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Operative Kompetenz ist nicht das Einzige, was Chirurgen auszeichnen sollte, aber sie ist entscheidend für die Karriereentwicklung. Angehende Chirurgen können erst dann mit ihrer Facharztweiterbildung zufrieden sein, wenn sie Zugang zu den von der Weiterbildungsordnung geforderten Trainingseinheiten im Operationssaal erhalten. Aber es wird für chirurgische Abteilungen immer schwieriger, dafür die Ausbildungszeit zur Verfügung zu stellen.

Dabei scheint die Ausbildungsorganisation chirurgischer Abteilungen aus einer Zeit zu stammen, in der die Klinikgeschäftsführer die Minuten im OP noch nicht unter der Lupe betrachteten und es im Überfluss Bewerber für Assistenzarztstellen gab. Chirurgische Abteilungen sollten daher ihre Ausbildungsorganisation auf den Prüfstand stellen. Eine faire und dem individuellen Ausbildungsstand angepasste Verteilung der Trainingseinheiten im Operationssaal ist dabei essentiell. Assistenzärzte werden diese Maßnahmen anerkennen, denn sie wissen genau, dass jede Minute im OP zählt.

Wir haben in unserer thoraxchirurgischen Abteilung 2002 begonnen, die Verteilung von Ausbildungseingriffen zu optimieren. Im Folgenden sollen vier einfache Maßnahmen beschrieben werden, die sich im Laufe der Zeit als wesentlich erwiesen haben.

Verknüpfung von Ausbildungs- und OP-Koordination

In vielen chirurgischen Abteilungen sind Weiterbildungsbefugnis und OP-Koordination nicht in einer Hand. Eine Ausnahme stellen Abteilungen dar, in denen der Chefarzt die OP-Planung übernimmt. In der Regel aber übernehmen Oberärzte die OP-Koordination und damit den wichtigsten Teil der Ausbildungssteuerung. Chef- und Oberarzt müssten dann eigentlich, anhand der Logbücher aller Weiterbildungsassistenten die OP-Planung abstimmen. Aber wo gibt es das?

Der Abspaltung der Weiterbildungsbefugnis von der OP-Koordination begegnen wir, indem der weiterbildungsbefugte Chefarzt und der leitende Oberarzt, der auch der OP-Koordinator ist, regelmäßige Weiterbildungsgespräche führen. Der Chefarzt führt einmal jährlich seine Gespräche zur Weiterbildungsentwicklung, zu externen Fortbildungsangeboten und wissenschaftlichen Projekten. Die Gespräche mit dem OP-Koordinator erfolgen dagegen quartalsweise und zielen ausschließlich auf die Erreichung der Anhaltszahlen des Leistungskataloges. Wir halten diese Aufgabenteilung für vereinbar mit der Weiterbildungsordnung, solange Einvernehmen zwischen Weiterbildungsbefugtem und OP-Koordinator besteht.

Gespräche zur Verteilung der Weiterbildungseingriffe

Wir haben in unserer Abteilung Weiterbildungsgespräche eingeführt, noch ehe sie von der Weiterbildungsordnung vorgesehen waren [1]. Anfänglich erfolgten diese Gespräche mit dem OP-Koordinator in 6-monatigen Intervallen. Wir wollten diese Gespräche, um Assistenzärzten einen regelmäßigen Kontakt zu dem Vorgesetzten zu ermöglichen, der neben dem Chefarzt maßgeblich über ihre Weiterentwicklung entscheidet. Das Motiv für die Gespräche war ursprünglich durch faire Ausbildungsbedingungen die hierarchischen Strukturen zu verändern.

2004 entwickelten wir gemeinsam mit den Assistenzärzten ein Curriculum Thoraxchirurgie, das an die Ausbildungsmöglichkeiten der Abteilung angepasst war und die Richtlinien der Weiterbildungsordnung berücksichtigte [1]. In diesem Rahmen schlugen die Assistenzärzte vor, die Gespräche zur OP-Verteilung im dreimonatigen Intervall zu führen. Denn auch mit den sechsmonatigen Intervallen war die Verteilung seltener katalogrelevanter Eingriffe noch nicht optimal gewesen. Erst diese quartalsweisen Gespräche ermöglichen es heute, die operative Ausbildung für alle sieben Assistenten der Abteilung parallel zu steuern.

Die Assistenzärzte zählen quartalsweise ihre Leistungskataloge aus. In Einzelgesprächen zwischen Oberarzt und Assistenzarzt wird ausgewertet, ob die für das vergangene Quartal geplanten Eingriffe durchgeführt werden konnten. Für das kommende Quartal wird überlegt, welche Eingriffe erfolgen sollen. Dazu wird vom Oberarzt auch die Ausbildungsplanung für die anderen Assistenzärzte dargelegt, die einen vergleichbaren Ausbildungstand haben. Die Gespräche, die selten länger als 15 Minuten dauern, finden stets im Büro des OP-Koordinators statt.

Die Assistenzärzte bekommen so das Gefühl, dass sich jemand ihrer operativen Ausbildung annimmt und für eine faire Verteilung der Eingriffe gesorgt wird. Für den OP-Koordinator ist es erst durch die quartalsweise Auswertung der Katalogstände möglich, einen Überblick über den Ausbildungsstand aller Assistenten der Abteilung zu erhalten.

Kurze Intervalle zwischen Ausbildungseingriffen

Die Verteilung seltener oder komplexer Eingriffe stellt besondere Anforderungen an die Ausbildungssteuerung. Schwieriger wird es noch, wenn sich mehrere Assistenzärzte in derselben Phase ihrer operativen Ausbildung befinden. Liegen zwischen den Ausbildungseingriffen einer Kategorie zu lange Pausen, wird das erworbene Wissen zum Teil vergessen. Gibt es mehrere solcher Rückschläge, entsteht eine Lernkurve, die einem Sägezahnmuster gleicht. Das ist für Ausbilder wie für Weiterbildungsassistenten frustrierend und verschwendet wertvolle Ausbildungszeit.

Wir versuchen, diesem Problem durch die Bildung von Ausbildungskohorten zu begegnen, die in einem definierten Zeitraum vorrangig eine bestimmte Art von Eingriffen durchführen. Wir trainieren zum Beispiel zwei Weiterbildungsassistenten 12 Monate nur an endoskopischen Lobektomien, während zwei andere Assistenzenzärzte den Eingriff nur in der offenen Form assistieren. Nach 12 Monaten wird gewechselt. Bei sehr seltenen Eingriffen, geben wir einem einzelnen Assistenten sechs Monate lang den Vorrang für diesen Eingriff. Nach Abschluss dieser intensivierten Trainingsblöcke genügen Wiederholungen in größeren Anständen, um den erreichten Ausbildungsstand aufrecht zu erhalten.

Die Lenkung solcher Ausbildungskohorten ist allerdings nicht ohne Risiken. Sie setzt voraus, dass man eine Vorstellung von der Anzahl der jährlich zur Verfügung stehenden Ausbildungseingriffe hat. Zudem muss man den Stand der individuellen Leistungskataloge im Verhältnis zur verbleibenden Weiterbildungszeit genau im Blick haben.

Transparente Ausbildungskoordination

Assistenzärzte werden nur Vertrauen in die Ausbildungskoordination haben, wenn diese zu den vereinbarten Zielen führt und die Verteilungsmodalitäten nachvollziehbar sind. Gemeinsam mit der Einführung der regelmäßigen Ausbildungsgespräche wurde daher auch eine transparente Verteilung der Weiterbildungseingriffe angestrebt. Wir haben dazu im Lauf der Zeit verschiedene, allesamt recht einfache Mittel eingesetzt.

Aktuell führen wir eine Tabelle, die neben der OP-Tafel hängt. Neben dem Namen aller Weiterbildungsassistenten finden sich dort die verbleibende Weiterbildungszeit und die für das laufende Quartal geplanten Eingriffe. Inzwischen stehen dort auch die Stände der individuellen Leistungskataloge für die in der thoraxchirurgischen Weiterbildung relevanten größeren Eingriffe. Die Offenlegung der Leistungskataloge wurde erst 2011 nach einer gemeinsamen Besprechung mit allen Assistenzärzten eingeführt.

Schlussfolgerung

Auch wenn solche Effekte nur schwer zu belegen sind, gehen wir doch davon aus, dass die verlässliche und nachvollziehbare Verteilung der Ausbildungseingriffe die Hierarchie in unserer Abteilung verändert hat. Zudem wurde aber auch eine messbare Verbesserung der operativen Ausbildung erreicht. Angesichts der anhaltenden Diskussion um die chirurgische Weiterbildung glauben wir, dass zumindest zwei der hier beschriebenen Maßnahmen auch in anderen chirurgischen Abteilungen die Weiterbildung verbessern könnten: eine bewusste Verknüpfung der Ausbildungssteuerung mit der OP-Planung und die dazu erforderlichen regelmäßigen Gespräche mit dem OP-Koordinator in kurzen Intervallen.

Literatur

[1] Kyriss T, Veit S, Friedel G, Kaiser D, Toomes H (2005) Chirurgisches Curriculum: Ein Modell aus der Thoraxchirurgie. Chirurg 76: 1058 – 1063.

Kyriss T., Friedel G. Optimierte Organisation des chirurgischen Trainings. Passion Chirurgie. 2015 September, 5(09): Artikel 03_02.

Autor des Artikels

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Dr. Thomas Kyriss

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