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Frage:

Ein niedergelassener Chirurg fragt an, ob Resektate zwingend zur histopathologischen Beurteilung an einen Pathologen gesandt werden müssen.

Antwort:

Für das zivilrechtliche Haftungsrecht ist die rechtliche Vorgabe für die Beantwortung dieser Frage der medizinische Standard, sodass der Arzt letztendlich entscheiden muss, ob die Einsendung nach dem medizinischen Standard erforderlich ist. Wann eine Maßnahme medizinisch notwendig ist, definiert der BGH in ständiger Rechtsprechung danach, ob es nach objektiven medizinischen Befunden und wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung vertretbar war, sie als medizinisch notwendig anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 12.03.03, Az.: IV ZR 278/01). Medizinisch notwendig sind daher auch aufwendige und anspruchsvolle Maßnahmen, wenn sie eine dauerhafte und wirksame Versorgung gewährleisten und die Maßnahmen objektiv geeignet sind das Leiden zu heilen, zu bessern oder zu lindern (vgl. BGH, a. a. O.). Hierbei handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, bei dem der behandelnde Arzt im Zeitpunkt der ärztlichen Entscheidung einen Ermessensspielraum besitzt, ob nach objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen die Maßnahme zu vertreten und als notwendig anzusehen ist.

Beispielhaft hat die Rechtsprechung entschieden, dass die Entnahme einer Gewebeprobe (hier: aus dem Gebärmutterhals) indiziert ist, wenn bei erkennbar suspekten Veränderungen eine zuverlässige Diagnose nur auf Grund einer histologischen Untersuchung möglich ist (vgl. Tadayon in: Jorzig, Handbuch Arzthaftungsrecht, 2. Aufl. 2021, Diagnosefehler, Rn. 66). Bei dermatologischen Auffälligkeiten muss ein möglicher, bösartiger Befund (hier: Melanom) differentialdiagnostisch ausgeschlossen werden. Die histologische Entnahme einer Probe muss durch den Arzt erfolgen und darf nicht dem Patienten überlassen werden. Eine fehlerhafte Probeentnahme und der unterlassene Hinweis auf die Erforderlichkeit einer Wiedervorstellung begründen in der Gesamtschau zudem einen „groben Behandlungsfehler“ (vgl. OLG Hamm v. 27.10.2015 – 26 U 63/15, GesR 2016, 22, 23). Es muss aus Sicht des Verfassers damit in jedem Einzelfall entschieden werden, ob die Einsendung an den Pathologen nach dem medizinischen Standard medizinisch notwendig ist. Dies ist eine ausschließlich medizinisch zu beurteilende Frage, zu der in einem Haftungsprozess ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt werden muss. Zudem kann es natürlich sein, dass die Einsendung an die Pathologie eine Abrechnungsvoraussetzung einer konkreten EBM-Ziffer oder im Klinikbereich einer DRG ist. Dies bedeutet, dass die Einsendung entweder obligater Leistungsbestandteil der jeweiligen EBM-Ziffer bzw. DRG sein muss oder, dass die Einsendung zum Nachweis der Diagnose und zur Begründung der Indikation für das operative Vorgehen erforderlich ist. Letzteres deshalb, da der Vergütungsanspruch ja stets voraussetzt, dass die operative Leistung auch erforderlich war. In diesem Fall müsste dann unabhängig von dem eingangs Gesagten eine Einsendung erfolgen, da die rechtmäßige Abrechnung eine vollständige Leistungserbringung voraussetzt.

Heberer J: F+A: Einsendung von Resektaten zur histopathologischen Beurteilung. 2025 Juni; 15(06/QII): Artikel 04_05.

Autor des Artikels

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Dr. jur. Jörg Heberer

Justitiar des BDC, Rechtsanwalt und Fachanwalt für MedizinrechtRechtsanwaltskanzlei Dr. Heberer & Kollegen kontaktieren

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