Zwischen Bundesärztekammer und Verband Privater Krankenversicherungen vom 8. November 2013
Die nachfolgend aufgeführten Kritikpunkte beziehen sich auf die ab Seite 6 der Rahmenvereinbarung zwischen BÄK und PKV-Verband vom 8. November 2013 dargestellten Festlegungen und nehmen die entsprechende Nummerierung auf:
1. Ausgestaltung der neuen GOÄ im angemessenen Interessensausgleich
Die neue GOÄ soll weiterhin als Einzelleistungsvergütung ausgelegt werden, was ausdrücklich begrüßt wird.
Die Bildung von Leistungskomplexen ist grundsätzlich ebenfalls zu begrüßen. Eine Entscheidung zur Bündelung von Leistungen alleine anhand von gebräuchlichen Abrechnungsziffern (nach dem Motto: Das wird immer zusammen abgerechnet) führt zu Fehlern und Anwendungsschwierigkeiten. Hier kommt es auf kompetente fachliche Beratung bei der Bildung von Leistungskomplexen an. Vermieden werden muss eine ökonomisch gesteuerte Bildung von Leistungskomplexen analog zum DRG System.
2. Bewertung, förderungswürdige Maßnahmen und Gebührenrahmen
– Der sogenannte robuste Einfachsatz spiegelt die Summe der Bewertung der ärztlichen Leistungskomponente und dem „Marktpreis“ für den im Standard anfallenden Aufwand in einer Gebührenziffer wider. Hier hat der EBM bei der Entwicklung Pate gestanden, wo eine Teilung in einen ärztlichen und technischen Teil der Leistung bereits Gang und Gäbe ist. Bemerkenswert ist, dass es sich bei den robusten Einfachsätzen um Durchschnittswerte handeln soll und somit Steigerungen bei höherer Morbidität quasi ausgeschlossen sind.
– Nur bei Begründung der besonderen Schwere kann im Einzelfall der robuste Einfachsatz gesteigert werden. Eine Gemeinsame Kommission zur Pflege und Weiterentwicklung der GOÄ von BÄK und PKV-Verband werden hierzu die Kriterien präzisieren.
– Über diese neue Kommission werden die Krankenversicherungen mehr als bisher in die Rechnungsstellung eingreifen können. Sie werden auf diesem Weg über die gemeinsame Arbeit mit der BÄK ein direkter Vertragspartner. Strukturelemente aus der Gesetzlichen Krankenversicherung – hier der Gemeinsame Bundesausschuss – sind unverkennbar.
3. Zeitbezogene Gebührenpositionen
4. Laborleistungen
Die Laborleistungen sind vielen ein Dorn im Auge. Oftmals werden sie als „nicht ärztliche“ Leistungen bezeichnet. Die Bemühungen, diese Ausgaben zu beschränken, gehen sogar so weit, als dass Facharztbezeichnungen in den Weiterbildungsordnungen der Landesärztekammern die Weiterbildungsmöglichkeiten im Laborbereich eingeschränkt werden.
5. Analogbewertungen
Das Prinzip der Analogbewertungen soll zur Abbildung innovativer und bisher nicht in der GOÄ abgebildeter Leistungen fortgeschrieben werden. Allerdings soll die gemeinsame Kommission zur Pflege und Weiterentwicklung der GOÄ Vorgaben zu der Handhabung der Analogabrechnungen festlegen. Es ist denkbar, dass somit eine neue Leistung grundsätzlich über Analogziffern abgerechnet wird, aber sich PKV und BÄK einigen, diese Leistung nicht in die GOÄ zu übernehmen. Hier bleibt die Frage offen, ob hier eine Art Erlaubnisvorbehalt (EBM!) durch die Hintertür eingeführt wird.
6. Wahlärztliche Vergütung / Wahlarztkette und persönliche Leistungserbringer
7. Schnittstelle zur Vergütung von Krankenhausleistungen
An der pauschalen Honorarminderung zur Vermeidung von Doppelvergütungen im Zusammenhang mit den vom Krankenhaus abgerechneten Vergütungen wird zunächst festgehalten. Zum besseren Verständnis der Auswirkungen dieser Regelung findet sich in der Anlage eine umfangreiche Ausarbeitung unter dem Titel „Anlage zu 7. Schnittstelle zur Vergütung von Krankenhausleistungen“.
8. Novellierung und Weiterentwicklung der GOÄ auf Selbstverwaltungsebene
– Die bereits angesprochene Gemeinsame Kommission zur Pflege- und Weiterentwicklung der GOÄ wird paritätisch mit Vertretern der Bundesärztekammer einerseits und des PKV-Verbandes/der Beihilfe andererseits besetzt. Im Zuge dessen soll eine gemeinsame Datenstelle errichtet werden, welche die zukünftige Bewertung und Novellierung der GOÄ vereinfachen soll. Die Letztverantwortung für die Novellierung der GOÄ soll auf Grundlage der beschlossenen Vorschläge von der Gemeinsamen Kommission weiterhin bei der Bundesregierung bzw. beim BMG verbleiben.
– Das BMG kann in die Gemeinsame Kommission einen ständigen Vertreter entsenden. Sofern sich die Partner der Gemeinsamen Kommission nicht einigen können, trifft das BMG die Entscheidung. Für Empfehlungen zur Analogabrechnung von Leistungen gab es ein solches Instrument in der Vergangenheit bereits – der Zentrale Konsultationsausschuss. Dieser wurde in der Vergangenheit jedoch kaum angehört. Es bedarf somit also einer Verhaltensänderung aller Beteiligten, damit dieses Instrument zukünftig wirksam wird.
9. Honorarentwicklung und Risikosteuerung
BÄK und PKV wollen vor Inkrafttreten der neuen GOÄ festlegen, welcher Honorarzuwachs innerhalb der ersten 3 Jahre zu erwarten sein wird. Damit werden nicht nur Elemente des EBM in die GOÄ übernommen, nun gibt es sogar einen Budgetierungsansatz. Wenn man die finanziellen Auswirkungen bei einer GOÄ-Novellierung berechnen will, dann ist der Ausgangspunkt die Frage, welche Daten herangezogen werden und wie diese ausgewertet werden. Auch die Vergleichsbasis muss festgelegt werden. Hier scheint die derzeitige G’OÄ aufgrund ihrer veraltertenStruktur nicht geeignet. Zudem fehlt über alle privaten Krankenversicherungen und der Beihilfe eine einheitliche Datensammlung.
10. Förderung der Qualität in der privatärztlichen Versorgung
– Die Gefahr in einer solchen Qualitätsoffensive liegt darin festlegen zu wollen, welche Leistungen medizinisch notwendig sind. Damit wird, wie bereits geschildert, ein Instrumentarium analog zum G-BA geschaffen und eine GKVisierung im PKV Markt erreicht. Ein solcher “Pseudo-G-BA“ soll der PKV erleichtern, zukünftig ihren Versicherten Leistungen vorenthalten zu können. Es bleibt zu befürchten, dass ähnlich wie in der GKV zur Durchsetzung dieser Forderung die Ärzteschaft herangezogen wird. Dies gilt es zu verhindern.
– Es kann nicht Aufgaben einer Gebührenordnung sein, besondere Präventionsleistungen bzw. förderungswürdige Leistungen über das Honorar zu steuern. Dies muss politisch bzw. in den Tarifbedingungen geschehen. Den Patienten über das Honorar für den Arzt zur Vorsorge zu motivieren sprengt den Charakter einer Gebührenordnung.
Fazit:
Die in der Rahmenvereinbarung dargelegten Fakten zur Novellierung der GOÄ deuten auf eine Annährung der GOÄ und EBM hin (zum Beispiel Kalkulation der GOP in ärztliche und technische Leistungen). Der Einsatz von Multiplikatoren als Ausdruck des Schweregrades wird erschwert, da die Kalkulation des neuen, robusten Einfachsatzes als Durchschnittswert angelegt ist. Die Bewertung und Anerkennung von Analogziffern für neue Behandlungsmethoden wird über eine gemeinsame Kommission gesteuert, so dass zukünftig auch denkbar ist, dass neue medizinische Verfahren keinen Eingang in das Honorarspektrum finden – Übernahme des Erlaubnisvorbehaltes des EBM durch die Hintertür. Die angesprochene gemeinsame Kommission von Bundesärztekammer und PKV hat als Vorbild den Bewertungsausschuss von KV und Kassen und den Gemeinsamen Bundesausschuss mit ministerieller Aufsicht. Auch wenn die Krankenhäuser nicht am Verhandlungstisch von BÄK und KBV sitzen, könnte ihre Finanzierung gefährdet werden.
Stand 29. Januar 2014
Anlage zu 7. Schnittstelle zur Vergütung von Krankenhausleistungen |