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Frage:

Ein niedergelassener Arzt fragt an, ob es rechtens ist, wenn eine angestellte Praxismitarbeiterin während einer Krankschreibung ins Ausland in den Urlaub fährt, wobei die attestierte Arbeitsunfähigkeit bereits vor Reisebeginn vorlag und er nur per Zufall über deren Social-Media-Auftritt die Urlaubsfotos gesehen und so von der Auslandsreise erfahren hat. 

Antwort:

Zwar gilt der Grundsatz, dass Arbeitnehmer während einer Krankschreibung alles unterlassen müssen, was ihre Genesung hindert. Allerdings schließt dies nach ständiger Rechtsprechung einen Urlaub bzw. Auslandsaufenthalt während einer Krankschreibung nicht aus. Maßgeblich ist stets, ob die Urlaubsreise der Genesung entgegensteht oder ob sie dieser möglicherweise sogar dienlich sein kann. Für diese Einschätzung spielt deshalb auch immer die Art der Erkrankung eine Rolle.

Falls der Urlaub der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nicht entgegensteht bzw. der Genesung oder Gesundheit förderlich sein kann, liegt aus Sicht des Verfassers kein Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten vor, sodass für den Arbeitgeber in diesem Fall auch keine Sanktionsmöglichkeiten bestehen.

Sollte hingegen der Auslandsaufenthalt der Genesung hinderlich sein, liegt ein Pflichtverstoß vor. Dieser könnte zunächst mittels einer Abmahnung sanktioniert werden und erst bei Wiederholung oder in einem schwerwiegenden Fall ein Grund für eine fristlose Kündigung sein. Allerdings muss man für die rechtliche Würdigung immer auf die konkreten Einzelfallumstände abstellen.

In der Regel werden die Überprüfung und der Nachweis eines Verstoßes für den Arbeitgeber jedoch äußerst schwierig sein, da er den Grund der Erkrankung nicht kennt und die Mitarbeiterin diesen selbst bei Nachfrage nicht mitteilen muss. Spätestens in einem Arbeitsrechtsstreit kann dies zu Lasten der dem Arbeitgeber obliegenden Beweislast bezüglich einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit der Mitarbeiterin gehen. Die Rechtsprechung spricht nämlich einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einen großen Beweiswert zu und ihre inhaltliche Richtigkeit wird vermutet. Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung fordert vom Arbeitgeber deshalb die Darlegung der vorsätzlichen Täuschung durch die Mitarbeiterin über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit und darüber hinaus von ausreichenden Tatsachen, die ernsthafte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit begründen und den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeit erschüttern. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass aus Sicht der Gerichte nicht zwangsläufig der Täuschungsbeweis schon dadurch geführt werden kann, weil beispielsweise Urlaubsfotos auf Social Media veröffentlicht werden. Die Rechtsprechung sieht allein hierin keine Tatsache, die zu ernsthaften Zweifeln an der attestierten Arbeitsunfähigkeit Anlass gibt.

Welche Möglichkeiten zum Nachweis eines Arbeitspflichtenverstoßes kann der Arbeitgeber also ergreifen? Er könnte die Krankenkasse informieren. Diese ist sodann bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit gemäß § 275 Abs. 1 S. 1 Nr. 3c) SGB verpflichtet, den Medizinischen Dienst mit einer Gutachtenerstellung zu beauftragen.

Ferner könnte der Arbeitgeber selbstständig weitere Recherchen anstellen, beispielsweise in den Social-Media-Auftritten. Allerdings kann dies zum einen sehr zeitaufwendig sein. Zum anderen muss er unbedingt darauf achten, dass das Profil bzw. ein Chat der Mitarbeiterin öffentlich ist oder er zu den Kontakten der Mitarbeiterin zählt, für die ein konkreter Chatinhalt bestimmt ist und keine Dauerüberwachung stattfindet.

Abschließend sei noch erwähnt, dass die Mitarbeiterin nicht verpflichtet ist, den Arbeitgeber über ihren Aufenthaltsort während der Krankschreibung zu informieren, sodass auch hieraus kein Verstoß gegen arbeitsrechtliche Pflichten hergeleitet werden kann.

Heberer J: F+A: Auslandsreise mit Krankschreibung. 2023 Januar/Februar; 13(01/02): Artikel 04_10.

Autor des Artikels

Profilbild von Heberer

Dr. jur. Jörg Heberer

Justitiar des BDC, Rechtsanwalt und Fachanwalt für MedizinrechtRechtsanwaltskanzlei Dr. Heberer & Kollegen kontaktieren

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