01.04.2025 Politik
Einführung der Hybrid-DRGs – Erfolge und Fallstricke aus Sicht der Kliniken

Eine Analyse des Fortschritts der Ambulantisierung am Beispiel der Hernienchirurgie
Eine Analyse der EU-Kommission aus dem Jahre 2019 bescheinigt dem deutschen Gesundheitswesen, dass die Pro-Kopf-Ausgabe für die Versorgung eines Patienten mit im Durchschnitt 4.300 € mehr als 1.400 € über dem EU-Durchschnitt liegt [1]. Die Lebenserwartung in Deutschland liegt hingegen mit 81,1 Jahren nur leicht über dem europäischen Durchschnitt mit 80,9 Jahren. Die EU bemängelt unter anderem, dass in Deutschland zu wenige medizinische Leistungen ambulant durchgeführt werden [1]. Bei der Leistenhernie zum Beispiel lag der Anteil der ambulanten Operationen in 2013 bis 2019 nicht höher als 20 %, was im internationalen Vergleich sehr niedrig ist [2]. In den USA, Schweden und Dänemark werden über 70 % aller Leistenhernien ambulant versorgt [3]. Fehlende Anreize haben bisher die Umwandlung der stationären in mehr ambulante Behandlung verhindert [3, 4]. Damit wurde aus Sicht des Gesetzgebers ein potentielles Einsparvolumen in Milliardenhöhe nicht realisiert.
Erweiterung AOP-Katalog
Deshalb hat der Gesetzgeber im Rahmen der Gesundheitsreform die Organe der Selbstverwaltung, die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und den Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV-Spitzenverband) im Jahre 2019 damit beauftragt, das ambulante Operieren nach § 115b SGB V weiterzuentwickeln und höhere Anreize zu setzen, damit mehr Operationen auch am Krankenhaus ambulant erfolgen. Dazu sollte unter anderem der AOP-Katalog (Katalog ambulant durchführbarer Operationen) erweitert werden. Zur Unterstützung wurde das IGES-Institut beauftragt, stationäre Leistungen zu identifizieren, die ambulant erbracht werden können. Die Gutachter kamen 2022 zu der Einschätzung, dass von den etwa 35.000 analysierten OPS-Kodes fast 2.500 Kodes in den AOP-Katalog übernommen werden könnten. Dies löste unter den Operateuren durchaus heftige Diskussionen und Kontroversen aus [4]. Es wurde besonders kritisiert, dass der AOP-Katalog nicht mit den zuständigen Fachgesellschaften abgestimmt worden war. Patienten-, Befund- und operationsspezifische Risiken seien viel zu wenig berücksichtigt worden.
Letztendlich wurden bisher auch nur weniger als 15 % der vorgeschlagenen Leistungen (2023 und 2024 jeweils ca. 200 zusätzliche OPS-Kodes, 2025 lediglich zwei neue Leistungen) tatsächlich in den AOP-Katalog aufgenommen.
Sektorengleiche Vergütung
Für eine Auswahl von Operationen und Interventionen, die bisher regelhaft stationär durchgeführt wurden, gibt es seit 01. Januar 2024 eine spezielle sektorengleiche Vergütung, die sogenannte Hybrid-DRG. Diese Fallpauschalen werden unabhängig davon gezahlt, ob die Operation oder Intervention ambulant oder kurzstationär (Verweildauer maximal ein Belegungstag) erfolgt. Die Anzahl an Hybrid-DRGs ist noch relativ gering, soll aber wachsen. Denn Ziel dieser besonderen sektorengleichen Vergütung nach § 115 f SGB V ist es, Anreize zu mehr ambulant durchgeführten Operationen und Interventionen im Krankenhaus und bei den Niedergelassenen zu setzen. Die Höhe der Vergütung mit den Hybrid-DRGs liegt zwischen der normalen DRG mit einer Nacht im Krankenhaus (Kurzliegerabschlag) und der ambulanten Abrechnung über den EBM. Für die Krankenhäuser bedeuten diese zusätzlich abgesenkten Fallpauschalen zunächst einmal einen deutlichen Verlust an Einnahmen, der nur durch effiziente ambulante Strukturen teilweise kompensiert werden könnte. Die niedergelassenen Operateure können für einfache Eingriffe eine deutlich höhere Pauschale erzielen, beklagen aber für komplexe Operationen mit hohen Sachkosten für Implantate sogar Verluste gegenüber der bisherigen Abrechnung über den EBM, da auch die Anästhesieleistungen aus den Hybriderlösen erstattet werden müssen.
Starterkatalog für 2024
Alle Eingriffe, für die es seit Januar 2024 eine Hybrid-DRG gibt, sind in einem Leistungskatalog aufgeführt, den das Bundesgesundheitsministerium (BMG) in Abstimmung mit dem InEK als Anlage zur Hybrid-DRG-Rechtsverordnung vorgegeben hat [9]. Dieser Starterkatalog umfasst rund 250 Operationen und Interventionen aus fünf Leistungsbereichen, darunter Hernien-Operationen. Auch die vom InEK kalkulierte Höhe und die technische Abrechnung der Vergütung hatte das BMG vorgegeben. Dieser Hybrid-DRG-Katalog galt noch bis 31. Dezember 2024 und wurde dann erweitert. Die Methodik der Preiskalkulation durch das InEK, die pauschale Vergütung der Anästhesie- und Sachkosten und den in den Bundesländern unterschiedlichen Sprechstundenbedarfsregelungen wurden vom BDC und zahlreichen anderen Berufsverbänden scharf kritisiert [5].
Erweiterung des Hybrid-DRG-Katalogs für 2025
Um eine erneute Ersatzvornahme durch das BMG zu verhindern, haben sich die KBV, die DKG und der GKV-Spitzenverband fristgerecht bis Ende März 2024 auf eine künftige Erweiterung um 94 OPS-Kodes und weitere fünf Leistungsbereiche geeinigt, die ab 01. Januar 2025 mit neuen Hybrid-Fallpauschalen vergütet werden sollten [10]. Die Vertragspartner rechnen damit, dass mit dem erweiterten Hybrid-Katalog 400.000 stationäre Fälle ambulant durchgeführt werden können. Im Rahmen der anschließenden Leistungskalkulationen stellte das InEK allerdings Inkonsistenzen bei den ausgewählten Leistungen fest und entfernte 13 der 94 OPS-Kodes sowie den geplanten Leistungsbereich „Osteosynthetische Versorgung von Klavikulafrakturen“ aus dem Katalog. Statt „Brusterhaltende Eingriffe in der Mammachirurgie“ wurde der neue Leistungsbereich „Lymphknotenbiopsien“ definiert. Offensichtlich aus systematischen Erwägungen wurden zudem weitere 245 OPS-Kodes hinzugefügt. Dabei handelte es sich um verwandte Leistungen mit vergleichbarem Aufwand sowie um Kodes für unspezifische Resteklassen (.x und .y), um Fehlanreizen bei der Kodierung zu begegnen. Der in dieser Weise angepasste Katalog wurde dann am 11.10.2024 publiziert [11].
Erstaunlicherweise führen jedoch nicht alle gelisteten OPS-Kodes bei den typischen Indikationen tatsächlich zu einer Hybrid-DRG. Aufgrund der hochkomplexen Algorithmen des DRG-Groupers werden z. B. bei den OPS-Kodes für die endoskopische bzw. laparoskopische Versorgung von W1- und W2-Narbenhernien mit Gewebeverstärkung die maßgeblichen Ausgangs-DRGs gar nicht erreicht, so dass die Hybrid-DRGs G24M bzw. G24N nicht resultieren können (siehe Abbildung 1).
Für den Bereich der Allgemein- und Viszeralchirurgie ist der Leistungsbereich „Eingriffe an Analfisteln“ dazu gekommen. Auch im neuen Leistungsbereich „Eingriffe an Hoden und Nebenhoden“ finden sich proktologische und viszeralchirurgische OPS-Kodes. Zusätzlich wurden die bereits im Katalog enthaltenen Leistungsbereiche „Bestimmte Hernieneingriffe“ und „Exzision eines Sinus pilonidalis“ um 33 weitere OPS-Kodes ergänzt. Dabei wurden auch verlustbringende Gruppierungsfehler bei der Behandlung von Rezidiv-Hernien, kombiniert mit der Versorgung anderer Mittellinienbrüche korrigiert.
Der neue Leistungsbereich „Eingriffe an Galle, Leber, Pankreas“ enthält dagegen bisher nur endoskopische Verfahren (ERCP, perkutan-transhepatische Eingriffe, Endosonographie, perkutane Biopsien).
Im Anhang 1 zur Hybrid-Vereinbarung 2025 sind insgesamt 323 neue Leistungen mit den entsprechenden OPS-Kodes aufgelistet. Von den 244 OPS-Kodes, die sich bereits bisher im Katalog befanden, wurden allerdings auch 2 Kodes wieder herausgenommen, die ab 2025 nicht mehr mit einer Hybrid-DRG vergütet werden.
Wie der Starter-Katalog des BMG wurden auch die neuen Hybrid-DRGs vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) unter Beteiligung des Instituts des Bewertungsausschusses (InBA) kalkuliert. Die oft kritisierte Systematik der Kalkulation unter Bezug ausschließlich auf die bisherigen EBM-Erlöse und Kosten der stationären 1-Tages-Fälle blieb unverändert [5]. Die Berücksichtigung von Implantaten (Herniennetze) und weiterem Einwegmaterial bleibt intransparent und erscheint nicht kostendeckend. Erfreulich ist es allerdings, das bei allen bereits bestehenden Hybrid-DRGs Erlössteigerungen zwischen 1,8 % und 15,6 % resultieren.
Neue Hybrid-DRGs und Zuschlag für postoperative Nachbehandlung
Erst am 18.12.2024 wurde die endgültige Hybrid-DRG-Vergütungsvereinbarung mit den kalkulierten neuen Preisen [12] veröffentlicht, die die Ersatzvornahme des BMG [6] ersetzt. Die entsprechenden Gruppierungsalgorithmen wurden in die Grouper-Software eingearbeitet, so dass eindeutig festgelegt ist, welche Eingriffe im Jahr 2025 mit einer Hybrid-DRG vergütet werden und wie hoch die Erlöse sind. Mit der jetzt vorliegenden Vereinbarung bestehen 22 Hybrid-DRG, die Vertrags- und Klinikärzte im Jahr 2025 abrechnen können [6, 12].
Positiv ist aus Sicht des Krankenhauses, dass es zukünftig einen Zuschlag zu den Hybrid-DRG für eine innerhalb von 21 Tagen durchgeführte postoperative Nachbehandlung im Krankenhaus gibt. In den Entgeltkatalogen sind zwei Preise ausgewiesen: In Spalte A findet sich die Hybrid-DRG ohne postoperative Nachbehandlung im Krankenhaus und in der Spalte B diejenige zuzüglich postoperativer Nachbehandlung im Krankenhaus. Die zusätzliche Pauschale beträgt 30 € und soll somit eine Gleichbehandlung mit den niedergelassenen Vertragsärzten herstellen, welche die Nachbehandlung nach dem EBM abrechnen können. Problematisch ist es dabei allerdings, dass dieser höhere Erlös nur direkt mit der Abrechnung der Hybrid-DRG geltend gemacht werden kann. Somit muss zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung bekannt sein, ob eine postoperative Nachbehandlung stattgefunden hat oder nicht. Revisionssicher kann daher erst nach Ablauf von 21 Tagen die Hybrid-Leistung abgerechnet werden. Falls eine kurzfristige postoperative Kontrolle routinemäßig durchgeführt wird, wäre grundsätzlich auch eine zeitnahe Abrechnung möglich.
Anmerkung: Diese erst am 18.12.2024 beschlossenen Regelungen sind noch nicht in die bereits ausgelieferte Grouper-Software (Zertifizierungsdatum 04.-11.12.2024) eingearbeitet, sodass aktuell (Stand Januar 2025) bundesweit zwar mit offiziell zertifizierter Grouper-Software abgerechnet wird, die Rechnungen vermutlich aber größtenteils storniert werden müssen (wie bereits im 1. Quartal 2024!), um jetzt die höheren Entgelte für Hybrid-DRGs mit postoperativer Nachbehandlung abrechnen zu können. Es ist völlig unverständlich, weshalb überhaupt zwei Preise der Hybrid-DRGs ausgewiesen werden, statt den Zuschlag separat abrechenbar zu machen. Letztendlich ist auch schwer nachvollziehbar, warum für die Leistungserbringung im Krankenhaus statt einer willkürlich erscheinenden 30-Euro-Pauschale nicht ebenfalls nach EBM abgerechnet werden kann.
Neuerungen bei den Hernien-Hybrid-DRGs
(G09N, G24N und G24M)
Bei der Versorgung von Leisten- und Schenkelhernien sind keine grundsätzlichen Veränderungen der Hybrid-DRG-Systematik vorgenommen worden. Die Bedingungen dieser Hybrid-DRGs sind erfüllt, wenn offen-chirurgische oder minimal-invasive Verfahren zum Bruchpfortenverschluss eingesetzt werden, wobei auch der Einsatz von alloplastischem, allogenem oder xenogenem Material inkludiert ist. Die Behandlung darf eine Verweildauer von einem Belegungstag nicht überschreiten oder muss ambulant durchgeführt worden sein. Sollte eine längere Verweildauer medizinisch erforderlich sein, so ist die reguläre DRG (G09Z, G24B, G24C) zzgl. Pflegeentgelt abrechenbar. Dies gilt auch, wenn sogenannte Kontextfaktoren vorliegen (Schwerwiegende Begleiterkrankungen, aufwändige Zusatzeingriffe), was jedoch im Rahmen eines maximal eintägigen Krankenhausaufenthaltes selten der Fall sein dürfte. Grundsätzlich sind jedoch Eingriffe zur Behandlung von Rezidiv-Hernien oder in Verbindung mit Darmresektionen über den Zugang der Herniotomie nicht als Hybrid-DRG abzurechnen. Bisherige Anomalien des Gruppierungsalgorithmus sind ab 2025 korrigiert worden, so dass Kombinationen von Rezidiv-Eingriffen mit der Versorgung einer Mittellinienhernie nicht mehr zur Ermittlung einer Hybrid-DRG und damit auch nicht zu einer nicht sachgerechten Abwertung führen.
Neu ist dagegen, dass die Verfahren mit Einsatz von alloplastischem, allogenem oder xenogenem Material bei der Versorgung von Nabel- und epigastrischen Hernien, sowohl bei offen-chirurgischem als auch minimal-invasivem Zugang, als Hybrid-DRGs abrechenbar sind.
Zu großer Verwirrung hat dagegen die Ankündigung geführt, dass auch die Verfahren zur Versorgung von W1- und W2-Narbenhernien [7] (horizontale Defektbreite < 10 cm, OPS-Kodes 5-534.33 bis 5-534.39) künftig zu den Hybrid-Leistungen zählen sollen. Wie sich aber erst nach Abrechnungssimulation mit der aktuellen Grouper-Software zeigt, führen diese Leistungen zur konventionellen DRG G08B „Komplexe Rekonstruktion der Bauchwand“, die gar keine Ausgangs-DRG für eine Hybrid-DRG darstellt und somit auch nicht zu einer Hybrid-DRG führen kann (siehe Abbildung 1).
Abb. 1: Gruppierungsergebnisse bei der Versorgung von Narbenhernien (Hauptdiagnose K43.2 „Narbenhernie ohne Einklemmung und ohne Gangrän“, Verweildauer 1 Belegungstag); blau markiert sind alle Prozeduren, die als Hybrid-Leistungen gelistet sind (11). Tatsächlich führen aber alle Prozeduren aus dem Bereich 5-536.4- zur regulären DRG G08B (geprüft mit dem zertifizierten Grouper GetDRG Vers. 24.2.1 der Fa. GEOS, Nürnberg).
Effekt der Einführung der Hybrid-DRG
In einer Herniamed-Analyse lässt sich der Effekt der Einführung der Hybrid-DRG am Beispiel der Leistenhernien-Chirurgie aufzeigen. In Tabelle 1 wird der Anteil der ambulanten Leistenhernien-Chirurgie im Vergleich zwischen 2019 als letztem Jahr vor der Corona-Pandemie mit 2024 als erstem vollen Jahr mit Abrechnung über Hybrid-DRG aufgezeigt. Die in etwa vergleichbare Anzahl an Leistenhernien-Operationen im Herniamed-Register zeigt, dass der Vergleich realistisch ist: Es zeigt sich, dass durch die Einführung der Hybrid-DRG der Anteil der ambulanten Leistenhernien-Chirurgie von 10,1 % im Jahre 2019 auf 30,2 % im Jahre 2024 angestiegen ist. So scheint die Einführung der Hybrid-DRG mit einheitlicher Abrechnung als stationäre oder ambulante Leistung zumindest für die Leistenhernie zu greifen. Aber die Erwartungen des Gesetzgebers und der beteiligten Parteien, GKV-Spitzenverband, KBV und DKG, gehen natürlich noch weit darüber hinaus, um einen Status wie in anderen Ländern zu erreichen. Mit Herniamed haben wir ein ideales Instrument, um diesen Prozess weiter zu begleiten.
Tab. 1: Zunahme des ambulant operierten Anteils in der Chirurgie der Leistenhernien von 2019 bis 2024 (Quelle: Herniamed-Register); Ambulantes vs. stationäres Vorgehen bei den elektiven ein- und beidseitigen und rezidivierenden Leistenhernienoperationen 01.01.2019 – 31.12.2019 vs. 01.01.2024 – 31.12.2024
OPs |
% |
Total |
|
Ambulante Leistenhernienchirurgie 2019 |
9.674 |
10,1 % |
96.076 |
Stationäre Leistenhernienchirurgie 2019 |
86.402 |
89,9 % |
|
Ambulante Leistenhernienchirurgie 2024 |
28.356 |
30,2 % |
93.895 |
Stationäre Leistenhernienchirurgie 2024 |
65.539 |
69,8 % |
Einfluss auf die Methodenwahl
Von chirurgischer Seite wurde befürchtet, dass durch die Einführung der Hybrid-DRGs und die Verlagerung in ein ambulantes Setting die Auswahl des Operationsverfahrens nicht mehr nach wissenschaftlichen Kriterien erfolgt, sondern sich eher an Praktikabilitätskriterien orientiert [4]. Die Analyse aus dem Herniamed-Register zeigt, dass sich für die Entscheidung zum ambulanten Operieren einer Leistenhernie Änderungen in der Methodenwahl ergeben können. So betrug der Anteil der Lichtenstein-Operation 2019 ambulant 33,9 % und stationär 19,2 %, während der Anteil der TAPP-Technik ambulant 11,3 % und stationär 52,3 % ausmachte. Die TEP wurde im Jahr 2019 ambulant in 24,2 % und stationär in 26,5 % vorgenommen. 2024 betrug der Anteil der Lichtenstein-Operationen ambulant 18,0% und stationär 19,2 %, der Anteil der TAPP-Technik ambulant 47,7 % und stationär 54,2 % und der Anteil der TEP-Operationen ambulant 28,8% und stationär 25,5%. Das zeigt eindeutig, dass die Entscheidung zur ambulanten Leistenhernienchirurgie aktuell keinen entscheidenden Einfluss auf die Methodenauswahl mehr hat.
Perioperatives Ergebnis
Eines der wesentlichen Bedenken von chirurgischer Seite ist die Sicherheit der ambulanten Chirurgie für die Patienten [3, 4]. Die von der IGES entwickelten Kontext-Faktoren reichen nicht aus, um die potenziellen Risikofaktoren für Komplikationen der Leistenhernienchirurgie hinreichend zu berücksichtigen [4]. Die Kontext-Faktoren beschränken sich im Wesentlichen auf internistische und intensivmedizinische Parameter. Einflussfaktoren von Seiten des Befundes, des Patienten und der Operationstechnik wurden nicht berücksichtigt [4].
Umso erfreulicher ist es, dass im Herniamed-Register für die ambulante Leistenhernienchirurgie keine auffällige Häufung von Komplikationen im Vergleich zum stationären Vorgehen festgestellt werden kann. So lag die Rate an komplikationsbedingten Reoperationen im Jahre 2019 ambulant bei 0,6 % und stationär bei 1,0 % und im Jahre 2024 ambulant bei 0,3 % und stationär bei 0,8 %. Dabei muss natürlich berücksichtigt werden, dass sich bei den stationären Fällen mehr Patienten mit Risikofaktoren befinden [4].
Zukünftige Entwicklung der Ambulantisierung
Mit dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG, Inkrafttreten am 12.12.2024) wurden zahlreiche wichtige Änderungen der Hybrid-DRG beschlossen, die großen Einfluss auf die zukünftige Entwicklung der Ambulantisierung haben werden [8]. So werden bis zum Jahr 2026 rund eine Million und bis 2030 sogar 2 Millionen ambulante Behandlungsfälle angestrebt und notfalls über Verwaltungsakte der Bundesregierung vorgeschrieben. Gleichzeitig soll die Bewertung der Hybrid-DRGs bis 2030 auf die Sätze des EBM reduziert und damit zunehmend unattraktiver werden. Somit will die Bundesregierung offenbar die Ambulantisierung durch Dirigismus und nicht durch Anreize umsetzen, während in anderen europäischen Ländern erfolgreich mit einer Incentivierung durch attraktive und vorübergehend sogar angehobene Fallpauschalen gearbeitet wurde. Es darf bezweifelt werden, ob dieser deutsche Weg den gewünschten Erfolg bringen wird und Anpassungen im weiteren Gesetzgebungsverlauf sind unabdingbar. Dabei ist die Erstattung von Sachkosten (Implantate, Einmalmaterial etc.) sowie die Vergütung weiterer beteiligter Leistungserbringer (Anästhesie, Radiologie, Pathologie, Labormedizin) sachgerecht zu regeln.
Literatur
[1] Deutsches Ärzteblatt, Jg. 116, Heft 49, 6. Dezember 2019 Hohe Kosten, durchschnittliche Ergebnisse
[2] Köckerling F, Lorenz R, Reinpold W, Zarras K, Conze J, Kuthe A, Lammers B, Stechemesser B, Mayer F, Fortelny R, Hoffmann H, Kukleta J, Weyhe D (2022). What is the reality in outpatient vs inpatient groin repair? An analysis from the Herniamed Registry. Hernia 26:809-821. https//doi.org10.1007/s10029-021-02494-6
[3] Paasch C, Schildberg C, Lehmann M, Meyer F, Barth U (2023) Vorgaben, Zielvorstellungen, Motive, Haltungen und Denken zum ambulanten Operationsprofil der Allgemein- und Viszeralchirurgie Chirurgie (Heidelb). 94(10):850–860. [Article in German] https//doi.org10.1007/s00104-023-01920-y
[4] DACH-Konsensusgruppe ambulante Leistenhernienchirurgie, Niebuhr H, Köckerling F, Fortelny R, Hoffmann H, Conze J, Holzheimer RG, Koch A, Köhler G, Krones C, Kukleta J, Kuthe A, Lammers B, Lorenz R, Mayer F, Pöllath M, Reinpold W, Schwab R, Stechemesser B, Weyhe D, Wiese M, Zarras K, Meyer HJ (2023) Leistenhernienoperationen – immer ambulant? Chirurgie (Heidelb) 94: 230–236. [Article in German] https//doi.org10.1007/s00104-023-01818-9
[5] Kisch, T., Müller-Rath, R., Gregor, S. et al. Hybrid-DRGs – Die Herausforderung. Chirurgie 95, 1007–1011 (2024). https://doi.org/10.1007/s00104-024-02196-6
[6] aerzteblatt.de, Freitag, 20. Dezember 2024 Neue Hybrid-DRG und höhere Vergütung vereinbart
[7] Köckerling F, Hoffmann H, Adolf D, Reinpold W, Kirchhoff P, Mayer F, Weyhe D, Lammers B, Emmanuel K (2021) Potential influencing factors on the outcome in incisional hernia repair: a registry-based multivariable analysis of 22,895 patients Hernia. 25:33–49. https//doi.org10.1007/s10029-020-02184-9
[8] KBV: Stellungnahme der KBV zu den Änderungsanträgen der Koalitionsfraktion SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drucksache 20(14)2213 vom 11. Oktober 2024 https://www.kbv.de/media/sp/2024-10-15_KHVVG__A_Stellungnahme__KBV.pdf, zuletzt zugegriffen 22.1.2025
[9] https://www.recht.bund.de/bgbl/1/2023/380/VO
[10] https://www.kbv.de/html/1150_68599.php
[11] https://www.dkgev.de/fileadmin/default/Mediapool/2_Themen/2.2_Finanzierung_und_Leistungskataloge/2.2.4._Spezielle_sektorengleiche_Verguetung__Hybrid-DRG_/AEnderungsvereinbarung_zur_Hybrid-DRG-Vereinbarung_vom_11.10.2024.pdf
[12] https://www.kbv.de/media/sp/2024-12-18_Hybrid-DRG-Verguetungsvereinbarung_mit_Anlagen.
Korrespondierender Autor:
Prof. Dr. med. Ferdinand Köckerling
Chefarzt
Zentrum für Hernienchirurgie
Vivantes Humboldt-Klinikum
Akademisches Lehrkrankenhaus der Charité – Universitätsmedizin Berlin
Ferdinand.Köckerling@vivantes.de
Dr. med. Peter Kalbe
Vizepräsident
Berufsverband der Deutschen Chirurgie e.V. (BDC)
Gelenkzentrum Schaumburg
Dr. med. Rolf Bartkowski
Geschäftsführer
Med-I-Class GmbH
Prof. Dr. med. Helmut Witzigmann
Helios Park-Klinikum Leipzig
Prof. Dr. med. Waldemar Helmut Uhl
Kompetenzzentrum in Bochum
Deutsches Schilddrüsenzentrum
St. Josef-Hospital
Prof. Dr. med. Dr. h.c. Hans-Joachim Meyer
Präsident des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgie e.V. (BDC)
Chirurgie
Köckerling F, Kalbe P, Bartkowski R, Witzigmann H, Uhl WH, Meyer HJ: Hybrid-DRG aus Sicht der Kliniken. Passion Chirurgie. 2025 April; 15(04): Artikel 03_03.
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