01.02.2022 BDC|News
Editorial im Januar/Februar 2022: Ambulante Niederlassung

Zum Zeitpunkt meiner Niederlassung vor etwa 20 Jahren war die chirurgische Einzelpraxis der Regelfall. Dies war zu einem großen Teil der damaligen Weiterbildung geschuldet mit breiter Ausbildung im Gesamtgebiet der Chirurgie. Selbst wenn das eigene Steckenpferd die Leistenhernie-Chirurgie war, so wurden natürlich auch unfallchirurgische Patienten behandelt und in der Regel lag auch eine D-Arzt-Qualifikation vor. So konnte eine Einzelpraxis auch wirtschaftlich auskömmlich arbeiten.
Mit zunehmender Spezialisierung und den nachfolgenden Änderungen der Weiterbildungsordnung gibt es aber den Generalisten oder „Alleskönner“ nicht mehr. Schon früh gilt es sich zu entscheiden in welche Richtung es gehen soll: Bauchchirurgie oder Unfallchirurgie – oder doch die Handchirurgie? Zwar besteht grundsätzlich die Möglichkeit auch den Facharzt für Allgemeinchirurgie zu erwerben mit nachgewiesenen Kompetenzen in Viszeral-, Gefäß- und Unfallchirurgie/Orthopädie, eine Zulassung zum D-Arzt kann damit aber nicht erfolgen. Diese ist selbst in der Basisvariante an den Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie gebunden. Eine chirurgische Einzelpraxis, gleich welcher neuen Fachrichtung, ist so nur in seltenen Fällen wirtschaftlich. Da die gesamte Breite des Gebietes durch einen „Einzelkämpfer“ zudem nicht abgedeckt werden kann, besteht ein ungebrochener Trend zum Zusammenschluss von mehreren Chirurginnen und Chirurgen, sinnvoller Weise unterschiedlicher Facharztsäulen angehörend.
So kann nicht nur die ambulante chirurgische Versorgung der Patienten aufrechterhalten, sondern auch eine Reduktion von Investitionskosten, bezogen auf den einzelnen Arzt, erreicht werden. Es stellt finanziell nämlich einen erheblichen Unterschied dar, ob ich eine digitale Röntgenanlage oder einen Steri allein betreibe, oder mit anderen zusammen. Gleiches gilt für die Nutzung ambulanter Operationseinrichtungen. Erst durch den Zusammenschluss zu größeren Praxen, MVZs oder sonstigen – auch überörtlichen – Berufsausübungsgemeinschaften wird es möglich, qualitativ hochwertige, leitliniengerechte Chirurgie auch im ambulanten Setting anbieten zu können.
Bereits unmittelbar nach Einführung des ambulanten Operierens, etwa zur Jahrtausendwende, zeigte sich in zahlreichen Untersuchungen ein niedriges Infektions- und Komplikationsrisiko und insbesondere eine hohe Patientenzufriedenheit. Leider wurde der anfänglich von der Kassenseite beschrittene Weg einer Förderung des ambulanten Operierens, etwa durch Strukturverträge, schnell wieder verlassen, und so drohte zuletzt eine Unterfinanzierung. Dies führte eben nicht zu einer Ausweitung der ambulanten Operationen, sondern vielmehr zur Stagnation. Dies wurde von der Politik erkannt und fand ihren Niederschlag im MDK-Reformgesetz. Dort wurde verbindlich festgeschrieben, das ambulante Operieren auf finanziell gesicherten Boden zu stellen und einen Eingriffskatalog zu definieren, der zukünftig in den ambulanten oder einen neuen intersektoralen Bereich verschoben werden soll. Zusätzlich laufen aktuell dreiseitige Verhandlungen (KBV, DKG und GKV) zur Kalkulation der Kosten des ambulanten Operierens. Darüber hinaus sind verschiedene Gutachten zur Benennung von Eingriffen mit hohem Ambulantisierungs-Potenzial beauftragt worden, die in Kürze veröffentlicht werden sollen.
Insgesamt erscheint der Schritt in die Niederlassung unverändert attraktiv, dies auch vor dem Hintergrund, dass die neue kompetenzbasierte Weiterbildungsordnung auch ambulante Weiterbildungszeiten ermöglicht, da zahlreiche Eingriffe auch zukünftig vermehrt ambulant erbracht werden.
Ich wünsche allen Kolleginnen und Kollegen eine spannende Lektüre: PASSION CHIRURGIE 01/02/2022.
Schmitz R: Ambulante Niederlassung. Passion Chirurgie. 2022 Januar/Februar; 12(01/02): Artikel 01_Editorial.
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