Selbstmanagement, Stress-Kontrolle, Resilienz im Krankenhaus
Die Übernahme einer leitenden Position stellt für viele Ärzte das große Endziel ihrer Karriere dar. Nicht selten werden zu diesem Zweck Jahrzehnte in die medizinische Ausbildung investiert. Doch obwohl Chefärztinnen und Chefärzte schon mit dem ersten Tag ihrer Amtsübernahme mit ganz neuartigen Aufgaben und Herausforderungen konfrontiert werden, gehört eine professionelle Vorbereitung auf die fachfremdem Führungsaufgaben nicht zum Standardtraining der Aspiranten. Durch die enorme Spreizung des Arbeitsfelds und die drastische Arbeitszeitverdichtung kommt die Leistungsbalance für leitende Ärzte bei diesen Starterlücken schnell in Gefahr. Leitungspositionen können an die eigenen Grenzen treiben und so ist der Markt an Ratgebern dichtgedrängt. Doch Vieles verliert sich zwischen eloquenten Plattitüden und abgehalfterter Industrie-Rhetorik.
Der Ratgeber „Leistungsbalance für Leitende Ärzte“ aus dem Springer Verlag hebt sich hier erfreulich ab. Die komfortablen 100 Seiten kombinieren grundsätzliche Zusammenhänge mit praktischen Ratschlägen. Der Stil bleibt dabei trotz des neuro-psychologisch dominierten Themas jederzeit gut lesbar. Realistische Fallbeispiele illustrieren typische Fehlentwicklungen und Alltagsfallen. Im direkten Anschluss bieten die Autoren dann eine ganze Lösungspalette, die so einerseits pauschale Handlungsempfehlungen angenehm vermeidet und den Leser andererseits auch nicht in seinen Möglichkeiten ertrinken lässt. Die Einleitung sensibilisiert für das Thema: Selbst die befähigsten Chefärztinnen und –ärzte dürfen ihre Ressourcen nicht restlos verbrauchen. Kapitel 2 lenkt den Blickwinkel zurück auf die eigene Kernkompetenz. Leitende Ärzte sind Leistungsträger, ohne die die Organisationsform Klinik gar nicht existieren würde – eine sehr wertvolle Kehrtwende in Zeiten der MBA-Inflation. Kapitel 3 übt auf dieser Basis die Positionierung in der eigenen Klinik, und zwar in der Balance zwischen Leistungskraft, Arbeitsstil und Gesundheit. Das übliche Gerangel mit den Chefarztkollegen oder die verständnislosen Hahnenkämpfe mit der Verwaltung werden dabei erfreulich umschifft. Strategie statt Streit ist die Devise. Kapitel 4 versucht Plan ins Dunkel unserer Pläne und Handlungen zu bringen – ein neurobiologischer Exkurs in Formen des stabilen Selbstmanagements. Kapitel 5 hängt schließlich einen Potpourri an psychosozialen Austestungen an, die im Eigenversuch zur Selbsterkenntnis führen. Alles endet danach in Entspannung.
Das Buch bietet so eine Reise durch ein nur vermeintlich bekanntes Terrain, dessen Ecken wir im Arbeitsstress regelmäßig übersehen oder übersehen wollen. Der schonende oder besser kluge Umgang mit den eigenen Ressourcen ist das Thema der Medizin – nur den wichtigsten Akteuren wird er offensichtlich nicht zugestanden. Jeder Regionalligaspieler wird auf diesem Feld professioneller geführt. Da haben wir durchaus Nachholbedarf. Und zwar bevor der „burn out“ vor der Tür steht. So gesehen ist das Buch eigentlich ein Muss für alle, die von ihrem Chefarztsessel bis zum Ende aufstehen wollen, statt heraus zu fallen.