Vielfalt von Verfahren aus. Viele Varianten haben ihre Berechtigung und Indikationen, die es immer wieder zu hinterfragen und mit aktuellen Studienergebnissen abzugleichen gilt.
Neu ist ein maßgeschneiderter, individualisierter Ansatz – der sogenannate tailored approach -, der jedoch ebenso abhängig von guten randomisierten Studien im Sinne der evidenzbasierten Medizin ist. Da diese Studien z. T. noch fehlen, liegt es im Moment bei den einzelnen Chirurginnen und Chirurgen, sich über die besten Verfahren für jeden Einzelfall zu informieren und eine individuelle Therapieempfehlung zu geben.
In detaillierten Artikeln stellen Ihnen unsere Autoren den aktuellen Stand der verschiedenen Techniken und Materialien der Hernienchirurgie vor. Der CME-Weiterbildungsartikel beschäftigt sich mit der bildgebenden Diagnostik in der Behandlung von Leistenbeschwerden und Hernien.
Evidenzbasierte Medizin (EbM) ist ein abstrakter, theoretischer Begriff, den wir Ihnen in dieser neuen Ausgabe der Passion Chirurgie näher bringen und für Sie mit praktischem Wissen verbinden wollen.
Die EbM ist ein unabdingbarer Begleiter zur optimalen Betreuung unserer Patienten und hilft uns, Indikationsstellung und Therapie transparent zu machen. Therapien oder Eingriffe, die heute noch modern und angebracht erscheinen, können schon morgen durch neue Verfahren ersetzt werden. Täglich erscheinen hunderte neuer Studien zu allen Aspekten der Medizin. Die EbM ist ein hilfreiches Werkzeug für den praktizierenden Chirurgen, um durch all diese Entwicklungen sicher zu navigieren.
Daher hoffen wir, Ihnen mit dieser Ausgabe Einblicke in den praktischen Nutzen von EbM liefern zu können. Neben einer Einführung in die Grundbegriffe in Form eines CME-zertifizierten Fortbildungsartikels präsentieren wir zwei Praxisbeispiele, anhand derer die Anwendung der EbM sowie der entsprechenden Quellen erläutert werden. Unsere Autoren geben außerdem Einblick in die praktische Nutzung von EbM in Deutschland und England und zeigen auf, welche Hürden noch zu nehmen sind.
Zentrales Thema unserer Februar-Ausgabe ist die Chirurgie im Kindesalter. Dieses Schwerpunktheft bringen wir in enger Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Kinderchirurgie heraus und danken Prof. Schmittenbecher aus Karlsruhe und Prof. Ure aus Hannover für ihre aktive Mitarbeit als Herausgeber dieser Ausgabe von PASSION CHIRUGIE.
Die chirurgische Behandlung von Kindern findet traditionell nicht nur bei Kinderchirurgen, sondern auch in nahezu allen anderen chirurgischen Disziplinen statt. In diesem Heft wollen wir deshalb nicht nur über neueste Entwicklungen in der Kinderchirurgie berichten, sondern Alltagsfragestellungen und Indikationen zur Chirurgie im Kindesalter beleuchten, die beispielsweise für Allgemein-, Viszeral- und Unfallchirurgen von Bedeutung sind.
Zunächst ergänzen wir unseren bereits im vergangenen Jahr erschienen Artikel zur Appendizitis durch den spezifisch kinderchirurgischen Blickwinkel. In einem weiteren Artikel gehen wir auf die distale metaphysäre Unteramfraktur ein, die häufigste Fraktur im Kindesalter. Im CME-Artikel geht es um die Leistenhernie im Kindesalter, deren drei wichtigste Therapieoptionen besprochen und verglichen werden.