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Bereits mit der Anmeldung zur Facharztprüfung für Chirurgie wird im Katalog der einzureichenden Unterlagen die selbstständige Durchführung von Gutachten verlangt. Beim weiteren Weg zum Arzt für Unfallchirurgie oder Arzt für Orthopädie/Unfallchirurgie muss dann auch wieder eine Anzahl von selbstständig erstellten Gutachten dokumentiert werden. Wo lernt der Kollege in der Ausbildung das Abfassen von Gutachten? Eher selten trifft man junge Kollegen in den angebotenen Gutachtenfortbildungen der Ärztekammern oder der Berufsgenossenschaften.

Seminarinhalte

2005 wurde erstmals auf Initiative von Herrn Dr. med. E. Hierholzer und Prof. Dr. Th. Tilling ein Gutachterseminar speziell für die Begutachtung in der gesetzlichen Unfallversicherung angeboten, mittlerweile wurde im November 2010 bereits das siebte Gutachterseminar durchgeführt und für November 2011 ist das achte Seminar bereits terminiert. Insgesamt fünf Seminare fanden bislang in Köln statt, ein Seminar in Dresden und eins in Berlin. Nachdem an den Anfangsseminaren hauptsächlich Fachärzte teilnahmen, sind es in den letzten Seminaren immer häufiger Kollegen, die sich in der chirurgischen oder unfallchirurgisch-orthopädischen Weiterbildung befinden.

Normalerweise wurde oder wird man im Rahmen der Facharzt-Weiterbildung an das Abfassen von Gutachten durch Zuteilung und Lesen von alten Gutachten herangeführt. Anschließend erfolgte dann die Vorstellung des Gutachters mit dem begutachtenden Probanden beim Chef- oder Oberarzt und nach Diktat und Unterschrift wurde das Gutachten an die Berufsgenossenschaft weitergeleitet. Leider hat es in der Vergangenheit in den seltensten Fällen ein Feedback über das Gutachten an die durchführende Abteilung bzw. den durchführenden Arzt gegeben.

Während des fünftägigen Seminars der Gutachten 1 bis 7 und in Zukunft des viertägigen Seminars (achtes Gutachterseminar im November 2011) werden die zur Durchführung von Gutachten erforderlichen verwaltungsspezifischen und chirurgisch-unfallchirurgisch-orthopädischen Grundlagen erklärt und diskutiert.

Seminarinhalte sind:

  • Verwaltungsrechtliche Grundlagen der gesetzlichen Unfallversicherung
  • Medizinische Gutachten im Rahmen des SGB VII
  • Medizinische Untersuchungstechniken bei der Untersuchung einschließlich praktische Übungen in Kleingruppen mit den Messungen der oberen Extremität, der unteren Extremität und der Wirbelsäule
  • Vorträge zum Thema Beweisanforderung, Kausalzusammenhang, Grundlagen der MdE-Symptomatik und Einschätzung
  • Zusammenhangsbegutachtung aus der Sicht des Sozialrichters
  • Fragen zu beruflichen Fähigkeiten und Reha
  • Außerdem wird ausführlich zu immer wieder kehrenden Schwierigkeiten nicht nur bei Gutachten, sondern auch im Schriftverkehr mit den Verwaltungen Stellung bezogen unter den Themen zu der Zusammenhangsbegutachtung
  • Rotatorenmanschettenschaden
  • Sehnenrupturen
  • Meniskus- und Kniebinnenschäden
  • Bandscheibenschäden, Wirbelfrakturen
  • Posttraumatische psychische Störungen.

Die Referenten der Seminare kommen aus den Verwaltungen verschiedener Berufsgenossenschaften sowie aus namhaften „Paragraph-6-Krankenhäusern“ und berufsgenossenschaftlichen Klinken. Die Praktika, die sich über einen halben Tag erstrecken, werden von erfahrenen berufsgenossenschaftlichen Beratungsärzten begleitet.

Während der Seminare besuchten die Teilnehmer der Seminare 1 bis 7 an zwei ganzen Tagen (zukünftig wegen Arbeitsüberlastung der Sozialgerichte an einem ganzen Tag) die Verhandlungen der Unfall- Kammern des Sozialgerichtes. Am Nachmittag werden dann die am Vormittag durchgeführten Gerichtsverfahren ausführlich mit dem vorsitzenden Richter der jeweiligen Kammer unter medizinischen und rechtlichen Gesichtspunkten diskutiert.

Das Gutachtenseminar wird am letzten Tag mit einer Prüfung abgeschlossen. Nach erfolgreicher Teilnahme wird ein Zertifikat ausgestellt, da alle Voraussetzungen für die Zertifizierung gegeben sind. Die Kontaktdaten sämtlicher Teilnehmer, die das Seminar erfolgreich abgeschlossen haben, werden in einem Adressenpool Gerichten, Berufsgenossenschaften und Versicherungen zur Verfügung gestellt.

Im Rahmen der Diskussion bleibt neben einem Erfahrungsaustausch (die Teilnehmer können auch eigene „Fälle“ mitbringen) genügend Zeit, um auf Verbesserungen bzw. Ungereimtheiten im praktischen Alltag bei der Erstellung von Gutachten (z. B. Ungenauigkeiten/Ungereimtheiten bei den Messblättern, keine einheitlichen Messblätter bei verschiedenen Berufsgenossenschaften) hinzuweisen.

Praxis am Sozialgericht

Das Seminar bezüglich der „unfallchirurgisch-orthopädischen“ Berufskrankheiten BK 2010 bis 2112 fand erstmals im Oktober 2010 in Köln statt, für Oktober 2011 ist das zweite Seminar bereits terminiert. Im Rahmen dieses Seminars werden alle unfallchirurgisch-orthopädischen BKen einzeln von namhaften Referenten sowohl seitens der BG-Verwaltung als auch der Kliniken vorgestellt und diskutiert. Seltene Fragestellung sowie politische Umsetzungsprobleme kommen dabei ebenso zur Sprache wie Grundlagen der Konsenusempfehlungen. Die Teilnehmer des Seminars sollten bereits über eine große Erfahrung als Gutachter von berufsgenossenschaftlichen und sozialgerichtlichen Gutachten verfügen. Dieses BK-Gutachtenseminar ist nicht für „Gutachten-Anfänger“ geeignet, vielmehr setzt es bereits eine große Erfahrung im Erstellen von Gutachten zu verschiedenen Fragestellungen voraus. Abschließend erfolgt wieder eine Evaluation entspr. Ziff. 5.12 der Anforderungen der DGUV nach § 34 SGB VII zur Beteiligung am D-Arzt-Verfahren in der Fassung zum 1.1.2011.

Auch während dieses Seminars wird an einem Tag am Sozialgericht über einen Sitzungstag Verhandlungen bzw. Prozessen über BK beigewohnt. Am Nachmittag steht dann der vorsitzende Richter wieder für Erklärungen und Diskussionen zur Verfügung. Die Notwendigkeit der Teilnahme und des Nachweises von Gutachterseminaren erhält durch die Anforderungen der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 34 SGB VII in der Fassung vom 01.11.2011 nun dadurch besondere Aktualität, dass unter Punkt 5.12 in einem Fünfjahreszeitraum nach Punkt 6.4 eine Fortbildung im Bereich des Begutachtungswesen nachgewiesen werden muss. Laut DGUV muss diese Fortbildungsveranstaltung von der Landesärztekammer zertifiziert sein.

Die von mir in den Auflistungen genannten Seminare zum Erstellen von berufsgenossenschaftlichen Gutachten zur Festlegung der MdE aus Unfallfolgen oder Berufskrankheiten erfüllen nach Rücksprache mit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung eindeutig die Anforderungen entsprechend § 34 SGB VII.

Zurück zur Frage in der Überschrift: Die Erstellung und das Schreiben von Gutachten kann man lernen und wird den Interessenten in den genannten Gutachtenseminaren ausführlich dargelegt und erläutert. Die genauen Termine für die nächsten Gutachtenseminaren können beim BDC erfragt werden.

Boxberg W. Gutachten richtig erstellen kann man lernen. Passion Chirurgie. 2011 Mai/Juni; 1(5/6): Artikel 02_06.

Autor des Artikels

Profilbild von Werner Boxberg

Dr. med. Werner Boxberg

Vorsitzender BDC|NordrheinGeschäftsführender Arzt BDD e.V.Friedrich-Ebert-Str. 128 A42117Wuppertal kontaktieren

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