01.10.2015 Fachübergreifend
Steigender Kostendruck beim Ambulanten Operieren
„Bei der Neubeme ssung des EBM 2009 auf der Basis eines einheitlichen Basispunktwertes sind die ambulanten Operateure vergessen worden.“
(Prof. Dr. J. Wasem; Januar 2014)
Diese persönliche Mitteilung innerhalb einer Diskussionsrunde auf der Tagung des BVSK Anfang 2014 in Düsseldorf war ehrlich gemeint und beschreibt die Situation der freiberuflich tätigen ambulanten Operateure und Anästhesisten in Deutschland trefflich. Die Bewertung der technischen Leistungen – besonders interessant für hoch spezialisierte Operationszentren – wurde einst im EBM 2005 gekoppelt mit einem rechnerischen Punktwert von 5,11 Cent. In vielen Bundesländern haben die selbständig tätigen Operateure und Anästhesisten schon diesen Punktwert niemals erhalten.
Die Kosten für die Vorhaltung der ambulanten Operationseinrichtungen und die laufenden Kosten, die sich aus dem Betrieb pro Eingriff ergeben, mussten schon in der Vergangenheit häufig durch das Honorar für die Operation oder die Narkose quer finanziert werden. Der politisch gewollte Einheitspunktwert, gemeinsam verankert mit dem EBM 2009 hat das Problem der mangelnden Kostendeckung für alle Operateure nun in allen Bundesländern gleich zusätzlich verschärft. Gleichzeitig wurden im Verlauf die regionalen Strukturverträge gekündigt und die Krankenkassen haben im sicheren Gefühl der unkritischen politischen Unterstützung die meisten IV-Direktverträge gerade im Bereich der orthopädischen Chirurgie bundesweit aufgekündigt.
Der Kostendruck steigt
Der Preis für das Ambulante Operieren (AOP) ist – ganz nach dem Wunsch der Krankenkassen – im Verlauf der letzten Jahre dramatisch gesunken. Je nach Struktur und Kostensatz der stationsersetzenden Leistung sind nicht alle operativen Disziplinen gleich betroffen – die Kosten pro Eingriff sind jedoch in den vergangenen Jahren in jedem Fall gestiegen und werden durch den rechnerischen TL Anteil an der EBM-Ziffer keinesfalls gedeckt. Der Druck auf die selbständig tätigen ambulanten Operateure und Anästhesisten ist überall in Deutschland spürbar. Diese bei unseren Patienten so beliebte Versorgungsform wird immer noch unwirtschaftlicher und zwingt in der Folge natürlich zu Sparmaßnahmen, die auch die Qualität der Versorgung gefährden.
Die Qualität ist gefährdet
Die Zahl der ambulanten Operationen im Krankenhaus nimmt zwar zu, grundsätzlich ist jedoch die Vergütungssystematik im Krankenhaus nach § 115 b SGB V exakt dieselbe. Verträge zwischen niedergelassenen Operateuren oder Anästhesisten zum AOP im Krankenhaus werden in der Gestaltung zunehmend schwierig, da auch die mögliche Querfinanzierung von Kosten durch das Krankenhaus immer problematischer wird.
Die Konsequenz: Das Ambulante Operieren wird bei seinen Betreibern in beiden Sektoren des Gesundheitswesens zunehmend unbeliebter!
In dieser Situation hat der Bundesverband für Ambulantes Operieren ein Gutachten beauftragt, dass die derzeitigen Kosten für Hygienemaßnahmen pro durchgeführten ambulanten operativen Eingriff konkret beziffert. Im EBM alt sind derzeit rechnerisch (nicht ausgezahlt!) lediglich Kosten für einen Sterilisator, ein Einschweißgerät und die Ultraschallreinigung eingerechnet. Im Rahmen der Neugestaltung des EBM und auch bei der Änderung des Standard-Bewertungssystemes für Kosten und Leistungen muss deshalb zumindest im Bereich der Hygiene den veränderten Umständen dringend Rechnung getragen werden. Die ständig aktualisierten RKI-Richtlinien, die in vielen Bundesländern als Zwangsmaßnahme umgesetzt werden und das novellierte Patienten-Schutzgesetz kosten zusätzliches Geld. Es besteht kein Zweifel, dass Investitionen in den Patientenschutz richtig und von hervorragender Bedeutung sind. Die freiberuflich tätigen ambulanten Operateure und Anästhesisten unterstützen diese Bestrebungen ausdrücklich. Der Gesetzgeber hat hier politisch lautere und publikumswirksame Regelungen erlassen, die Frage der Finanzierung jedoch absichtlich nicht geregelt.
Forderung von Finanzierungshilfen
Das Problem fällt somit automatisch den Leistungserbringern im Krankenhaus und in den freiberuflichen Operationszentren zu. Die Kosten müssen aufgewendet werden, um Maßregelungen der Gesundheitsämter und haftungsrechtlichen Problemen entgehen zu können. Es ist dringend an der Zeit, bei Gesundheitspolitikern und den Verantwortlichen der Krankenkassen „Beihilfen“ zur Finanzierung der Kosten für die Durchführung moderner Hygienemaßnahmen zu fordern.
Das Gutachten des BAO hat bis hin zu den erheblichen Ausgaben für zusätzliche Personal-Ressourcen (Hygienebeauftragter, Arzt, etc.) die Kosten penibel berechnet. Wir leiten hieraus eine unmittelbare Forderung von 55 Euro pro durchgeführten ambulanten Eingriff ab (Tab. 1).
Die vorgelegten Berechnungen berücksichtigen jedes Detail der Umsetzung aktueller RKI Richtlinien und Gesetze. Grundsätzlich wird von einer Standzeit der Geräte von zehn Jahren und einer Einsatzhäufigkeit von 1000 pro Jahr ausgegangen. Besonderer Erwähnung bedarf in diesem Zusammenhang, dass viele der gesetzlich verordneten Maßnahmen immer den gleichen Kostencharakter haben und den nicht veränderbaren Kosten einer Praxis/eines OP-Zentrums zugerechnet werden müssen, unabhängig von der Behandlungsfrequenz.
Die Krankenhäuser haben zwischenzeitlich 800 Millionen Euro für gestiegene Kosten im Zusammenhang mit der Erbringung ihrer Leistung erhaltenen – darin ein großer Posten die kostenintensiven Hygieneschutz- und Patientenschutzmaßnahmen.
Wir müssen und werden den Hygienezuschlag bundesweit einfordern. Es ist schon jetzt absehbar, dass die stark gestiegenen, im EBM nicht bewerteten Kosten, das Ambulante Operieren andernfalls stark negativ beeinflussen wird. Die Qualität der Versorgung muss sich unter diesem Kostendruck zwangsläufig verschlechtern. Gemeinsame Aktionen der Fachgesellschaften und der Berufsverbände sind dringend erforderlich, um die öffentliche Darstellung unseres Problems zu verbessern und eben diesen Qualitätsverlust in der Patientenversorgung zu verhindern.
Finanzielle Unterstützungsmaßnahmen werden hingegen den Patientenschutz – wie politisch gewollt – verbessern.
Neumann A. Steigender Kostendruck beim Ambulanten Operieren. Passion Chirurgie. 2015 Oktober, 5(10): Artikel 02_05.
Autor des Artikels
Dr. med. Axel Neumann
PräsidentBundesverband für Ambulantes Operieren e. V.Sterntorbrücke 153111BonnWeitere Artikel zum Thema
01.11.2023 Fachübergreifend
Artzpraxis Tipp: Manuelle Aufbereitung und Sterilisation von Instrumenten – in welchem Umfang möglich?
Ein Chirurg ist Inhaber einer Praxis für Orthopädie und Unfallchirurgie in Berlin und betreibt einen eigenen kleinen OP. Bisher arbeitet er die Instrumente manuell auf und sterilisiert sie anschließend (keine Hohlinstrumente). Nun hat er von Kollegen gehört, dass das Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin (Lageso) auf einer maschinellen Aufarbeitung besteht. Stimmt diese Aussage?
01.10.2023 Fachübergreifend
Extended Reality goes Surgery – „Neue Realitäten“ in der Chirurgie
Applikationen und Anwendungsbereiche für Extended-Reality-Anwendungen werden bereits in vielen Industrien genutzt. Ihr Potenzial zur Produkt-, Produktions- oder Effektivitätssteigerung wird hoch eingeschätzt. So betrug der Marktwert der Virtual Reality (VR) in der Automobilindustrie vor der Covid-19-Pandemie knappe 760 Millionen Dollar. Bis zum Jahr 2027 wird der Wert auf knappe 15 Milliarden geschätzt [2].
01.10.2023 Fachübergreifend
„Ready Surgeon One?” – Chirurgie im virtuellen OP-Saal
Wer von uns würde angesichts der aktuellen Probleme in der chirurgischen Versorgung, wie Personalmangel, Versorgungslücken und finanzielle Einschränkungen, nicht gerne in eine andere Welt entfliehen und in einem virtuellen OP-Saal unter optimalen Bedingungen Patienten behandeln? So in etwa empfinden die Menschen im Roman „Ready Player One“ von E. Cline, wenn sie aus der dystopen Realität in die OASIS fliehen, eine virtuelle Illusion, die nicht nur Spiel und Unterhaltung bietet, sondern auch Bildung, soziale Interaktion und Handel.
01.10.2023 Fachübergreifend
Wie die Digitalisierung der Chirurgie den Weg für Künstliche Intelligenz ebnet
Die in Deutschland angestrebte Digitalisierung des Gesundheitswesens verspricht vereinfachte Arbeitsabläufe, effizientere Kommunikation sowie bessere Dokumentation und daraus folgende sicherere Handlungsabläufe [1]. Diverse digitale Gesundheitsanwendungen wie beispielsweise die elektronische Patientenakte (ePA), ermöglichen es, Patienten und medizinischem Personal einen gesammelten Überblick über die dem Patienten zugehörigen Dokumente zu verschaffen.
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.