20.09.2025 Politik
Berufspolitik aktuell: Entscheidungen stehen an

Nach der selbst im Vergleich mit den Schulferien relativ ausgedehnten parlamentarischen Sommerpause beginnt der Politikbetrieb in Berlin langsam wieder Fahrt aufzunehmen. Abgesehen von eher inhaltsleere Sommerinterviews des Spitzenpersonal gab es aber doch eine Aussage des Bundeskanzlers, die umgehend Kontroversen ausgelöst hat. Es sagte, dass unser Sozialsystem in der bisherigen Form nicht mehr finanzierbar sei, was prompt von der Sozialministerin als „Bullshit“ zurückgewiesen wurde. Zwei Dinge sind daran bemerkenswert: zum einen wirft es ein grelles Schlaglicht auf die interne Kommunikation in der Koalition, zum anderen ging es nur noch um das Rentensystem und das Bürgergeld. Beides ist zwar unbestritten ein Problemfall, aber keineswegs die einzige Säule unserer sozialen Absicherungen. Die Finanzierungsnot der gesetzlichen Krankenversicherung steht mindestens gleichwertig im Fokus von notwendigen Sparmaßnahmen. Wenn sich die Politik beim Bürger schon mit möglichen Veränderungen des Rentensystems extrem unbeliebt macht, so scheut sie nach wie vor eine offene Debatte um mögliche Einschnitte in der Krankenversicherung, wissend, dass sie damit auch den letzten Rest an Wählerzustimmung verlieren könnte.
Umso bemerkenswerter ist da ein Vorstoß des parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesgesundheitsministerium Tino Sorge. Er hat dieser Tage eine Aufteilung der Krankenversicherung in eine Art reduzierter Basisversorgung mit optionalen Zusatzpaketen ins Spiel gebracht. Das ist im Übrigen eine uralte Forderung der Ärzteschaft und wurde entsprechend medial begrüßt. Allerdings hat es nicht lange gedauert, bis die Ministerin ihren Staatssekretär zurückgepfiffen hat. Auch nicht gerade ein Muster vorbildlicher interner Kommunikation. Dafür hat sie den Giftschrank geöffnet und mögliche Einschränkungen des nahezu unendlichen Leistungsangebots zu Lasten der GKV ins Spiel gebracht. Es wird sich zeigen, welche Dynamik diese Diskussion entwickelt und was am Ende dabei herauskommt. Klar ist, dass die gesetzlichen Krankenkassen dringenden Reformbedarf haben, wenn nicht die Beiträge für die Versicherten ins Unermessliche steigen sollen. Letztlich bleibt nur eine Anpassung auf der Ausgabenseite, denn die Einnahmeseite wird angesichts einer schwächelnden Konjunktur und weiter besorgniserregenden Wirtschaftsdaten kaum ausreichen.
Bekanntlich sind wir Ärzte diejenigen, die Ausgaben produzieren, sowohl in den Kliniken wie im ambulanten Bereich. Die gerade laufenden Honorarverhandlungen für die Vertragsärzte zeigen schon mal, wie eng die Spielräume sind. Und im Krankenhausbereich wird alles darauf hinauslaufen, dass Kliniken oder einzelne Abteilungen geschlossen werden. Wo die Türen zu sind, wird auch kein Geld mehr ausgegeben.
Die vorgesehene Veränderung der Krankenhausreform ist zwar auf Druck der SPD im letzten Moment von der Tagesordnung des Kabinetts genommen worden, aber diese Veränderung sollte die bereits von der Vorgängerregierung unter Federführung von Herrn Lauterbach eher abschwächen und in der Umsetzung prolongieren (Krankenhaus-„Verwässerungsgesetz“). Aktuell gilt das beschlossene alte Gesetz und das wird eindeutig zu Standortschließungen führen, so wie es in NRW schon praktiziert wird. Auch mit dem neuen Gesetz wird sich an der Zielrichtung nichts ändern. Für unsere chirurgische Kollegenschaft bedeutet das den Wegfall zahlreicher Chefarztpositionen. Fachärzte werden sich nach anderen Häusern umsehen müssen, werden dort aber auch zur Erfüllung der personellen Mindestmengen zum Erhalt sogenannter Leistungsgruppen gebraucht. Assistenzkräfte sind sowieso Mangelware und müssen nur noch den Wechsel Ihres Wohnorts in Kauf nehmen.
Man darf davon ausgehen, dass es einen Herbst der Entscheidungen und Weichenstellungen geben wird. Das betrifft auch das Gesundheitssystem, wenn denn die Entscheidungsträger sich nicht im parteipolitischen Gezänk verzetteln oder individuelle Profilneurosen bedienen.
Rüggeberg JA: Entscheidungen stehen an. Passion Chirurgie. 2025 Oktober; 15(10): Artikel 05_02.
Autor:in des Artikels
Weitere aktuelle Artikel
06.03.2019 Politik
Krankenkassen: Vorstandsbezüge erreichen knapp 50 Millionen Euro
Nachdem rund 60 Betriebskrankenkassen vorab ihre Vorstandsvergütungen für 2018 veröffentlicht haben, wurden zum Fristablauf am 01.03.2019 auch die Zahlen der Ersatzkassen, Allgemeinen Ortskrankenkassen und Innungskrankenkassen gemeldet.
05.03.2019 EBM
Abrechnung EBM-Ziffer 30440 (Stoßwellentherapie beim Fersensporn)
Nachdem uns viele Anfragen zur Abrechnungsberechtigung der neu in den EBM aufgenommenen GOP 30440 erreicht haben, möchten wir diesbezüglich versuchen, Klarheit in das Geschehen zu bringen und auch unser weiteres Vorgehen in dieser Frage zu erläutern.
01.03.2019 Politik
Interdisziplinäre Notfallambulanz und Portalpraxis – Erfahrungen aus Schleswig-Holstein
„Die Notaufnahmen der Krankenhäuser sind überlastet – auch, weil sich dort Patienten ohne dringenden Notfall behandeln lassen. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will die Notfallversorgung jetzt umbauen.“ So oder ähnlich lauteten die Schlagzeilen der großen deutschen Tageszeitungen vom 20. Dezember 2018, einen Tag nachdem vom Bundesgesundheitsminister öffentlichkeitswirksam ein Konzept für den Umbau der Notfallversorgung vorgestellt wurde.
01.03.2019 Krankenhaus
Implantateregister kann Patientensicherheit erhöhen, braucht aber Transparenz
Internationale Beispiele zeigen, dass Implantateregister wesentlich zur Erhöhung der Patientensicherheit beitragen können. Voraussetzung dafür ist, dass die Angaben verlässlich, aussagekräftig und verständlich für Ärzte und Patienten sind. Deshalb begrüßt das Aktionsbündnis Patientensicherheit die Gesetzesinitiative der Bundesregierung, sieht aber wesentlichen Ergänzungsbedarf, damit das Gesetz diese Wirkung auch entfalten kann
Lesen Sie PASSION CHIRURGIE!
Die Monatsausgaben der Mitgliederzeitschrift können Sie als eMagazin online lesen.

