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In der Chirurgie wird seit Jahren der Nachwuchsmangel beklagt und eine langfristige Unterversorgung prognostiziert. Nicht nur die mit über 60 Prozent weiblichen Studentinnen, sondern auch die männlichen Studenten entscheiden sich häufig gegen eine Facharztausbildung in der Chirurgie. Lange Arbeitszeiten mit unsicherem Dienstende, viele arbeitsreiche Nachtdienste und die hohe Arbeitsbelastung machen die Chirurgie unattraktiv. Mit zunehmenden Angeboten zur Teilzeitarbeit sollen vor allem der weibliche Nachwuchs für das Fachgebiet gewonnen werden. Die Vereinbarkeit von Karriere, Familie und Beruf sowie eine ausgeglichene Work-Life-Balance will man so erreichen. Trotz der zahlreichen angebotenen verschiedenen Teilzeitmodelle gibt es dabei einiges zu bedenken.

Teilzeitarbeit in der Facharztausbildung

In den letzten Jahren wurde viel für eine strukturierte chirurgisch-fachärztliche Weiterbildung getan. In vielen Kliniken gibt es individuelle Weiterbildungs- und Karrierepläne. Ihre Umsetzung wird in den regelmäßigen Gesprächen mit dem Weiterbilder koordiniert und im Logbuch dokumentiert. Eine Facharztausbildung, egal auf welchem Fachgebiet, in Teilzeit bedeutet aber immer eine Verlängerung der Ausbildungszeit. Von den Ärztekammern werden während der Facharztausbildung nur sechs-Monats-Zeiträume anerkannt. Durch eine Schwangerschaft kann man schnell mal umsonst in seine Weiterbildung investiert haben und die Facharztprüfung ist nicht in Sicht. Da ist es nur verständlich, dass Assistenten, die in regulärer Zeit die Weiterbildung absolvieren, auch eher mit eigenverantwortlichen Tätigkeiten betraut werden. Wichtige Karriereschritte wie das selbständige Operieren und die Einarbeitung in ein Spezialgebiet gelingen so schneller und früher. Der Assistent in Teilzeit kann sich über diese Ungleichheit nicht beklagen.

Durch die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes hat sich die Präsenz der Assistenten in der Klinik gegenüber früheren Jahren deutlich verkürzt. Arbeitet der Assistent in Weiterbildung in Teilzeit, wird seine Ausbildungszeit im Operationssaal zusätzlich reduziert. Häufig können dann seltene und vor allem akut notwendige Operationen am Ende der Weiterbildung, die zur Erfüllung des Operationskataloges notwendig sind, nicht durchgeführt werden.

Wird von dem Assistenten kein ambitioniertes Karriereziel verfolgt, ist sicher in Teilzeit eine umfassende und hochwertige Weiterbildung zum Chirurgen heute schon möglich. Wird jedoch eine universitäre Laufbahn mit zusätzlicher Forschungstätigkeit angestrebt, kann dies, realistisch betrachtet, nicht in Teilzeit erreicht werden. Die Forschungsarbeit und die Weiterbildung lassen sich auch bei guter Organisation nicht allein in der regulären Arbeitszeit und Weiterbildungszeit absolvieren.

Teilzeitarbeit als Facharzt/Oberarzt

Nach Erlangung des Facharztes und mit der chirurgischen Spezialisierung ist sicherlich eine Teilzeittätigkeit möglich. Ein Spezialgebiet lässt sich mit Sprechstunden und Operationstagen immer auf konkrete Wochentage und Präsenzzeiten planen. Im Internet finden sich hierfür zahlreiche positive Beispiele. Häufig finden sich Beispiele, in denen die Kollegin oder der Kollege an einem festen Wochentag freinimmt. Leider werden in diesen Beiträgen immer nur die Vorteile für die teilzeitarbeitende Kollegin oder den Kollegen, aber nicht die Akzeptanz und die Konsequenzen für die anderen Kollegen diskutiert. Eine mit 80 Prozent besetzte Oberarztstelle wird in der Regel nicht durch eine zusätzliche Arbeitskraft in den Kliniken ausgeglichen. Die tägliche Arbeit und die nicht planbaren Notfälle in einer chirurgischen Klinik müssen jedoch durch jemanden absolviert werden. Aufgefangen werden kann diese Mehrarbeit wohl nur in einem großen Team in großen chirurgischen Kliniken der Maximalversorgung. Für kleinere chirurgische Abteilungen, die schon in der Urlaubszeit an ihre Grenzen der Arbeitsbelastung geraten, ist dies bisher eine Illusion. Die reguläre, nicht reduzierte Teilnahme am Bereitschafts- oder Rufdienst wird hierbei noch vorausgesetzt.

Von vielen in Teilzeit arbeitenden Kollegen werden in zahlreichen Beiträgen weitere Probleme ehrlich angesprochen. So sehen viele bei einer Arbeitsleistung unter 70 bis 80 Prozent eine fehlende Routine in der täglichen Arbeit. Hieraus können Angst, zögerliche Entscheidungen und Vermeidungsverhalten resultieren.

Ehrlich wird von den Kollegen auch die geringere Integration in das Team und die geringere Identifikation mit dem Arbeitsplatz angegeben. Bei einer Arbeitsleistung unter 70 Prozent sei ein volles Engagement für ein Spezialgebiet kaum noch möglich.

Fazit

Zusammenfassend und bei aller Euphorie sind der Vereinbarkeit von Karriere, Familie und Beruf sowie die Schaffung einer ausgeglichenen Work-Life-Balance durch Teilzeitarbeit offenbar Grenzen gesetzt. Realistisch betrachtet ist das Erreichen des Facharztes in Teilzeit nur deutlich später zu erreichen und damit auch die Karriere gegenüber den ehemaligen Kommilitonen verlangsamt. Nach Abschluss des Facharztes ist sicherlich in großen chirurgischen Kliniken mit weitreichenden spezialisierten Teams eine Teilzeitarbeit von 70 bis 80 Prozent möglich. Durch die Mehrbelastung der anderen Kollegen ist dies jedoch kein Model für kleinere chirurgische Abteilungen.

Amtsberg G. Kritische Anmerkungen zu „Teilzeitarbeit in der Chirurgie“. Passion Chirurgie. 2015 März, 5(03): Artikel 02_06.

Autor des Artikels

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Dr. med. Gerlind Amtsberg

Stellv. Vertreterin der chirurgischen Oberärztinnen und Oberärzte im BDCUniversitätsmedizin GreifswaldUnfall- und WiederherstellungschirurgieSauerbruchstraße17475Greifswald kontaktieren

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