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Die Europäische Zentralbank hat sich am letzten Donnerstag mit einer Gegenstimme durchgesetzt. Man wird unter bestimmten Voraussetzungen unbegrenzt Staatsanleihen von Eurostaaten kaufen. Damit ist zwar ein Hilfsantrag für Hilfen aus den Rettungsmechanismus EFSF oder ESM verbunden, es müssen allerdings nicht unbedingt Sparauflagen erfüllt oder Reformen eingeleitet werden. So wurden damit faktisch demokratische Prozesse in der Eurozone ebenso ausgehebelt wie marktwirtschaftliche Grundsätze. Man fragt sich, warum die Verknüpfung der Anleihekäufe durch die EZB mit der Beantragung von EU-Hilfen überhaupt noch notwendig ist. Zum einen zeigt das Beispiel Portugal, dass auch ohne die faktisch unbegrenzten Mittel der EZB eine Stabilisierung möglich ist. Zum anderen würde man das identische Ergebnis erhalten, wenn man den dauerhaften Rettungsschirm ESM mit einer Banklizenz versehen würde, die momentan politisch aber nicht durchsetzbar ist. Entweder rechnet die EZB nun mit einer Ablehnung des ESM – beispielsweise durch das deutsche Bundesverfassungsgericht – oder man will sich dem demokratischen Weg nicht beugen, dass eine Banklizenz und damit die unbegrenzte Refinanzierung des ESM derzeit politisch nicht durchsetzbar ist.

Dies ist ordnungspolitisch sehr bedenklich, zumal der EU-Währungskommissar Olli Rehn in diesem Zusammenhang den entscheidenden Satz gesagt hat: Die EZB hat großen Dienst zur Marktstabilisierung geleistet. Allerdings muss die EZB – in der Tradition der Deutschen Bundesbank – einzig die Währungsstabilität sicherstellen. Wer glaubt, dass eine Währung stabil bleibt, wenn die Staaten von ihrer Notenbank refinanziert werden, glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten.

Als sei dies noch nicht genug, verstößt die EZB zudem gegen markt- und finanzwirtschaftliche Grundsätze. Drastischer formuliert, übt sie sich im Sozialismus. Mit der Bereitschaft, Staatsanleihen von Staaten zu kaufen, die sonst erhebliche Risikoaufschläge zahlen müssten, verbilligt sich die Kreditaufnahme für diese Staaten. Dies ist ungefähr so, als würde ein Kreditinstitut unabhängig von der Verwendung des Geldes und der wirtschaftlichen Situation des Kreditnehmers allen

Kunden die identischen Kreditkonditionen einräumen oder als würde ein Automobilhersteller beschließen vom Kleinwagen bis zur Luxuslimousine alle Wagen zum identischen Preis zu verkaufen. Dies kann nicht funktionieren. Das damit verbundene Risiko potenziert sich, weil die USA und Japan vor immer extremeren Verschuldungsproblemen stehen und China deutlich an wirtschaftlicher Dynamik verliert.

Nun ist die Feststellung, dass die EZB den falschen Weg eingeschlagen hat, zwar informativ, führt aber zu keinen Lösungen. Auf diesem Weg sollte man sich jedoch weiter von den einfachen Antworten hüten.

Es ist kein Automatismus, dass die Strategie der EZB zu einer höheren Inflation führt. Bislang finanziert sie nur bestehende Schulden, so dass die daraus resultierende Geldmenge nicht zwangsläufig steigen muss. Das damit verbundene Inflationsrisiko wirkt mittelfristig, wenn die Staaten die künstlich niedrig gehaltenen Zinsen nutzen werden, um sich immer weiter zu verschulden. Sofern die EZB dies nicht verhindert, wird es entweder zu einem Crash wie nach dem Platzen der US-Immobilienblase kommen, der allerdings mindestens zehnfach stärker ausfällt, oder es wird an einer spürbaren Inflation kein Weg vorbei führen. Diese wird sich allerdings erst frühestens im Jahr 2017 bemerkbar machen.

Natürlich kann schon vorher die Inflation steigen. Dies liegt aber daran, dass immer mehr Anleger in eine bestenfalls gleichbleibende oder zumindest unterhalb der Geldmenge steigende Anzahl von Gütern investieren. So steigen Immobilien und Gold ohne Grund im Wert.

Ebenfalls eine augenscheinlich einfache Lösung, aber bei genauerer Betrachtung grober Unfug ist die Empfehlung, dass gerade deutsche Anleger aus dem EUR umschichten sollten. Viele Anleger reagieren reflexhaft mit „wohin“, statt „warum“. Dabei ist die Betrachtung der Gründe von hoher Bedeutung, die sich im Wesentlichen in zwei Szenarien aufgliedern.

Einmal angenommen, der EUR wird aufgelöst und die Staaten der Eurozone kehren zu ihren nationalen Währungen zurück. Dann würden Anleihen und Aktien aus Deutschland von der Währungsaufwertung kurzzeitig erheblich profitieren. Wer dann eine freenet-Anleihe oder eine Lanxess-Aktie hat, würde hier – vereinfacht dargestellt – bei einem Verkauf an der New York Stock Exchange einen Gegenwert in USD erhalten, der mindestens 40 Prozent höher wäre als aktuell. Dies gilt nicht nur für den USD, sondern für nahezu alle Währungen weltweit. Unstrittig ist natürlich, dass dieser Effekt nur kurzfristig gegeben ist. Also muss man bei Furcht vor dem Zusammenbruch der Eurozone gerade in deutschen Werten investiert sein.

Löst man sich von diesem Extremszenario, kann man das Inflationsszenario betrachten. Wer hier in Fremdwährung investiert, kann nur perspektivisch eine höhere Inflation in EUR als in der investierten Fremdwährung erwarten. Nun haben aber mit der Eurozone, den USA und Japan drei wirtschaftlich (noch) bedeutende Regionen das nahezu identische Verschuldungsproblem. Wenn sich eine dieser Regionen für Inflation entscheidet, wird sich dies auf die anderen Bereiche auswirken. Übrigens tragen die seit fast zwanzig Jahren erfolglosen Versuche Japans, dies zu erreichen, zu der Exportstärke des Inselstaats bei.

Von einer solchen Bewegung wären dann durch die globalisierenden Strukturen auch sehr schnell andere Währungsräume wie Australien, Kanada oder die skandinavischen Staaten betroffen. Einen gewissen Schutz bieten dann noch die arabischen Staaten und China.

Da dieses Szenario schon recht komplex ist, lautet eine weitere einfache Antwort Gold. Wer dort investiert ist, ist vor Inflation geschützt. Nun preist der Anstieg des Goldpreises seit dem Jahr 2008 eine Inflationsrate in den kommenden zehn Jahren von durchschnittlich 6 Prozent auf Jahressicht ein. Dies ist nach unserer Einschätzung viel zu hoch. Vielmehr wird die Inflation mittelfristig zwischen 3 Prozent und 4 Prozent jährlich liegen, was im Übrigen für die Eurozone und die USA völlig ausreicht, sich spürbar von der Schuldenlast zu befreien. Somit ist ein Abwärtsrisiko bei Gold gegeben, dass sich allein aus der Marktübertreibung ergibt. Zusätzlich muss man sich fragen, warum Gold denn immer noch als „sicherer Hafen“ dient. Es hat – anders als Silber – kaum industrielle Bedeutung. Man weiß – anders als bei Erdöl – nicht, wie groß die noch nicht erschlossenen Vorkommen sind. Bei einem extremen Preisanstieg würden sich vielleicht andere Erschließungsmethoden rechnen. Gold lebt von dem Mythos, immer einen Tauschwert gehabt zu haben. Dies reichte aber schon von riesigen Ackerflächen bis hin zu einem Brot – für die identische Menge an Gold. Insofern ist damit ein Tauschinstrument sicher, die Wertsicherung aber eben nicht.

Die Antwort auf die EUR-Schuldenkrise und die darauf folgende Strategie der EZB, die ihren vorläufigen Höhepunkt mit der Entscheidung, unbegrenzt Staatsanleihen kaufen zu können, erreicht hat, ist nicht einfach. Sie beginnt mit dem ständigen Hinterfragen der Anlageentscheidungen und der grundlegenden -strategie und reicht über die ständige Marktbeobachtung bis hin zu der Auswahl und fungiblen Anlagen von oder bei erstklassigen Partnern.

Insofern ist es relativ irrelevant, ob Spanien als viertgrößte Volkswirtschaft und nach Griechenland, Irland und Portugal als vierter Staat nun einen vollständigen Antrag auf Gelder aus den EUR-Rettungsinstrumenten stellt und damit die Voraussetzungen für EZB-Anleihekäufe erfüllt. Spanien wird an diesem Schritt nicht vorbei kommen. Es fehlt durch eine Wirtschaftsstrategie ebenso wie ein Modell, den Staat finanziell nachhaltig zu entlasten. Zudem braucht nicht nur der Finanzsektor – überwiegend die dortigen Sparkassen – immer mehr Finanzhilfen, sondern mit Andalusien hat nun die vierte Provinz – vergleichbar mit deutschen Bundesländern – um Hilfen vom spanischen Staat ersucht. Dies kann Spanien ohne weitere Hilfen nicht leisten.

Daher ist bei der Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts zum dauerhaften Rettungsmechanismus ESM und zum EU-Fiskalpakt trotz der Vielzahl der Klagen, Befangenheits- und Eilanträgen nicht mit einer Überraschung zu rechnen. Die teilweise an den Finanzmärkten spürbare Nervosität ist somit nicht nachvollziehbar. Das Gericht wird den deutschen Gesetzen zum ESM und zum EU-Fiskalpakt weitgehend zustimmen, allerdings strikte Vorgaben zu Ausgestaltungen machen.

Ob dies dann der Eurozone langfristig hilft, bleibt abzuwarten. Das Schuldenproblem ist global, wie der Blick nach Japan zeigt. Allerdings würde dort dann kein Währungsraum helfen können, sondern die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt müsste sich an den Internationalen Währungsfonds (IWF) wenden. Obwohl nun Japan in weniger als drei Monaten die Zahlungsunfähigkeit droht, ist diese Notwendigkeit als äußerst gering einzustufen. Aufgrund der politischen Situation kann Japan derzeit keine Staatsanleihen emittieren, was allerdings notwendig ist, da die Verschuldung nicht nur mehr als 200 Prozent des dortigen Bruttoinlandsprodukts beträgt, sondern die Hälfte des jährlichen Staatshaushalts aufwendet werden muss, um den finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Daher musste die japanische Regierung nun auch Zahlungen wie die Förderungen der Universitäten vorerst stoppen, aber es ist – ähnlich wie in den USA vor rund einem Jahr – mit einer Einigung in letzter Sekunde zu rechnen.

Wenn man von Staatsverschuldung spricht, dürfen die USA nicht fehlen. Dort haben die Verbindlichkeiten den unvorstellbaren Wert von 12,5 Billionen EUR überschritten und knapp die Hälfte dieser Verbindlichkeiten wird durch die US-Notenbank und China finanziert. Die Anhebung der Schuldenobergrenze in den USA, die vor rund einem Jahr zum Verlust der besten Bonitätsstufe bei der US-Ratingagentur Standard&Poors geführt hat und massive Kursverluste an den internationalen Aktienmärkten nach sich zog, steht zwar erst wieder im Januar 2013 an. Wenn dies allerdings ein Thema im US-Wahlkampf werden sollte, wird dies auf die Finanzmärkte nicht positiv wirken.

Dort kommt es nach den entsprechenden Normierungsparteitagen zu einer Entscheidung zwischen dem amtierenden US-Präsidenten Barack Obama und seinem republikanischen Herausforderer Mitt Romney. Im Wahlkampf wird es zunehmend auch um Wirtschaftsthemen gehen, bei denen die Strategie der US-Demokraten klar erkennbar ist: Trotz hoher Arbeitslosigkeit und einer Rekordverschuldung geht es den USA und den US-Bürgern besser. Diese Botschaft vermittelt der ehemalige US-Präsident Bill Clinton, der als einziger Regierungschef der USA in den letzten 30 Jahren für Haushaltsüberschüsse gesorgt hat, sehr glaubwürdig. Ob dies zur Wiederwahl von Barack Obama reicht, bleibt abzuwarten.

Immer deutlicher tritt allerdings zu Tage, dass die US-Notenbank vermutlich nicht eingreifen wird, um die US-Wirtschaft weiter zu stabilisieren. Dies ist ordnungspolitisch positiv, weil der US-Wahlkampf völlig offen ist und eine aggressive Maßnahme der Notenbank dort die Wahlentscheidung beeinflussen könnte. Gleichzeitig besteht aber auch keine Notwendigkeit, da die Daten aus den USA zwar durchwachsen sind, aber keine Punkte aufweisen, die extreme Maßnahmen wie ein weiteres Anleihekaufprogramm notwendig erscheinen lassen. Insofern droht den Märkten am kommenden Donnerstag eine Enttäuschung.

Weltweit stehen die Konjunktursignale allerdings auf Abschwung. Zwar sind die deutschen Exporte im Juli 2012 zwar besser als erwartet gewesen. Allerdings sinkt die Binnennachfrage leicht, wie die Entwicklung am deutschen Automobilmarkt zeigt. Zudem haben sich die Lohnkosten in Deutschland deutlich verteuert, so dass im Vergleich zu anderen Staaten die Produktivität nachlässt. Gleichzeitig bleibt von den Schlüsselbranchen in Deutschland zwar der Maschinenbausektor optimistisch, aber die Chemieindustrie hat ebenso wie die Elektroindustrie für den weiteren Jahresverlauf die Prognose gesenkt. Ein weiterer Frühwarnindikator ist die Entwicklung der Kurzarbeit, die spürbar anzieht.

Dennoch ist die Einschätzung der OECD, Deutschland drohe im zweiten Halbjahr 2012 eine Rezession, deutlich zu negativ. Dies zeigen auch die europäischen Einkaufsmanagerindices, die auf eine Stabilisierung deuten. Andere Staaten reagieren auf die Schwäche auch konsequent. So hat Schweden aufgrund des dort drohenden wirtschaftlichen Abschwungs die Leitzinsen auf 1,25 Prozent p. a. gesenkt. Dies bestätigt allerdings auch, dass die Währungsdiversifikation keine Einbahnstraße ist. In China ist der Einkaufsmanager-Index für das verarbeitende Gewerbe auf den tiefsten Stand seit dem Jahr 2009 gefallen. Allerdings reagiert die chinesische Regierung mit einem Infrastrukturprogramm, das die Lockerungen der chinesischen Notenbank unterstützt und die Wettbewerbsfähigkeit der chinesischen Wirtschaft weiter erhöht.

Insgesamt werden die Herausforderungen größer. Die Abwärtsrisiken an den Aktienmärkten überwiegen und die Zinsen gehen immer weiter zurück. Dieser Entwicklung kann man nur durch hohe Marktnähe, qualitative Anlageauswahl und der ständigen Überprüfung der Anlagestrategie begegnen. Einfache Antworten gibt es auch zukünftig nicht.

Schön M. Die Entscheidung der EZB und warum so eine Rettung des Euros nicht gelingen wird. Passion Chirurgie. 2012 November; 2(11): Artikel 06_01.

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Markus Schön

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