01.04.2013 Allgemeinchirurgie
Für Sie gelesen: Appendizitis-Diagnose mittels Niedrigdosis-CT oder Schlaglochpiste
Zwei Studien haben sich in den letzten Monaten damit beschäftigt, wie man die Diagnostik einer akuten Appendizitis verbessern kann. Die beiden Ansätze sind aber grundverschieden und zum Teil nicht ganz ernst gemeint.
Eine randomisierte Studie aus Südkorea verglich die kontrastmittelverstärkte CT-Diagnostik in Niedrig- versus Normaldosis (2 versus 8 Milli-Sievert). Bei allen 891 Studienpatienten bestand der klinische Verdacht auf eine akute Appendizitis, wobei nicht ganz klar ist, ob und bei wievielen Patienten die Diagnose schon durch andere Untersuchungen so eindeutig war, dass eine CT überflüssig erschien, und diese Patienten erst gar nicht in die Studie eingeschlossen wurden. In vielen Teilen der Welt werden derzeit aber etwa schon drei Viertel aller Patienten mit rechtseitigem Unterbauchschmerz mit CT untersucht. Daher lässt sich annehmen, dass auch in dieser Studie nur wenig Patienten ohne CT direkt operiert wurden.
Als Hauptergebnis der Studie fand sich eine vergleichbar niedrige Rate negativer Appendektomien von gut 3 Prozent in beiden Gruppen. Hiermit ließ sich die Hypothese der Studie bestätigen und eine Nichtunterlegenheit der Niedrigdosis-CT zeigen. Positiv an der Studie hervorzuheben ist, dass es sich um einen randomisierten Vergleich und nicht um eine Testgütestudie handelte. Die Nichtunterlegenheitsfragestellung ist korrekt prospektiv definiert und öffentlich registriert worden. Unter den weiteren Ergebnissen fällt lediglich auf, dass etwas mehr Patienten aus der Low-dose-CT-Gruppe weitere Diagnostik zur Diagnosesicherung benötigten.
Die zweite Studie kommt aus England und erschien in der Weihnachtsausgabe des British Medical Journal, wo traditionell etwas skurrile Studien publiziert werden. Gut 100 Patienten mit Appendizitisverdacht wurden in der Notaufnahme dazu befragt, ob Erschütterungen bei der Anfahrt im PKW zum Krankenhaus ihren Schmerz verstärkten. Offenbar liegt das Krankenhaus der Studienautoren in einer Gegend, wo es viele verkehrsberuhigte Zonen mit Bodenschwellen oder Schlaglöchern gibt. Immerhin zwei Drittel der Patienten passierten eine Unebenheit im Verlauf ihrer Anfahrt. Und fast alle Patienten mit einer später histologisch gesicherten Appendizitis erinnerten sich an eine Schmerzverstärkung, die durch die Erschütterung ausgelöst wurde. Hieraus ergab sich in der Analyse eine sehr hohe Sensitivität bei jedoch nur geringer Spezifität, weil offenbar auch andere Erkrankungen zu einer „Schlaglochempfindlichkeit“ führen können. Auch wenn das diagnostische Zeichen „Schlaglochempfindlichkeit“ sich sicherlich zum Teil mit dem typischen Loslassschmerz überlappt, empfehlen die Autoren die Anamnese hierauf zu erweitern.
Aus der Sicht der deutschen Chirurgie lassen sich beide Studien gut auf die hiesigen Verhältnisse übertragen, weil es in Deutschland weder an CT-Geräten noch an Straßenunebenheiten mangelt. In Deutschland sind die Standards bei CT-Geräten inzwischen weiter vorangeschritten. Die CT-Diagnostik insgesamt hat gezeigt, dass sie die Appendizitis-Diagnostik deutlich verbessert. Dass jedoch Patienten mit Appendizitisverdacht routinemäßig einer CT-Untersuchung bedürfen, darf noch bezweifelt werden, auch weil hierfür die notwendige radiologische Expertise rund um die Uhr verfügbar sein müsste. Aber vielleicht stöhnt der Patient ja schon auf, wenn er beim Transport in die Radiologie über eine Schwelle im Boden gerollt wird, so dass eventuell hiermit die Diagnose schon hinreichend gesichert werden kann.
Literatur
[1] Kim K, Kim YH, Kim SY, Kim S, Lee YJ, Kim KP, Lee HS, Ahn S, Kim T, Hwang SS, Song KJ, Kang SB, Kim DW, Park SH, Lee KH. Low-dose abdominal CT for evaluating suspected appendicitis. N Engl J Med 2012; 366: 1596-605.
[2] Ashdown HF, D’Souza N, Karim D, Stevens RJ, Huang A, Harnden A. Pain over speed bumps in diagnosis of acute appendicitis: diagnostic accuracy study. BMJ 2012; 345: e8012.
Sauerland S. Für Sie gelesen. Passion Chirurgie. 2013 April, 3(04): Artikel 02_03.
Autor des Artikels
PD Dr.med. Stefan Sauerland
Institut für Forschung in der Operativen Medizin (IFOM)Universität Witten/HerdeckeOstmerheimer Str. 20051109Köln kontaktierenWeitere Artikel zum Thema
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